Privatdozentin Dr. Margit Fisch leitet das Urologische Zentrum Hamburg. Ein Job, der kaum noch die Zeit für Hobbys lässt
Privatdozentin Dr. Margit Fisch (41) ist die erste und bisher einzige Chefärztin einer Urologischen Klinik in Deutschland - eine Frau in einer Domäne der Männer. Am Morgen hatte sie bei einem jungen Mann in einer zweieinhalbstündigen Operation den Penis operativ eröffnet und angefangen, eine schwere, lange Vernarbung der Harnröhre zu beheben. Dazu transplantierte sie zwei Streifen von am Oberschenkel entnommener Haut und befestigte sie im Penis links und rechts neben der Harnröhre. In etwa drei Monaten, wenn die Hauttransplantate angewachsen sind, fügt sie in einer zweiten Operation die beiden Streifen zu einer neuen Harnröhre zusammen. Bis zur Abheilung kann der Patient nur im Sitzen und über eine Öffnung im Darmbereich den Urin ablassen. Operationen dieser Art gehören zur rekonstruktiven Urologie, und dies ist - neben der Kinderurologie - der Schwerpunkt des am Allgemeinen Krankenhaus in Harburg neu geschaffenen Urologischen Zentrums Hamburg, zu dem die Urologien der Krankenhäuser Harburg und St. Georg zusammengelegt wurden. "Mit dieser Spezialisierung", so Frau Dr. Fisch, "erhalten wir Patienten aus ganz Deutschland." Im AK Harburg führt sie fort, was sie in rund zehn Jahren, zuletzt als Leitende Oberärztin, an der Urologischen Uniklinik in Mainz bei Prof. Rudolf Hohenfellner gelernt hat. Die Ärztin, in Dillingen im Saarland geboren, hat sich kürzlich mit ihrem Lebenspartner im nahe gelegenen Rosengarten ein schickes Reetdachhaus gekauft, das sie selbst "auf Vordermann" bringt. Was sie anpackt, so scheint es, fällt ihr leicht, und das begann mit dem Abitur, das sie, die Tochter eines Oberstudiendirektors, mit Auszeichnung bestand. Sie schaffte das Große Latinum, spricht fließend Englisch und Französisch, was die Nähe zu Frankreich und ärztliche Tätigkeiten in Luxemburg und Frankreich erleichtert haben dürften. 1995 reichte sie ihre Habilitationsschrift ein, und demnächst wird sie mit "Frau Professor" anzureden sein. Sie hat also gut lachen, und das tut sie genussvoll, oft und immer herzlich. Rekonstruktive Urologie befasst sich zum Beispiel mit dem großen Spektrum der Krebserkrankungen der Nieren, der Blase, der Harnwege und der Geschlechtsorgane, und da ist eine der stärksten und in der Öffentlichkeit viel diskutierten Herausforderungen, bei der Operation von Prostata-Tumoren so gekonnt vorzugehen, dass - wie Dr. Fisch formuliert "die Erektion gerettet wird". Bei Tumoren der Blase kann heute operativ eine Ersatzblase aus Darmgewebe angefertigt werden, dabei ist es manchmal notwendig, den Urin über einen durch den Nabel eingeführten Katheter abzuleiten. Weitere große Arbeitsgebiete sind Rekonstruktionen nach Unfällen und die Kinderurologie, die sich überwiegend mit angeborenen Fehlbildungen im Urogenitaltrakt befasst. Natürlich werden im Zentrum auch alle üblichen urologischen Krankheiten behandelt wie Steinleiden, Inkontinenz, gutartige Prostata-Vergrößerung. Zu 60 Prozent sind es männliche, zu 40 Prozent weibliche Patienten. Ist es einigen Männern nicht peinlich, wenn eine junge Frau ihre Geschlechtsteile behandelt? Frau Dr. Fisch meint: "Nein, nein, das war früher mal so, als Achtzigjährige sich da zierten und genierten. Heute ist das völlig unproblematisch, vor allem, wenn ich mit einem Patienten ungehemmt über seine Krankheit spreche und ihm zu verstehen gebe, dass dies alles für mich keine Besonderheit, sondern Routine ist." Und Frauen? "Ja, Frauen kommen schon mal bevorzugt zu uns, weil hier halt eine Ärztin ist, der sie eher Einblick in ihre Intimsphäre zu geben bereit sind als einem männlichen Kollegen." 16 Ärzte, fünf in der Ambulanz tätige Arzthelferinnen und ein Stab von Schwestern und Pflegern versorgen die Patienten in den 80 Betten der drei Stationen. Chef zu sein ist hier ein Full-Time-Job, der um 7 Uhr beginnt. Nach einer kurzen Besprechung beginnt um 8 Uhr das Operationsprogramm, das bis gegen 16 Uhr dauert. Danach viel Verwaltungsarbeit, Vorträge vorbereiten, die auf Kongressen im In- und Ausland gehalten werden und sich meist mit der rekonstruktiven Urologie befassen, und die Mitarbeit an wissenschaftlichen Studien, an denen häufig mehrere urologische Zentren beteiligt sind. Für Freizeit und Hobby bleibt nicht viel Zeit. Der Fitness wegen joggt sie ein wenig, hat angefangen Tennis zu spielen, bastelt und repariert eifrig, kocht leidenschaftlich Menüs nach Rezepten aus Frankreich und liebt über alles die Bretagne, die rauhe Küste und die Köstlichkeiten, die das Meer dort für den verwöhnten Gaumen hergibt. Hier tankt sie auf, und es würde nicht wundern, wenn sie eines Tages den Lehrstuhl einer Uniklinik erobert.