Nun ist es also soweit: Der Streit um das geplante Kohlekraftwerk in Moorburg beschäftigt Hamburgs Gerichte. In dieser Woche begann die Auseinandersetzung zwischen dem milliardenschweren Energiekonzern Vattenfall und einer der einflussreichsten Behörden Hamburgs, der Stadtentwicklungs- und Umweltbehörde (BSU). Ein Fall von Bedeutung - das zeigt schon die Zuständigkeit. Die Untätigkeitsklage von Vattenfall gegen die Stadt landete direkt vor dem Oberverwaltungsgericht - wegen der Größe des Kraftwerkes (in Moorburg soll eine 1640 Megawatt-Anlage entstehen) sieht die Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dies so vor.

Wie wichtig auch die Kontrahenten diesen ersten Erörterungstermin nahmen, zeigte der Aufmarsch der Beteiligten am Lübeckertordamm. Es galt, Stärke zu beweisen - und sei es nur personelle. Für Vattenfall erschienen gleich mehrere Anwälte der Kanzlei Köchling & Krahnefeld - in eindrucksvoller schwarzer Robe - dazu Rechtspfleger und Experten. Insgesamt sechs Vertreter hatten zahlreiche Aktentaschen, vier Rollkoffer voller Akten und zusätzliche Schautafeln dabei.

Auch die BSU lies sich nicht lumpen, fuhr ihrerseits das geballte Fachwissen der Behörde auf. Insgesamt acht Kollegen - darunter Gewässer- und Umweltschützer sowie Kraftwerksexperten - stellten sich den Fragen des Vorsitzenden Richters, Professor Ulrich Ramsauer. Dabei wollte der sich bei diesem ersten Termin lediglich ein Bild von dem Fall machen, wollte offene Fragen klären, wollte die komplizierte Sachlage verstehen. Pünktlich um 10 Uhr schloss sich die rote Tür von Raum 2.47 für fast sechs Stunden.

Deutliche Worte des Richters Aus dem, was dann passierte, machen alle ein großes Geheimnis. Zur Gesprächsatmosphäre gab es hinterher lediglich Floskeln: "konstruktiv und intensiv" sei es gewesen. Dass es vor allem von Richter Ramsauer deutliche Worte gegeben haben muss, ist anzunehmen. Denn er schaffte das, was im monatelangen Hin und Her zwischen Vattenfall und BSU nicht möglich gewesen war. Beide Seiten einigten sich auf einen genauen Zeitplan, um sämtliche noch offenen Fragen im Genehmigungsverfahren zu klären. Der vom Gericht in Aussicht gestellte "Hinweisbeschluss" dürfte dazu beigetragen haben. Wird dieser Beschluss doch ein deutliches Signal geben, wie das Gericht im Falle eines Verfahrens entscheiden wird.

Der Kampf um die Kohle wird aber nicht nur vor Gericht geführt. Politik und Wirtschaft nutzen jede Möglichkeit zur Überzeugungsarbeit. Wenn es sein muss, wird auch mit der Angst der Bürger vor weiteren Preiserhöhungen gespielt. Es dürfte kein Zufall sein, dass Vattenfall ausgerechnet jetzt vor steigenden Energiekosten warnt, falls Moorburg nicht gebaut werden würde. Dies, so teilte Vattenfall am Freitag mit, würde die "Fernwärmekosten in die Höhe treiben". Der Bau eines Gaskraftwerkes anstelle des Kohlekraftwerkes würde "im Jahr 2013 die Fernwärmepreise für Hamburg um mindestens 28 Prozent erhöhen", heißt es.

Kurzfristiger Sinneswandel Die SPD nutzt die Gelegenheit und schießt mit ihrer Kritik am Kraftwerk auch gleich gegen Bürgermeister Ole von Beust (CDU). Die umweltpolitische Sprecherin der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Monika Schaal, wirft ihm vor, etwas getan zu haben, was selbst der Erste Mann der Stadt nicht darf - Einfluss auf eine Genehmigungsbehörde nehmen. Ob das tatsächlich so war, will Schaal jetzt mittels einer Kleinen Anfrage herausfinden. Der Grund für die Annahme: Aus internen Unterlagen der Umweltbehörde vom April 2007 gehe hervor, dass "dem Antrag auf Erteilung einer wasserrechtlichen Erlaubnis aus Sicht des Gewässerschutzes nicht zugestimmt werden kann" - eine Genehmigung für das Kraftwerk also nicht erteilt werden könne. Nach einem Gespräch von Behörde und Vattenfall einen Monat später sei das Ergebnis ein ganz anderes gewesen, nämlich, dass die ursprünglichen Bedenken der Behörde nun ausgeräumt worden seien. "Dieser kurzfristige Sinneswandel der Fachbehörde wirft Fragen auf", so Schaal.

Längst hat die Moorburg-Diskussion die Landesgrenze überschritten. Der frühere Bundesumweltminister Wolfgang Clement hat sich ebenso eingemischt wie Hans-Josef Fell, Energieexperte der Bundes-Grünen. Während Fell vor "explodierenden Kohlepreisen" warnt, wirft Clement dem Hamburger Senat vor, ein "bedrohliches Beispiel" dafür zu sein, wie die Verlässlichkeit der Politik in Frage gestellt werde. Es wird viel geredet über das Kohlekraftwerk, über mögliche Lösungen diskutiert. Nur eine Person schweigt beharrlich - die zuständige Senatorin Anja Hajduk (GAL).