Hamburg. Der Hamburger legt den Roman „Zauberberg 2“ vor. Außerdem: Novitäten von Frank Schulz, Daniela Krien, Isabel Bogdan, Joachim Meyerhoff.
Es ist mal wieder Thomas-Mann-Jahr. Das schlägt sich zum Beispiel, wohl eher unabsichtlich, in einem Roman mit dem einprägsamen Titel „Der Supergaul“ nieder. Dessen Heldin („Ich liebe Fantasy! ,Harry Potter‘, ,Herr der Ringe‘, ,Game of Thrones‘ – ich hab sie alle gelesen. Bestimmt auch den Zauberberg!“) hat von Literatur so gar keine Ahnung, will aber den Angeschmachteten beeindrucken. Helene Bockhorsts ganz amüsantes Erzählstück ist bereits erschienen und nur an dieser einen Stelle eine ganz beiläufige Hommage an den großen Lübecker Romancier.
Es geht natürlich noch viel direkter. Norman Ohlers neues Buch „Der Zauberberg. Die ganze Geschichte“ (erscheint im September) handelt von einer Vater-Tochter-Reise nach Davos und dem Nachdenken über die Moderne. Soll vergnüglich sein, wie der Verlag verspricht. Treffen wir gar die berühmte Mann‘sche Ironie an? Die Lektüre wird es zeigen. Das ganz sicher komischste Buch mit Thomas-Mann-Bezug wird aber, es kann gar nicht anders sein, Heinz Strunks „Zauberberg 2“ sein. Der Roman erscheint im November und damit genau 100 Jahre nach Thomas Manns Klassiker. Die Handlung: Der reiche Selfmademan Jonas Heidbrink ist körperlich und seelisch nicht okay, ein Sanatoriumsbesuch in Ostdeutschland soll ihn kurieren. Hans Castorp durfte nach Davos, egal. Hauptsache Ärzte, Visiten, Speisesaal. Die medizinische Anstalt wird seine Welt, aber irgendwann gibt‘s einen Toten in den Sümpfen.
Heinz Strunk und „Zauberberg 2“: Zur Recherche ins Sanatorium
Sieht nach klarem Strunk-Stoff aus, ist also wahrscheinlich todtraurig und lebenslustig zugleich. Heinz Strunk, der auf Autorenfotos manchmal ein wenig aussieht wie Thomas Mann, hat zur Recherche ein Sanatorium besucht, „als Selbstzahler musste ich dann auch richtig ablatzen, 800 Euro pro Tag.“ Die Kohle wird er wieder reinholen, sicherer Bestseller. Die Lesung ist am 14. Dezember im Schauspielhaus. Das Literaturhaus begeht den 100. Geburtstag übrigens auch mit einem „Zauberberg“-Abend am 3. Dezember.
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Apropos Literaturhaus: Hamburgs wichtigste Adresse für Lesungen steuert im Spätsommer und Herbst wie gewohnt einiges zum literarischen Leben der Stadt bei. Der XXL-Longlist-Abend zum Deutschen Buchpreis findet am 4. September statt, am 7. September, anlässlich der Langen Nacht der Literatur, liest Frank Schulz auf Einladung des Literaturhauses aus seinem neuen Roman „Amor gegen Goliath“. Er handelt unter anderem von einem Ex-Bühnenkünstler namens Ricky Kottenpeter. Allein das macht Lust auf mehr. Der Hamburger Schulz hat ausgiebig an diesem dicken Roman gearbeitet, seine Fans warteten geduldig. Kaum vorstellbar, dass sie enttäuscht werden.
Neue Bücher 2024: Daniela Krien, Alina Bronsky und viele mehr
Weitere Literaturhaus-Highlights: Daniela Krien („Die Liebe im Ernstfall“) stellt ihren berührenden neuen Roman „Das dritte Leben“ am 10. September am Schwanenwik vor, im Mittelpunkt steht eine Frau, die ihre Tochter verloren hat. Rachel Cusk kommt mit ihrem neuen Roman „Parade“ am 12. September, Alina Bronsky mit „Pi mal Daumen“ am 24. September und Clemens Meyer mit seinem gewaltigen, mehr als 1000 Seiten dicken Comeback-Roman „Die Projektoren“ am 25. September. Auch Monika Zeiner hat ein dickes Buch geschrieben, sie stellt ihren Familienroman „Villa Sternbald“ am 23. Oktober vor.
An Literaturveranstaltungen herrscht gottlob kein Mangel – obwohl das Harbour Front Festival in diesem Jahr ausfällt. In die Bresche springt unter anderem die an der Elbchaussee beheimatete Buchhandlung Wassermann, die mit der Herbstlese Blankenese ein kleines Festival auf die Beine gestellt hat. Unter anderem zu Gast sind dort Ulrich Wickert, Elke Heidenreich, Lars Haider (der dritte „Hammerstein“-Krimi ist bald zu haben!) und Eckhart Nickel, dessen neuer Roman „Punk“ im September erscheint.
