Der Leitende Arzt des AK Barmbek reist regelmäßig nach Kamerun und Südindien und operiert entstellte Menschen kostenlos.
Als der Doc aus dem 4000 Kilometer entfernten Hamburg eintraf, das für sie ein "Nirgendwo" ist, warteten die Kranken schon, an der Spitze der siebenjährige Nomadensohn Ismailou, dessen Gesicht ein Tumor an der Kinnbacke zur Fratze verzerrt hatte.
Ein Kamelreiter hatte die Leidenden im Umkreis von 200 Kilometern frühzeitig informiert. Und jetzt hatten rund 50 Menschen ihr Rendezvous mit dem Hoffnungsträger - im Dorf Pette im Hohen Norden Kameruns, wo es nur das Schweizer Hospital gibt, in dem jährlich 15 000 Patienten an Malaria, Infektionen, Tuberkulose, Aids, Tumoren, Epilepsie und Augenleiden behandelt werden.
Hier operiert der Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurg Dr. Götz Ehmann (63), Leitender Arzt am AK Barmbek, unter oft abenteuerlichen Umständen Gesichtstumore, Hasenscharten, Wolfsrachen und Wasserkrebs, wobei es nicht nur um Leben oder Tod geht. Hier geht es auch um unzählige Kinder, die - durch ihre Leiden fürchterlich entstellt - von ihren Eltern versteckt werden und in Isolation und Einsamkeit vegetieren müssen.
1972 war der junge Dr. med. Dr. med. dent. als Reiseleiter zufällig in das Spital von Pette gekommen, das die Schweizer Ärztin Dr. A. M. Schönenberger mit dem Geld ihres Vaters aufgebaut hatte. "Ich sah durch NOMA-Wasserkrebs faulende Gesichter mit schrecklichen Deformationen, die die Menschen nicht nur entstellten, sondern auch die Nahrungsaufnahme und die Fähigkeit zu sprechen behinderten. Ich bot an, diese Fälle zu operieren - und so geschah es . . ."
Ehmann nimmt kein Honorar, die Reisekosten trägt er selbst, aber er ist dankbar, dass ihn die Klinikleitung unterstützt. Barmherzigkeit ist ein Wort, das er meidet: "Am Anfang waren es eher Neugierde oder Abenteuerlust", sagt er. "Heute ist es Mitleid und der Drang, Menschen zu helfen, von denen man weiß, was aus ihnen sonst werden würde."
Der Mann vom AK Barmbek arbeitet in einem fernen Land, in dem die Aids-Entwicklung außer Kontrolle geraten ist. Wo Patienten oft zu spät kommen, ob es nun um Schlangenbisse oder Tumore geht. Wo nur Krankenpfleger aus verschiedenen Stämmen eingesetzt werden, damit sie sich gegenseitig überwachen und so den Verkauf von Medikamenten auf dem Schwarzmarkt unterbinden. Wo der Medizinmann ein wichtiges Mitspracherecht behält, Operationen unter Umständen verhindern, bei Eingriffen die lokale Anästhesie aber durch gutes Zureden auch unterstützen kann.
"Der wahre Lohn ist das tiefe Vertrauen, das man erlebt", sagt Ehmann. Aber auch jenes Lächeln der Dankbarkeit von treulosen Ehefrauen, denen man in Kamerun nach einem Seitensprung die Vorderzähne einschlägt. Sie sind gebrandmarkt! Eine Zahnoperation in Pette aber kann ihnen wieder Hoffnung geben. Auch jenen indischen Mädchen, die nicht heiratsfähig sind, weil Hasenscharten sie entstellen. Ihnen hilft der Arzt in Kochin/Südindien, wohin er seit sieben Jahren regelmäßig mit Schwester Ilse, einer Anästhesistin, und 450 Kilogramm Übergewicht reist, das die Lufthansa kostenlos transportiert, mit OP-Geräten, die die Firma Dräger und das AK Barmbek stiften - eine stille Allianz der Hilfsbereitschaft. In Kochin muss auch Frauen per Hauttransplantation geholfen werden, denen brennendes Kerosin schwerste Narben eingebrannt hat. "Ein Unfall", so lautet die Ausrede von Angehörigen. Die Wahrheit aber liegt jenseits unseres Vorstellungsvermögens: Da sich Eltern mit vielen Kindern Hochzeiten ihrer Töchter und die Mitgift nicht leisten können, kommt es häufig zu vorsätzlichen, jede Heirat verhindernden Verstümmelungen. Auf diesen Schlachtfeldern des Lebens schlägt Ärzten wie Dr. Götz Ehmann die größte Stunde.