Unfallchirug Johannes Rueger entspannt beim Sport.

"Gestern Abend kam Rainer W. (20) mit seinem Auto von der Fahrbahn ab und prallte gegen einen Baum. Er wurde schwer verletzt ins Krankenhaus gebracht." Hinter solchen Nachrichten steht oft ein Schicksal, bei dem schnelles Handeln über Leben und Tod entscheidet. Dann schlägt auch die Stunde der Unfallchirurgen um Prof. Johannes Rueger (50), Direktor der Klinik für Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie am Universitätsklinikum Eppendorf. Wenn Patienten mit mehreren schweren Verletzungen, einem so genannten Polytrauma, eingeliefert werden, läuft alles nach einem Plan ab, bei dem jede Minute zählt. "Zuerst geht es darum, das Leben des Patienten zu retten. Bis zu sieben Ärzte und Pflegekräfte kümmern sich gleichzeitig um ihn", erzählt Rueger. "Wenn wir im Bauch freie Flüssigkeit feststellen, wird die Diagnostik unterbrochen und der Bauch sofort operiert. Denn eine offene Unterschenkelfraktur ist zwar eine Katastrophe für den Patienten, aber an einer zerrissenen Leber kann er innerhalb von Minuten sterben", erläutert der Unfallchirurg. In seinem Wesen strahlt Rueger Dynamik und Entschlossenheit aus: "Ein Unfallchirurg darf sich nicht von Gefühlen leiten lassen, sondern muss in der akuten Situation schnell Entscheidungen treffen." Wenn der Mediziner nach einem zwölfstündigen Arbeitstag nach Hause kommt, entspannt er sich beim Lesen oder durch Sport. Zweimal die Woche geht er zum Fitnesstraining und Gewichtheben. Dazu hört er gern rasante Musik, die ihn schon seit seiner Jugend begleitet: Jimi Hendrix, Frank Zappa, Talking Heads. Wenn er mehr Zeit hätte, würde er auch gern wieder selbst Musik machen. Früher hat er Kontrabass und Klavier gespielt. Außerdem ist der Chirurg Fan englischer Autos. Trotz seiner 1,93 Meter Körpergröße fährt er gern mit seinem Mini durch die Hansestadt, in der er seit 1998 zu Hause ist. Damals kam der Vater von drei Kindern von der Uniklinik Frankfurt in die Hansestadt, um die Leitung der Unfallchirurgie am UKE zu übernehmen. Am häufigsten sind in Ruegers Klinik, in der jährlich bis zu 2600 Patienten stationär operativ behandelt werden, die Knochenbrüche. In der Therapie erlebt eine alte Methode ihre Renaissance: Die Versorgungstechnik mit einem Nagel, in den 40er-Jahren von dem norddeutschen Chirurgen Gerhard Küntscher erfunden, wurde weiterentwickelt und ist aktueller denn je. "Wenn möglich, stabilisieren wir einen gebrochenen Knochen durch einen Nagel, den wir durch einen kleinen Hautschnitt vom Ende des Knochens aus in die Markhöhle schieben. Bis vor zehn Jahren hat man meist die Haut aufgeschnitten, das Weichteilgewebe beiseite geschoben und den Knochen mit einer Metallplatte stabilisiert. Doch das birgt mehr Risiken: Durchblutungsstörungen des Knochens, Wundheilungsstörungen und Infektionen." Oberstes Prinzip ist für Rueger, den Patienten schnellstmöglich wieder auf die Beine zu bringen. Rueger ist Optimist, geht mit Volldampf durchs Leben. "Das Bessere ist der Feind des Guten. Ich versuche immer, etwas noch besser zu machen. Die Medizin in Deutschland arbeite zurzeit unter schwierigen Bedingungen. Aber es hilft kein Jammern. Stattdessen müssen wir versuchen, die Qualität von Patienten-Versorgung, Lehre und Forschung hochzuhalten. Ich sehe meine Führungsaufgabe darin, dafür zu sorgen, dass meine Mitarbeiter mit mir zusammen diese schwierige Aufgabe bewältigen können, ohne sich völlig zu verausgaben, und trotz der Belastungen noch Freude an ihrer Arbeit haben." DIE DREI PHASEN DER HEILUNG Nach einem Knochenbruch bildet sich um den Bruchspalt im Knochen in den folgenden sechs Wochen Ersatzgewebe, das Kallusgewebe. Dabei gibt es drei Phasen, die jeweils etwa zwei Wochen lang dauern: In der ersten Phase besteht der Kallus aus weichem Bindegewebe. Dieses Gewebe geht in der zweiten Phase über in den etwas festeren knorpeligen Kallus und in der dritten Phase in den knöchernen Kallus. Wenn das gesamte Kallusgewebe in Knochen umgewandelt ist, ist der Knochenbruch verheilt und der Knochen wieder ohne Beschwerden belastbar. Damit dieser Heilungsprozess ungestört ablaufen kann, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein: Die Knochenfragmente müssen eng beieinander liegen und ruhig gestellt werden. Die Durchblutung muss intakt sein, und es darf keine Infektion vorhanden sein.