Professor Dr. Karsten Richard Held (60) will mit einer neuen Diagnostik Frauen helfen, nach einer künstlichen Befruchtung ein Kind zu bekommen.

Er war immer schon ein Pionier. Professor Dr. Karsten Richard Held sorgte gemeinsam mit dem legendären Chef der Universitätsfrauenklinik, Professor Klaus Thomsen, Ende der 70er-Jahre dafür, dass Risikoschwangerschaften durch eine bessere Diagnostik während der Schwangerschaft unproblematischer verliefen, er entwickelte gemeinsam mit Forschern des Labors Arndt & Partner Mitte der 90er-Jahre den Schnelltest, mit dem krankhafte Veränderungen im Erbgut des Ungeborenen früh erkannt werden können. Jetzt, 2003, will er gemeinsam mit den Medizinern des Fertility Center Hamburg (FCH) durch eine neue Diagnostik die Chancen von Frauen erhöhen, nach einer künstlichen Befruchtung ein Kind zu gebären. "Es geht mir darum, Frauen Enttäuschungen oder sogar Fehlgeburten zu ersparen", sagt der leidenschaftliche Humangenetiker und Kinderarzt, der 1942 in Bremerhaven geboren wurde.

Bis zum 35. Lebensjahr bekommen noch 20 Prozent aller Frauen nach einer künstlichen Befruchtung (In-vitro-Fertilisation, IVF) ein Baby. Bei älteren Frauen sind es bestenfalls zehn Prozent. "Internationale Studien zeigen, dass bei über 35 Jahre alten Frauen die Geburtenrate auf 22 Prozent stieg, wenn die Eier auf Vitalität getestet worden waren", erläutert der Humangenetiker, der allein in den vergangenen beiden Monaten 40 unterschiedliche genetische Krankheitsbilder begutachtet und Familien beraten hat. "Es geht nicht um die qualitätsgesicherte Schwangerschaft, nicht um die Auswahl von Augenfarbe, Geschlecht oder anderen Merkmalen", fügt Professor Held, der bis zum Januar 2001 auch Vorsitzender der Ethikkommission der Hamburger Ärztekammer war, entschieden hinzu und seine blauen Augen funkeln streitlustig.

Die Technik, die der Mediziner einsetzen will, ist die so genannte Polkörperdiagnostik. Sie ist in Deutschland erlaubt und wird weltweit am häufigsten angewandt, um zu entscheiden, ob künstlich erzeugte Embryonen in die Gebärmutter einpflanzt werden können. Mit dieser Technik sollen genetische Störungen der Eizelle, die eine Schwangerschaft verhindern oder zu einer Fehlgeburt führen würden, erkannt werden. Dafür werden die so genannten Polkörper der Eizelle, die eine Kopie des mütterlichen Erbgutes enthalten, im Labor mit einer aufwendigen Technik untersucht. "Wenn wir Fehler im Erbgut finden, lassen wir im Reagenzglas die Verschmelzung von Ei- und Samenzelle nicht zu, so dass kein Embryo entsteht", sagt Professor Held. "Sicherlich ist die Technik nicht optimal, weil wir nur die mütterlichen Erbinformationen erkennen können, aber mehr ist uns nicht erlaubt", ergänzt der Mediziner und in seiner sonst so angenehm ruhigen Stimme schwingt Ärger mit. Der Forscher, der bis 1994 Direktor des Instituts für Humangenetik am Universitätsklinikum Eppendorf (UKE) war und dann aus freien Stücken kündigte, verschweigt nicht, dass er gern den Embryonen in der Petrischale eine Zelle entnehmen würde. Dann könnte er das gesamte Erbgut untersuchen, bevor der Embryo eingesetzt würde. Doch das verbietet das deutsche Embryonenschutzgesetz. "Ich bin nicht dafür, das Gesetz zu ändern, nur um 100 Paaren im Jahr zu helfen. Aber ich bin sehr wohl der Ansicht, dass eine Diagnostik erlaubt sein muss, die ein Kind ermöglicht", sagt der Mediziner, die Falten auf seiner Stirn werden noch etwas tiefer. "Für mich steht der Wunsch nach einem Kind im Mittelpunkt des Handelns. Jeder hat ein Recht auf Familie."

Die gründen die Deutschen immer später und immer mehr Paare tauchen daher in den Reproduktionskliniken auf. "Wir haben das Gefühl dafür verloren, was biologisches Altern bedeutet", philosophiert Professor Held und sein Blick wandert durch das helle, funktional eingerichtete Arbeitszimmer. "Von Natur aus müssten die Frauen bis zu ihrem 25. Lebensjahr Kinder bekommen. Doch das passt vielen nicht in die Lebensplanung", ergänzt der Vater einer erwachsenen Tochter. Aber die Reproduktionstechniken könnten das Altern nicht ungeschehen machen. Das Kind auf Bestellung, das gibt es nicht.

"Aber wir können die Belastungen der Frauen bei der Behandlung vermindern", davon ist der Arzt überzeugt. Dafür arbeitet er gegenwärtig zwölf bis vierzehn Stunden täglich, verzichtet auf so geliebte Dinge wie Rennrad, Kafka, Shakespeare, Rilke oder den Besuch in Museen, um sich von Impressionisten oder Expressionisten inspirieren zu lassen. Ja selbst zum Musikhören - bevorzugt Bach und Beethoven sowie Beatles - bleibt wenig, "zu wenig" Zeit. "Doch ich will später nicht als großer Pränataldiagnostiker gelten, der oft einer Abtreibung zugestimmt hat, sondern ich will dazu beitragen, dass Frauen auch Kinder bekommen können, wenn es von Natur aus schwierig ist." Und was dieser Mensch sich einmal in den Kopf gesetzt, das wird er auch zielstrebig und konsequent verfolgen. Daran lässt er keinen Zweifel.