Der Stadtplan nennt sie "Neuengammer Blaue Brücke". Auf dem altrosa gestrichenen Eisengeländer heißt sie "Neuengammer Hausdeichbrücke", sie ist 1949/50 erbaut. Der Wasserlauf, den sie überquert, ist ein paar Jahre älter: "Von 1940 bis 1942 wurde die Dove Elbe verbreitert und ein Stichkanal zum Klinkerwerk des KZ Neuengamme angelegt", berichtet eine Hinweistafel. "Im Auftrag der Hansestadt Hamburg ließ die SS diese Arbeiten durch Häftlinge ausführen. Bis zu 1600 Mann waren hier eingesetzt. Sie arbeiteten unter unmenschlichen Bedingungen, ohne ausreichende Nahrung und Kleidung, wurden von den SS-Bewachern und Kapos angetrieben und misshandelt. Viele kamen dabei um."
Klinkerwerk und Kanal zählen zu den bedrückendsten Erinnerungen an Größenwahn und Grausamkeit der Nazis. Ende 1938 werden die ersten Häftlinge in eine kleine Ziegelei am Neuengammer Hausdeich gebracht. Sie brennen Backsteine und bauen mit ihnen das KZ und ein neues Klinkerwerk auf, das Material für die megalomanen Prachtbauten Groß-Hamburgs liefern soll.
Den Ton schaufeln 600 KZ-Häftlinge in Neuengamme auf Feldbahnloren. Im Klinkerwerk schuften 80 bis 100 Zwangsarbeiter. Die meisten aber müssen den Kanal für die Schuten graben. Die dünnen Jacken und Hosen aus Drillich und die Holzschuhe bieten keinen Schutz vor Kälte und Nässe. SS-Leute und Kapos schlagen auf die Opfer ein. Kräftige Männer magern zu Skeletten ab, sterben an Schwäche und Krankheiten oder werden von der SS als "unnütze Esser" umgebracht.
Englische Soldaten befreien die letzten Überlebenden. Die Tongrube wird 1983 durch ein internationales Friedensworkcamp nachgebildet und ist Station 9 am Rundweg durch die Gedenkstätte. Der Stichkanal ist Station 12. An seiner Einmündung in die Dove Elbe ein paar Hundert Meter weiter verdecken Büsche und Bäume den Blick auf das KZ. Nur die Tafel an der Brücke gemahnt an die schreckliche Einzigartigkeit des stillen Gewässers.