Der große Harbour-Front-Ersatz ist aber das erstmals stattfindende Elb.lit-Festival (21.9.–17.11.), wobei es bereits im Vorfeld der offiziellen Festival-Ankündigung ein wenig Knatsch gab; manch einer störte sich an den Zuschüssen der Stadt für die aus Köln stammenden Veranstalter. So oder so: Bereichern wird Elb.lit das kulturelle Angebot. 20 Veranstaltungen sind versprochen, unter anderem in der Elbphilharmonie, der Laeiszhalle und dem Schauspielhaus. Bekannt sind bislang einige prominent besetzte Termine, die Kurzweil versprechen und Literaturentertainment, gar keine schlechte Sache. Iris Berben und Olli Dittrich lesen aus David Foster Wallaces vergnüglicher Textsammlung „Der Spaß an der Sache“ (26.10., Schauspielhaus), und Cordula Stratmann und Bjarne Mädel beschäftigen sich in „Sie mich auch!“ mit dem Beleidigtsein an sich sowie allerlei Beleidigern und Beleidigten aus der Literaturgeschichte (21.9., Elbphilharmonie). Bleibt abzuwarten, ob sich zu Bestsellerlistenkönigen wie Frank Schätzing („Helden“ erscheint am 16. Oktober) und Hape Kerkeling, die für die Elb.lit anonnciert sind, im Programm noch mehr Namen gesellen, die jenem ein tatsächlich literarisches Profil geben.
Neue Bücher für Literaturfans: Isabel Bogdan veröffentlicht „Wohnverwandtschaften“, Gerhard Henschel den „Frauenroman“
An Novitäten herrscht kein Mangel: Aus Hamburg sind noch Autoren wie Andreas Moster („Der Silberriese“ erscheint im August), Rasha Khayat („Ich komme nicht zurück“, August) sowie vor allem Isabel Bogdan („Der Pfau“) zu nennen. Bogdans neuer Roman „Wohnverwandtschaften“ (Goethe also, aber in der WG-Version mit Freundschaft statt Romantik) erscheint im Oktober. Lucy Frickes „Das Fest“ (es geht ums 50-Jahre-alt-Werden, oje) ist ab Oktober in den Buchhandlungen erhältlich, „Die dritte Hälfte“, ein Hamburg- und Generationen-Roman von Sabine Peters, bereits im Juli. Und von „Hey, hey, hey, Taxi!“, dem ersten Kinderbuch Saša Stanišićs, gibt es Band zwei (September).
Angekündigt sind überdies neue Romane von Alexander Schimmelbusch („Karma“, August), Gerhard Henschel („Frauenroman“, November), Jackie Thomae („Glück“, August), Mithu Sanyal („Antichristie“, September), Nora Bossong („Reichskanzlerplatz“, August), Anna Katharina Hahn („Der Chor“, September) und – Joachim Meyerhoff: „Man kann auch in die Höhe fallen“ (November, Lesung am 13.11. im Schauspielhaus) ist das autobiografische Mutterbuch des großen Schauspielers Meyerhoff, der zum großen Schriftsteller wurde.
Martin Suter und Benjamin von Stuckrad-Barre haben sich mal wieder verquatscht
Und um Siegfried Lenz und Benjamin von Stuckrad-Barre einmal in einem Absatz zu erwähnen: Letzterer hat es wieder getan und ist mit Bestsellerkollegenfreund Martin Suter zum geistreichen Talk zusammengetroffen; man hat sich wahrscheinlich richtig gut verquatscht. In Buchform heißt das ganze „Wer muss denn gleich so rumschreien“ (erscheint im Oktober, live zu erleben am 20.2.2025 in der Laeiszhalle). Von Siegfried Lenz, der am 7. Oktober 2014 starb, erscheinen auf den Tag genau zehn Jahre später bislang unveröffentlichte Erzählungen – unter dem Titel „Dringende Durchsage“. Donnerwetter.
Über die angesagte Zeitgeist-Autorin Sally Rooney („Intermezzo“ erscheint im September) und Pulitzerpreis-Träger Richard Powers („Das große Spiel“ erscheint im Oktober, Lesung am 13.11. im Literaturhaus) landen wir am Ende wieder bei Thomas Mann. Bestes Geschenkbuch der zweiten Jahreshälfte ist, ehrlich, der Band „Mit Thomas Mann durch das Jahr“ (Dezember). 365 Sätze aus Manns berühmten Tagebüchern, die seinen täglichen Kampf mit der literarischen Produktion betreffen: „Große Abneigung, nachmittags noch irgendetwas zu tun.“ Anschlussfähige Aussage, wahrscheinlich.