Siegerland. 2023 hatte viel zu bieten: Das sind die Menschen und ihre Geschichten, die Redakteurin Ina Carolin Pfau besonders in Erinnerung geblieben sind.
Hinter jeder unserer Geschichten stecken immer Menschen. Wir als Reporterinnen und Reporter sprechen über das Jahr gesehen mit ganz vielen von ihnen. Nicht alle der Protagonistinnen und Protagonisten bleiben gleich stark im Gedächtnis. Hier sind die Menschen und ihre Geschichten, die Ina Carolin Pfau 2023 besonders in Erinnerung geblieben sind.
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1. Endometriose-Erkrankte: Als Reporterin begegne ich oft Menschen, die herzlich sind. Doch es gibt die aufgesetzte Herzlichkeit, die vor allem mit dem Wunsch nach guter Presse verbunden ist, und die ehrliche Herzlichkeit. In diesem Jahr sprach ich mit sieben Frauen, die an Endometriose erkrankt sind. Es ist eine Krankheit, die auch als „Chamäleon der Gynäkologie“ bezeichnet wird und die ein normales Leben oft unmöglich macht. Die Frauen schenkten mir ihr Vertrauen, ihre sehr persönlichen Geschichten zu erzählen. Denke ich an meine Artikel aus 2023 zurück, sind es sie, an die ich mich als Erstes erinnere, weil ihre Herzlichkeit so ehrlich war. Sie hören einander zu, unterstützen sich gegenseitig und sind füreinander da. Oft urteilen wir zu schnell über die Gefühle, Probleme und Erkrankungen anderer. Gerade deswegen braucht es oft mehr Mut, als man denkt, seine persönliche Geschichte zu erzählen. Wir sollten den Menschen um uns herum zuhören und ihnen Raum geben. Das löst längst nicht alle Probleme, ist aber unendlich viel wert.
2. Bachelor-Kandidatin: Es sind durchaus nicht nur die ernsten Themen, die in Erinnerung bleiben. Manchmal ist es auch amüsant, wenn man das Leben nicht ganz zu ernst nimmt. In diesem Jahr nahm mit Colleen Schneider eine Siegenerin an der TV-Show „Der Bachelor“ teil. Es erschienen gleich mehrere Berichte über sie und ihr Weiterkommen in dieser Zeitung. Gerade für die, die sich für „Trash-TV“ begeistern können, war der Blick hinter die Kulissen spannend. Für alle anderen wohl eher nicht. Die Frau, die gerade diese Zeilen schreibt, hatte an der Berichterstattung zumindest großen Spaß.
3. Fans aus Leidenschaft: Es gibt immer diese Musiker, von denen man einfach nicht genug bekommen kann. Für manche ist sowas nur eine Phase, bei wiederum anderen zieht sich das durchs ganze Leben. Bei „Kultur Pur“ traf sich eine ganze Gruppe voller „Lord of the Lost“-Fans. Kurz zuvor hatte ihre Lieblingsband beim Eurovision Song Contest (ESC) den letzten Platz belegt. Das war vor allem für die eingefleischten Fans bitter und schwer zu begreifen. „Wir wollen LotL heute zeigen, dass sie alles richtig gemacht haben“, sagte Matthias Kruse vor dem „Lord of the Lost“-Auftritt auf dem Giller. Die Fans, die aus ganz Deutschland angereist waren, machten der Band mit einem neuneinhalb Meter langen Banner in der ersten Reihe wieder Mut, später zeigten sie ein weiteres Banner und schließlich ließen sie rote und goldene Luftballons durch das Konzertzelt fliegen. Für sie sei der Tag bei „Kultur Pur“ ein Tag gewesen, den sie nie vergessen werden, hieß es später aus der Fangemeinde. Umso schöner, wenn man über so etwas berichten kann.
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4. Weltreise ohne Ende: Um die Welt reisen, ohne das Enddatum der Reise zu kennen. Arbeiten, von wo und wann man will – was für viele wie ein Traum klingt, haben sich Tim und Vera Bartsch aus Siegen erfüllt. Derzeit reisen sie mit ihrem Bus „Kasimir“ durch Europa. Urlaub sei das Ganze trotzdem nicht. „Aber ich bin hier der Herr über meine Zeit“, sagt Tim Bartsch. Gerade für viele junge Menschen dürfte dieses Leben wohl trotzdem etwas sein, was sie sich für ihre Zukunft gut vorstellen können. Es bedeutet aber auch, alles hinter sich zu lassen und Familie und Freunde nicht mehr in greifbarer Nähe zu haben. Es ist eine Geschichte, die viele Menschen aus der Region interessiert hat. Vielleicht auch, weil eine „Weltreise ohne Ende“ für viele wie ein Traum klingt, sie sich aber nicht entscheiden können, ob sie das wirklich können oder wollen.
5. Wiedereinstieg nach Elternzeit: Die Geburt eines Kindes verändert das Leben der Eltern für immer. Vieles muss neu gedacht und neu geplant werden. Gerade Frauen fragen sich irgendwann, ob sie in ihren alten Beruf zurückkehren können oder wollen. Sechs Mütter erzählten im Mütterzentrum in Siegen, wie ihnen der Wiedereinstieg gelungen ist und mit welchen Herausforderungen sie zu kämpfen hatten. Es ist ein Thema, dass immer wieder neue Generationen beschäftigt. Und es zeigt sich: Dass Arbeitgeber Frauen die Rückkehr in den Beruf verwehren oder unnötig schwer machen, können sie sich in Zeiten des Fachkräftemangels kaum noch leisten. „Diese Fälle erlebe ich immer weniger“, sagte Nadine El Moussaoui, die sich bei der Agentur für Arbeit Siegen auf die Beratung von Müttern beim beruflichen Wiedereinstieg spezialisiert hat. Eine überaus positive Entwicklung.
