Die 40-Jährige ist Chefärztin der Abteilung für Geriatrie im AK Wandsbek.

Alzheimer. schon das Wort macht Angst. Die unheilbare, schleichende Hirn-Erkrankung, benannt nach dem bayerischen Nervenarzt Alois Alzheimer (1864-1915), gedeiht im Verborgenen. Denn oft fällt die Diagnose erst nach Jahren der Ungewissheit. Auch weiß niemand, wie viele Menschen daran erkrankt sind. Zwei Millionen Deutsche haben eine krankhafte "Störung der Hirnleistung", sagt Dr. Ann-Kathrin Meyer (40), eine "Demenz". Bei 80 Prozent ist das Alzheimer, schätzt sie. Die Chefärztin der Abteilung für Geriatrie (Altersheilkunde) im AK Wandsbek und ihr Team haben täglich mit diesen Patienten zu tun.

Eine schwierige Aufgabe für die Internistin mit der Zusatzausbildung Geriatrie. Eigentlich wollte die Medizinerin eine Praxis eröffnen nach dem Studium in Kiel, "doch dann habe ich die Herausforderung im Klinikalltag erkannt, alten Menschen zu helfen". Deren Erwartungen seien oft "bescheiden, die meisten wollen nur schnell nach Hause".

Einer ihrer Schwerpunkte bei Patienten mit schwindender Geisteskraft: herauszufinden, ob Alzheimer die Ursache ist. Denn mit Gewissheit steht das erst nach dem Tod fest - durch eine Obduktion des Gehirns. Allerdings gilt das Urteil als gesichert, wenn andere Ursachen durch Tests ausgeschlossen sind wie hohe Werte bei Blutdruck, Blutfetten oder Blutzucker.

Ein alarmierender Trend: Die Zahl der Alzheimer-Kranken steigt. Der Grund: "Die Menschen werden immer älter", sagt Ann-Kathrin Meyer. Vom krankhaften Schwund der Geisteskraft sind vier Prozent aller 65-Jährigen betroffen, aber schon 30 bis 40 Prozent der 90-Jährigen.

Das Tückische: Die Anfangssymptome der nach fünf bis sieben Jahren tödlichen Alzheimerkrankheit können auch eine harmlose Vergesslichkeit sein, wie sie im Alter typisch ist: Schlüssel oder Brille verlegen, im Gedächtnis nach Namen suchen oder nicht mehr wissen, was man im Keller wollte. "Nicht in Panik geraten", rät die Ärztin. Manchmal trete Verwirrtheit nur kurzfristig auf, wie nach Narkosen. Denn erst, wenn die Probleme länger als sechs Monate anhielten, könne man von einer Demenz ausgehen.

Betroffene sollten eine Kontrolle durch den Hausarzt nicht auf die lange Bank schieben. Meyer: "Viele gehen zu spät zum Arzt." Zwar sei Alzheimer nicht heilbar, doch Medikamente und Therapie könnten das Leiden lindern, das Tempo des Verfalls bremsen und Patienten manchmal zeitweise in die Lage versetzen, sich mit Hilfe anderer zu Hause zurechtzufinden, "der sehnlichste Wunsch aller".

Mit zunehmendem Kostendruck sieht Ann-Kathrin Meyer Probleme beim Verschreiben der Medikamente, die am Tag fünf bis sieben Euro kosten. Einige Ärzte hielten sich mit Rezepten zurück, weil sie finanzielle Nachteile fürchteten. Jeder Kostenträger (Krankenkasse, Pflegeversicherung) achte mehr auf die eigene Kassenlage als auf eine Ersparnis unter dem Strich. Meyer: "Ein gutes Medikament kann manchmal eine teure Pflege hinauszögern."

Medikamente können den Verfall hemmen, zum Beispiel Acetylcholin-Esterase-Hemmer. Der Stoff Acetylcholin, ein "Neurotransmitter", fördert den elektrischen Impuls der Nervenzelle im Gehirn. Fehlt dieser Botenstoff, wird die Datenübertragung gestört, die Geisteskraft schwindet.

Hinter den Einzelschicksalen sieht Meyer ein "gesellschaftliches Problem, das noch nicht in seiner Bedeutung erkannt ist". Sie fordert: "Das Image der Alten- und Krankenpflege muss aufgewertet werden." Denn das soziale Netz der Familie werde löchriger. "Die Zahl der Alleinlebenden steigt, oft fehlt ein Partner, der pflegen kann." In Hamburg ist jeder zweite ein Singlehaushalt. Da wird das Krankenhaus schnell zum sozialen Brennpunkt, an dem entschieden werden muss, ob das Pflegeheim die nächste Station ist. Damit hat die Ärztin Erfahrung. In Bremen baute sie als Oberärztin die erste Geriatrie dort mit auf. Mit 36 kam sie 1998 als Chefärztin nach Wandsbek, "damals eine Baustelle". Heute ist sie verantwortlich für acht Mediziner und 17 Pflegekräfte und Spezialisten für Ergotherapie, Sprach- und Schlucktraining.

Im Herbst 2002 wurde sie zur Präsidentin der Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie gewählt. Da bleibt ihr kaum Zeit für die drei schwarz-weißen Katzen, die sie aus dem Tierheim zu sich holte. Um sich fit zu halten, fährt sie die zwei Kilometer von ihrer Wohnung zur Klinik mit dem Rad, ein Anblick, an den sich Klinikkollegen erst gewöhnen mussten.