Serie: Hamburg am Wasser - das Abendblatt stellt Flüsse und ihre Geschichte vor
Wilfried Rönicke war noch nicht ein Jahr alt, als er an einem Sonnentag im Sommer 1929 sein erstes Picknick erlebte. An der Hohe Liedt gleich hinter der heutigen U-Bahnlinie 1 saßen die Eltern im Gras, da kam der Kinderwagen ungewollt in Fahrt, und ehe der Vater hinzueilen konnte, lag das Kind im Bade: "Andere sind mit Elb- oder Alsterwasser getauft, ich aber mit Wasser vom Bornbach", sagt Rönicke (78), ehemals technischer Angestellter bei Valvo an der Tarpenbek, heute.
Das nasse Abenteuer konnte den Kleinen nicht abschrecken, der sechs Kilometer lange Minifluss quer durch Hamburgs Norden war ein zu verlockender Spielplatz: Kaum der Quelle entronnen, kreuzte der Bornbach Wiesen und Weiden und füllte an der Tang- stedter Landstraße einen Teich, der bis in die 20er-Jahre Schwimmbad und Schlittschuhbahn war.
Jenseits der Tangstedter Landstraße floss der Bach durch Moor und Heide. Schon 1877 bat der "Communalverein Langenhorn" die Landesherrenschaft der Geestlande, so hieß damals die Aufsichtsbehörde für hamburgische Landgemeinden nördlich von Elbe und Bille, um eine Badeanstalt: Der alte Teich sei aus "Sittlichkeitskeitsgründen" ungeeignet.
Aber erst 1912 wurde der Wunsch erfüllt, als der Hamburger Erdölimporteur und Mäzen Edmund Siemers (1840-1918) die Initiative ergriff, das Grundstück stellte und auch die Finanzierung übernahm. Allerdings entlud sich bei Regen das Siel des Krankenhauses Ochsenzoll in das Becken: "Wenn wir aus dem Wasser kamen", sagt Rönicke, "hatten wir braune Gesichter."
1929 verschwand der Mitteldeich, der einst die Geschlechter trennte - prompt verdoppelte sich die Besucherzahl. Heute kühlen im Naturbad Kiwittsmoor längst hygienisch unbedenkliche Fluten. Diesen Sommer tummelten sich an schönen Tagen Hunderte auf den 35 000 Quadratmetern Rasen, und die Beachvolleyballer schmetterten auf sieben Plätzen um die Hamburger Meisterschaft.
Auch die vielen Weißfische fühlen sich im Bornbach wohl. Am Neuberger Weg, gleich neben Rönickes Picknick-Unfallstelle, wo heute Altkanzler Helmut Schmidt wohnt, durchquert das Wasser Kleingärten auf früheren Rieselwiesen des Krankenhauses: "Dort konnten wir fantastisches Karnickelfutter holen", erinnert sich Rentner Rönicke. "Als Junge fing ich zehn Zentimeter lange Glasaale."
Hinter der Langenhorner Chaussee hält der Bach schnurgerade auf das Staubecken zu, in dem er sich knapp vor der Flughafenpiste schnell noch mit der Tarpenbek vermählt. Vor fünf Jahren ließ der Senat hier eine Erholungslandschaft mit Eichen, Linden und Kastanien renaturieren.
Morgen: die Lottbek