6. Pampeses: Das Gasthaus Pampeses gehört schon seit Jahrzehnten zur Hilchenbacher Gastronomie. Umso mehr war es eine Überraschung, als im Juni bekannt wurde, dass die bisherigen Betreiber Stefan und Nina Dörrenberg das Restaurant schließen. Es waren ganz persönliche Gründe und ein Schicksalsschlag, die sie zu dieser Entscheidung bewogen. Über Monate blieben dann die Lichter im Gasthaus aus, die Terrasse war auch im Sommer leergefegt – ein seltenes Bild von dem überaus beliebten Restaurant. Im Dezember eröffnete es Pascale Sabani dann wieder und erfüllte sich damit einen Lebenstraum. Es habe bis zum 15. September gedauert, bis sie den Entschluss dafür fasste, erzählt sie rückblickend: „Ich weiß noch ganz genau: Ich stand davor. Es war Kirmes, die Autoscooter-Musik lief im Hintergrund und ich sagte zu meinem Mann: Das ist es! Das ist das, was ich will!“
7. „Pollypixelt“: Zugeben, Kunst tut sich oft schwer. Meist erreicht sie immer nur einen kleinen Teil der Bevölkerung. Dass es auch anders gehen kann, zeigt Ina Preuß mit „Pollypixelt“: Über Stunden schafft sie in mühevoller Kleinstarbeit mit Bügelperlen Kunstwerke. „Ich kann so viele schöne, super persönliche Geschichten und Momente mit den Leuten teilen und sie festhalten“, sagt sie. Es sind Erinnerungen wie Ultraschallbilder, Porträts und vieles mehr, die sie gestaltet. Ihr Unternehmen sei das Beste, „was ich je machen konnte“, sagt sie. Das Schöne: Erinnerungen verschwinden mithilfe ihrer Kunstwerke nicht im Fotoarchiv auf dem Handy oder in irgendeiner Kiste, sondern hängen im Optimalfall an der Wand.
8. Apotheker: Meist gehen wir in die Apotheke, weil wir Hilfe brauchen. Doch dass auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Apotheken Unterstützung von uns benötigen, daran denken wohl die wenigsten. Es sind immer mehr Probleme, mit denen die Branche umgehen muss und die dafür sorgen, dass das System kurz vorm Kollaps steht. Viele Apotheken kämpfen gerade ums Überleben: „Ein Drittel ist akut existenzgefährdet. Bei den restlichen zwei Dritteln, dazu würde ich auch uns zählen, geht es dauerhaft nicht gut“, sagt der Hilchenbacher Apotheker Dr. Christof Werner. Es gibt zu viel Bürokratie, zu wenig Honorar, Lieferengpässe bei den Medikamenten, Personalmangel und so vieles mehr. „Es macht keinen Spaß mehr“, so Christof Werner. Trotzdem sieht es leider so aus, dass sich, angestoßen durch politischen Veränderungswillen, in nächster Zeit nichts an der Lage der Apotheken verbessern wird. Je mehr Menschen über ihre schwierige Situation sprechen und diese kennen, desto besser. „Wir werden weiter protestieren und weiter laut sein“, betont der Hilchenbacher Apotheker.
9. Angst in der Elternschaft: Bei vielen Müttern oder Vätern fangen die Sorgen schon mit dem positiven Schwangerschaftstest an: Geht alles gut? Und werde ich das alles schaffen? Angst ist bei Eltern eine ständige Begleiterin, mal ist sie mehr, mal weniger präsent. Trotzdem wird sie oft totgeschwiegen. Die Kreuztalerin und dreifache Mutter Carolin Flender sprach offen über ihre Ängste in der Elternschaft. Einer ihrer Sätze blieb besonders in Erinnerung: „Was ich steuern kann, steuere ich. Ich fühle mich dadurch nicht ohnmächtig. Und bei allem anderen vertraue ich, dass es das Leben immer gut mit uns meint.“ Ein Satz, der in einer Zeit, in der viele Menschen und gerade „Helikopter-Eltern“ über möglichst alles die Kontrolle haben wollen, hervorsticht. „Früher haben sich Eltern stärker auf ihre Intuition verlassen“, berichtete Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin Christin Henrich. Ein Gedankenanstoß, der Eltern dabei helfen könnte, wieder mehr auf sich selbst zu vertrauen.
10. Arbeiten an Weihnachten: Nicht alle Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben das Glück, an den Feiertagen freizuhaben. Gerade in den sozialen Berufen muss die Versorgung auch dann sichergestellt sein. Pflegefachkräfte, Ärzte, eine Telefonseelsorgerin, ein Rettungssanitäter und ein Feuerwehrmann aus dem Siegerland erzählten, wie sie Weihnachten auf der Arbeit erleben. Sie kümmern sich um die Menschen um uns herum, eilen zur Hilfe und sind für andere da. Alle von ihnen sprachen über ihre Tätigkeit fast selbstverständlich, dabei ist ihre Arbeit alles andere als selbstverständlich. Ohne diese Menschen würde vieles im Siegerland nicht funktionieren – sie arbeiten für uns alle, könnte man sagen. Einmal im Mittelpunkt zu stehen, haben sie darum, aber auch davon unabhängig, mehr als verdient.
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