Hamburg. Alexander Schimmelbuschs bitterböses „Hochdeutschland“ sorgt für Furore. Jetzt liest der Autor in Hamburg
Das Buch der Stunde, mindestens. Vor allem aber ein „brillanter Roman“ („Spiegel Online“), die deutsche Antwort auf Houellebecq („Süddeutsche Zeitung“) und ein „irres Buch von kristalliner Eleganz“ („Die Zeit“). Die enthusiastische Rede ist von Alexander Schimmelbuschs neuem Roman „Hochdeutschland“, in dem ein Land beschrieben wird, das wir gar nicht (wieder-)erkennen und doch ganz genau: Alles Geld wird umverteilt, es gibt eine Vermögensobergrenze (25 Millionen Euro!) und einen riesigen Fonds, mit dem große bundesdeutsche Wirtschaftspolitik gemacht wird. Mit dem Ziel, Scheichs und Chinesen abzuwehren; vor allem aber, um die kleinen, ängstlichen deutschen Egos zu einem neuen entschlossenen Wir zu vereinen.
Aber wie kriegt man die Leute hinter eine Idee in diesen bewegten Zeiten, in denen alle diffus unzufrieden sind oder ganz und gar ausdifferenziert wütend? Man schreibt ein Manifest.
Ein Manifest, das zur Stimulation der Massen taugt und von einem Populisten in einen nichts anderes als zeitgemäßen Nationalismus übersetzt wird. Aber zunächst einmal: der Ideengeber. Hier liegt der Clou des Romans, hier findet sich der Grund, warum viele Kritiker derzeit vor Begeisterung hyperventilieren – der Held ist ein Banker. Ein Sieger, der demgemäß Victor heißt, im Taunus bei den reichen Männern lebt und Teilhaber einer Investmentbank ist. (Er besitzt, aber das ist nur eine kleine finanzielle Zugabe, mehr als 100 Eigentumswohnungen in Berlin.)
Man muss Schimmelbusch, dem 1975 in Frankfurt geborenen und in New York aufgewachsenen Autor, absolut zugestehen, dass er weiß, worüber er schreibt. Er hat fünf Jahre als Investmentbanker gearbeitet. Dass er das jetzt nicht mehr tut, sondern zwar eifrig gelobte, aber lediglich unter dem Rubrum „Insidertipp“ geführte Bücher schreibt, könnte auf eine Gemeinsamkeit mit seinem Romanhelden hinweisen.
Der ist gelangweilt von den Pitches und den Deals und sowieso ein hellwacher Geist. Ach, mehr als das: Victor ist überwach, sein Vertrauen in sich selbst grenzenlos – wie auch nicht, bei all der Kohle: Millionen auf dem Konto machen frei. Von denen will er, siehe sein Manifest für die „Deutschland AG“, einige abgeben. Victor ist als Figur so widersprüchlich wie das Manifest. Er ist zynisch, schnöselig, kalt. Aber Alexander Schimmelbusch, dieser großartige Erzähler, der mit „Hochdeutschland“ das grandiose Vorgängerwerk „Die Murau Identität“ noch übertrifft, versteht es, die temporeich geschilderte Geschichte mit einer satten Prise Humor zu pimpen. Seine Mittel sind denkbar einfach, es sind die der Übertreibung und Zuspitzung. Und so sympathisiert man als Leser eben doch mit dem Hyperkapitalisten, weil der ja schließlich auch ein schlechtes Gewissen hat und in der ihm eigenen pathetischen Ausdrucksform die Frage aller Fragen stellt: „Wo waren die roten Fahnen, wo waren die Mistgabeln? Warum ölte niemand eine Guillotine?“
Die einen sind stinkreich, die anderen haben nichts. Am Ende ist die Romanhandlung ein Witz, leider, eine Farce, eine Parodie auf die komplexe Wirklichkeit. Genau deswegen macht „Hochdeutschland“ Spaß.
Lesung Alexander Schimmelbusch stellt seinen Roman „Hochdeutschland“ am 8. Mai im Nochtspeicher in der Reihe „Yachtclub“ vor. Beginn 20 Uhr, Eintritt 9 Euro