Serie: Hamburg am Wasser - das Abendblatt stellt Flüsse vor
Stolz steht der Demeter-Tempel an der Stadtgrenze, doch die antike Muttergöttin gibt nur einer biologisch-dynamischen Landwirtschaft den Namen. Statt griechischer Säulen schmücken Schieferdächer das Gut Wulfsdorf, und die Feldfrüchte werden hier nicht geopfert, sondern erzeugt: Nach dem Anthroposophen Rudolf Steiner sollen, so eine Tafel, "feinstofflich wirkende Präparate aus Mist, Heilpflanzen und Mineralien die Bodenfruchtbarkeit nachhaltig fördern".
Auf der "Soldatenwiese" versagt die Ökologie: saurer Lehmboden, Staunässe. Die Moorbek sammelt das Wasser und führt es zur Lottbek. Rückt dort nach starken Gewittern nicht gleich die Feuerwehr mit Sandsäcken an, überflutet der Bach ganze Straßen. Seit der Eiszeit säumt die Urlandschaft des nassen Nordens seine Ufer: Unter Moorbirken blühen Buschwindröschen, im Erlenbruch Sumpfdotterblumen, an Quellmulden wächst Milzkraut. Nachts schwirren Fledermäuse auf Insektenjagd über die Tümpel.
Moor- und Lottbek markieren die Grenzen Volksdorfs mit Ahrensburg und Ammersbek. Kopfweiden krönen die Knicks. Manche Anwohner haben sich selbst eine Brücke gebaut. Hamburgs nordöstlicher Stadtteil zahlt im Mittelalter als Bauerndorf den Zehnten an das Kloster Harvestehude, boomt in den Gründerjahren als Landhausvorort und gehört bald zum großen Teil dem Guano-Millionär Heinrich von Ohlendorff. Eine Straße neben der Lottbek bewahrt seinen Namen.
Einsame Wege und Stege begleiten den eineinhalb Meter breiten Bach in die Gemeinde Ammersbek. Das Dorf Lottbek geht wohl schon in der großen Pest des 14. Jahrhunderts unter. 1963 stampfen Stadtplaner ein Neubauviertel aus dem Boden. Still drückt sich die Lottbek unter Bundesstraße und U-Bahn durch. Ganz ungeschoren entkommt sie dem Fortschritt dennoch nicht, unter einer niedrigen Starkstromleitung mussten Bäume gekappt werden, aber dann bringt sich der Bach nach Bergstedt und Wohldorf-Ohlsdorf in Sicherheit. Kaum sechs Kilometer nach der Quelle ist die Reise zu Ende - im Wulfsdorfer Gutsteich: Im Herrenhaus wirtschaftet einst Detlev Rantzau so übel, dass seine Bauern sich beim dänischen König beklagen. Der zornige Grundherr siedelt sie zwangsweise nach Bünningstedt um und löscht das fünfhundertjährige Dorf einfach aus. Heute hat im gräflichen Feudalsitz der Seevogelschutzverein Jordsand sein Hauptquartier.
Morgen: die Gose-Elbe