Hamburg. Der Autor Burkhard Müller ist dem mächtigen Strom durch die Lande gefolgt. Toll! Er fließt übrigens nicht nur durch Norddeutschland.

Flüsse sind eine emotionale Angelegenheit. Der Mensch lebt gerne am Fluss oder zumindest an einem Ort am Fluss. Jetzt gerade ist die Elbe hier in Hamburg wieder der Hit. Der Sommer ist schon, der Sommer ist endlich da. Wobei zumindest der Verfasser dieser Zeilen besonders dann sehr emotional wird, wenn er der Elbschwimmer ansichtig wird: Wie kann man nur! In Flüssen niemals nicht zu keiner Zeit je baden, das versucht man dann so seinen kleinen Kindern zu vermitteln. Ist der Elbstrand voll, kriegen das dann auch andere mit. Die denken sich dann: Spielverderber.

Aber die Meinung steht. In Flüssen zu schwimmen ist nicht nur gefährlich, es ist auch nicht schön. Dreckwasser! Zugegeben, die Aversion mag am eigenen Aufwachsen am Rhein liegen, gar nicht so weit weg von der BASF, das Rheinwasser erschien immer als furchterregende Kloake. Aber sentimental verbunden bleibt man mit ihm, dem Vater Rhein. Niemals würde man jemandem die Behauptung durchgehen lassen, die Elbe sei der imposanteste, der größte, der womöglich längste deutsche Fluss. Der Autor Burkhard Müller verweist in seinem neuen Buch „Die Elbe. Porträt eines Flusses“ aber darauf – irgendwo im Internet hatte man es ungläubig schon gelesen –, dass je nach Messung die in Böhmen entspringende Elbe tatsächlich länger sei.

Neues Buch „Die Elbe“: Diesen Fluss muss man lieben

Wenn man die Moldau als deren Quelllauf dazunimmt, kommt man bei der Elbe auf 1245 Kilometer und beim Rhein lediglich auf 1233 Kilometer Länge. Kaum zu glauben, ein Trick vielmehr, oder? Lassen wir das mit der Moldau mal lieber weg. Und kommen nun dennoch zum Hauptgegenstand von Buch und diesem Text: der, was sonst, dann doch herrlichen Elbe. Burkhard Müller, Jahrgang 1959, seit Langem in Chemnitz ansässiger Würzburger, legt mit seinem literarischen Reiseführer einen meinungsstarken, informierten und an seinem Thema eminent interessierten Text vor. Müller, der die Elbe nicht ganz abwanderte, aber die prominenten Orte, die sie berührt, allesamt besuchte, ist reisend ein profunder Kenner der Elbe geworden, möchte man meinen: Deswegen werden wir Lesenden mit ihm klüger.

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Böhmische Elbe – der tschechische erste Teil dieses Flusses –, Sächsische Elbe, Mittel- und Unterelbe: Müller verwebt das, was er sieht und erfährt, zu einem langen Essay über (vor allem) deutsche Landschaften und Geschichte. Er ist in Wittenberg beim schrecklichen Luther, dem dennoch zu unwürdig gedacht wird, da hat Müller völlig recht. Er ist im Sachsenwald bei Bismarck, in Dresden im Weißen Hirsch. Er ist, selbstverständlich, auch in Hamburg; dort begleitet ihn übrigens der dort aufgewachsene Schriftsteller Michael Kleeberg (Müller hat stets Begleiter, alleine reisen ist nicht jedermanns Sache). Die Betrachtungen, die beide über etwa die Reeperbahn anstellen, sind nicht grundsätzlich originell. Aber das Amüsierviertel erhält, als direkte Hervorbringung der Elbe sozusagen, in seiner Historizität einmal mehr Konturen. Es musste sich verändern, Seeleute mit Triebnotstand gibt es so wie einst heute nicht mehr.

„Die Elbe“ von Burkhard Müller: Die Ignoranz der Hamburger

Der anstrengungslos und lesenswert erzählende Autor Burkhard Müller kennt übrigens die Ignoranz von uns Hamburgern, die die Hamburger vor uns für uns derweil erarbeitet haben. Die Elbe, mit dem einmaligen Hafen mitten in der Stadt, das ist halt etwas Besonderes, gibt wenig Besseres, als hier mit der Fähre zu schippern. Als Müller also einmal über das erste, tschechische Elb-Drittel räsoniert, als er vielmehr daran erinnert, dass die Elbe nicht nur (nord-)deutsch ist, entfährt ihm mit voller Absicht dieser Satz: „Das wissen theoretisch selbst die Hamburger.“

Auch Dresden liegt an der Elbe, wer wüsste es nicht.
Auch Dresden liegt an der Elbe, wer wüsste es nicht. © picture alliance / Christine Koenig | Christine Koenig

Um auf die eingangs erwähnten Elbschwimmer, um auf den Elbschwimmer zurückzukommen – er hat auch seinen Auftritt in dem tatsächlich Elblust entfachenden Buch „Die Elbe“. Joseph Heß schwamm die Elbe quasi in ihrer Länge ab, was für ein Irrwitz, ekelig, kalt. Das gibt Heß im Interview mit Müller auch zu, und seine Leistung lässt einen doch staunen, 50 Kilometer pro Tag. Allerdings mit, nicht gegen den Strom, mit Hamburg als Endpunkt. „Man muss sich die Sache ja nicht schwerer machen, als sie sowieso schon ist“, sagt der Extremschwimmer.

Das Buchcover von Burkhard Müllers „Die Elbe. Porträt eines Flusses“, Rowohlt-Verlag, 304 S., 26 Euro.
Das Buchcover von Burkhard Müllers „Die Elbe. Porträt eines Flusses“, Rowohlt-Verlag, 304 S., 26 Euro. © Rowohlt Verlag | Rowohlt Verlag

Das Beste an der Elbe ist übrigens die Mündung in die Nordsee. Burkhard Müller schreibt, wie es ist: „Wenn es überall ringsherum schon dunkel ist, blickt man auf die Lichter der großen Schiffe und das Licht des Wassers, das sich hier ins Grenzenlose öffnet. Hier endet die Elbe.“ Was ihre „deutsche“ Länge angeht, auch diese Statistik sei genannt, ist die Elbe nur die Nummer drei nach Donau und, Hoppla, Weser.

Die Weser ist der romantischste Fluss, ganz klar, er fließt durch Bremen und an einem Fußballstadion vorbei, einmalig, das toppt nichts. Um das auch noch erwähnt zu haben. Wie gesagt, Flüsse sind emotional aufgeladene Orte.

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