Serie: Hamburg am Wasser - das Abendblatt stellt Flüsse und ihre Geschichte vor

Im Norden ragen die Riesenhallen der Flugzeugbauer hoch in den Horizont. Im Westen ziehen Baumaschinen die Airbus-Piste in die Länge. Im Osten buckelt eine Sattelschlepper-Armada Container von Altenwerder über nagelneue Betontrassen zur Autobahn, und im Süden türmt sich das Francoper Spülfeld wie eine Wanderdüne empor.

In der Mitte liegt wie eine letzte grüne Oase in der lärmenden Industriewelt die Alte Süderelbe.

Der Wasserarm verknüpft in einem sechs Kilometer langen S die Naturschutzgebiete Westerweiden und Finkenwerder Süderelbe zu einem Biotop voller Überraschungen: Im Schilf zweier Sandbänke nisten Graugänse, in den Gräben quakt die mit 150 Exemplaren größte Seefrosch-Population der Stadt, über den Stauden gaukeln 300 verschiedene Nachtschmetterlinge, durch den Schlick krabbeln Wollhandkrabben, und durchs Wasser juckeln gemächlich Karpfen von 30 Pfund und mehr.

Die Eingänge zum Naturparadies sind mit Verbotsschildern bepflastert, Autofahrer, Radler und auch Wanderer stoßen an Naturschutzgrenzen, und für Angler ist fast das ganze Nordufer Sperrgebiet.

Die Flossentiere danken es mit Fülle: Aal, Zander, auch Brassen und andere Fische gedeihen prächtig im oft nur 30 bis 50 Zentimeter flachen Wasser - kaum zu glauben, dass der Fluss einst schiffbar war: Noch vor hundert Jahren liefen hier große Segler zum Harburger Hafen.

Nach der Sturmflut von 1962 änderten neue Riesendeiche die Topografie: Finkenwerder wurde Festland, alles Wasser der Süderelbe floss fortan in den Köhlbrand, die Verbindung zur Elbe wurde bis auf ein kleines Pumpenhäuschen gekappt, und aus dem Strom wurde ein See, der auch keine Tide mehr kennt.

Die Natur hat das noch gar nicht richtig mitbekommen: Auwälder, Priele und Rinnen zeugen noch immer von alten Zeiten mit Ebbe und Flut.

Auf den alten Buhnen fühlen sich die Angler wohl, sie müssen allerdings weite Fußmärsche zum dicht bewachsenen Ufer durchstehen. Den Fluglärm dämpft ein Wäldchen mit 40-jährigen Weiden und Pappeln sowie reichlich Holunder als Unterholz.

Auch wenn das Drumherum ziemlich laut ist: Das Stillgewässer Alte Süderelbe zeigt, wie gut sich Industrie und Natur sogar in engster Nachbarschaft vertragen können.

Morgen: der Reiherstieg