Ingrid Moll hat unter Dermatologen einen ausgezeichneten Ruf - und das Standardwerk für ihren Medizinbereich geschrieben.

Die folgende Szene schildert Professorin Ingrid Moll (50) ihren Studenten: "Ein Mann fährt auf dem Motorrad, es ist Sommer. Plötzlich bricht er am Lenker tot zusammen. Was könnte passiert sein?" Mehrmals im Jahr gibt es in Deutschland einen solchen Todesfall. Die Ursache (und richtige Antwort): Der Motorradfahrer erlitt einen anaphylaktischen Schock, der schnell zum Kollaps führen kann, ausgelöst durch den Stich einer Biene oder Wespe. Denn wer auf deren Wirkstoff allergisch reagiert, kann an dem sonst harmlosen Piekser sterben. Ein Lehrbuchfall der Allergologie - ein Spezialgebiet von Ingrid Moll, der Direktorin der Klinik und Poliklinik für Dermatologie und Venerologie (Hautklinik) und - außerhalb der Zahnklinik - der einzigen Klinikdirektorin im UKE. Braucht eine Frau mehr Energie als ein Mann, um auf eine Chefstelle zu gelangen? Die Chefin über 30 Ärzte und 90 Betten, antwortet diplomatisch: "Manchmal ist es schwierig, sich durchzuboxen, aber es gelingt mit Beharrlichkeit und Konsequenz." Die "breite Vielfalt" reizt die Professorin an ihrem Fach. Ein Spektrum, das sich in ihrem Lehrbuch "Dermatologie" wiederfindet, einem Standardwerk in fünfter Auflage, in das sie viel Freizeit investiert. Studenten kommt zugute, dass die Hochschullehrerin in Würzburg Biologie und Chemie studierte und in Bayern die höhere Lehramtsprüfung bestand, bevor sie sich der Medizin zuwandte. So weiß sie: Jeder hat eine andere Art zu lernen. "Dermatologen können sich in vielen Neigungen verwirklichen", sagt sie. Ein Vorteil für Mitarbeiter und Studenten. Die Klinikchefin macht es ihnen vor. Zweimal in der Woche operiert sie, etwa Patienten mit Hauttumoren, offenen Beinen oder Krampfadern. Freitags ist Vorlesungstag. Dann sind da die Sprechstunden und die Arbeit im Labor mit Forschungsprojekten. Unter dem Mikroskop offenbaren sich "geheimnisvolle Vorgänge, eine Wunderwelt", sagt Ingrid Moll. Zwei Quadratmeter Haut hat jeder Erwachsene, eine Schutzschicht, ein bis vier Millimeter dick, die zwar robust ist, aber gepflegt werden will. Die Haut ist das größte Organ des Menschen. Da ist die oberste Schicht, nur zehn millionstel Millimeter dick, eine Barriere, die kein Wasser durchlässt, wohl aber Fett lösende Substanzen. Ist die Barriere gestört - eines der Forschungsthemen an der Hautklinik -, entstehen Allergien. Viele Vorgänge in der Haut entscheiden über die Gesundheit. In der obersten Schicht (Epidermis) und in den Haarfollikeln gibt es die nach ihrem Entdecker vor mehr als 127 Jahren benannten Merkelzellen, 100 Stück pro Quadratmillimeter. Über ihre Funktion ist wenig bekannt. In-grid Moll und ihr Team erforschen diese Gebilde, die Hormone produzieren im Pikogramm-Bereich, in unvorstellbar winzigen Mengen von 10-15 Gramm. Die bösartigen Merkelzellkarzinome, eine sehr seltene Hautkrebsart, "werden an unserer Klinik erforscht", sagt Moll. Die anderen Hautkrebsarten sind viel häufiger. Auf 100 000 Einwohner kommen jedes Jahr 50 neue Fälle, "Hautkrebse nehmen dramatisch zu", sagt Moll, auch als Folge des Wohlstands. Denn mit dem Alter steige die Wahrscheinlichkeit einer Erkrankung, und ausgeprägte Sonnenurlaube fördern Hautkrebs ebenso. "Nach der Diagnose nicht in Panik geraten", empfiehlt die Ärztin, "ein großer Teil ist heilbar." Je nach Diagnose wird operiert oder bestrahlt, selbst bei dem gefährlichen "schwarzen Hautkrebs", dem malignen Melanom, seien Vorstufen gut heilbar. Deshalb sei es wichtig, verdächtige Hautstellen einem Dermatologen zu zeigen, sagt Moll. Vorsicht sei geboten, "wenn sich harmlose Muttermale verändern, ein brauner Fleck plötzlich wächst und juckt oder ohne äußere Einwirkung blutet". Wundheilung ist auch ein Spezialgebiet der Wissenschaftlerin, die in einem DFG-Projekt (Deutsche Forschungsgemeinschaft) den Ursachen chronischer Wunden ("offene Beine") nachgeht, ein Leiden, das acht Prozent der 70-Jährigen befällt. Grund sind zum Beispiel Störungen der Venen und Arterien, "da sind wir gefordert, die Ursachen zu finden, das UKE bietet die gesamte Abklärung". Heilung oder Linderung sind oft langwierig, jeder zweite Erkrankte ist nach einem halben Jahr wieder betroffen. Einigen Patienten hilft eine Spezialbehandlung. Aus ihren Haarwurzeln werden in drei Wochen in Petrischalen neue Zellen gezüchtet, denn an den Haaren gibt es "hoch aktive Zellen". Dieses Gewebe wird auf die Wunde "gespritzt, eine Methode, die wir im UKE entwickelt haben", sagt Frau Moll. Damit ließen sich oft erstaunliche Verbesserungen und Heilungen erzielen. Wie pflegt man seine Haut am besten? Die Dermatologin empfiehlt: sparsam mit Seife umgehen, nicht länger als drei bis fünf Minuten heiß duschen, sonst wird die schützende Schicht der Haut beschädigt. Übertriebene Hygiene schade eher, sagt Frau Moll, die auch Umweltmedizinerin ist. Viele Erkrankungen haben sich mit wachsendem Wohlstand verbreitet. 15 Prozent der Kinder haben heute Neurodermitis, aber weniger als ein Prozent der Erwachsenen. "Bei uns auf dem Land gab es keine Allergien", erinnert sie sich an ihre Kindheit im fränkischen Rothenburg ob der Tauber. Mit Norddeutschland habe sie sich gleich angefreundet, sagt sie. Mit ihrem Mann Roland Moll, Pathologie-Professor in Marburg, und mit Sohn Philip (18), der Physiker werden will, erkundet sie an Wochenenden den Norden, über den sie sagt, "er hat seine Reize".