Siegen. Berufstätige Mamas sind oft bessere Mitarbeiter. Eine Arbeitsmarktexpertin aus Siegen erklärt, warum gerade die Elternzeit dafür ein Grund ist.

Wenn Frauen nach der Elternzeit wieder in den Beruf zurückkehren möchten, stehen sie vor einem Berg an Dingen, die sie bedenken müssen. Eigentlich seien es aber nur fünf Faktoren, erläutert Nadine El Moussaoui: „Die Kinderbetreuung, die Mobilität, die Arbeitszeit, die persönliche Situation und die Qualifikation. Alle fünf Punkte sind gleichwichtig.“ Wenn einer davon nicht stimmig ist, können schnell Probleme entstehen. Als Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Siegen hat sich Nadine El Moussaoui auf die Beratung von Müttern beim beruflichen Wiedereinstieg spezialisiert. Sie möchte den Frauen die Berufsrückkehr so leicht wie möglich machen. „Viele Frauen sind sehr gut qualifiziert – das sollte nicht brachliegen“, fordert sie und gibt Tipps, wie der Wiedereinstieg nach der Elternzeit gut klappt.

Siegen: Frauen kämpfen mit Klischee, dass Familie durch Arbeit zu kurz kommt

Gerade nach der Familiengründung machen auch in der heutigen Zeit vor allem Frauen berufliche Rückschritte, arbeiten oft Teilzeit (siehe Statistik). Obwohl die Gleichberechtigung der Geschlechter sicherlich schon weit vorangeschritten ist, liege der „Mental Load“ (darunter fällt das Organisieren von (Alltags-)aufgaben von Familie, Haushalt, usw.) und die „Care-Arbeit“ (Sorgearbeit) immer noch vorrangig bei den Frauen, betont Nadine El Moussaoui. Sie betont allerdings auch: „Die Väter übernehmen heutzutage schon eine aktivere Rolle, sind auch bereit, berufliche Einschnitte zu machen.“

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Gerade die berufstätigen Mütter haben dann oft mit dem Klischee zu kämpfen, dass die Familie durch ihren Job zu kurz komme. Die Kritikerinnen und Kritiker vergessen dabei, dass viele Familien gerade in Zeiten der Energie-Krise gar nicht mehr die Wahl haben, ob es einen zweiten Verdienst durch die Partnerin oder den Partner gibt oder nicht. In einigen Familien wäre die finanzielle Not ohne das Geld einfach viel zu groß.

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Wenn in einer Ehe oder Partnerschaft zudem nur einer oder eine verdient, begibt sich die andere Seite in der Regel in ein Abhängigkeitsverhältnis. Sollte die Ehe dann zum Beispiel geschieden werden oder ein plötzlicher Todesfall eintreten, befinden sich gerade Frauen oft in einer angespannten finanziellen Lage.

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Hinzu kommen die „Gender-Pay-Gap“ (das geschlechtsspezifische Lohngefälle, dass Frauen meist weniger als Männer verdienen) und dass auch Frauen fürs Alter vorsorgen müssen. „Altersarmut ist weiblich“, betont Nadine El Moussaoui. Dass Frauen nach der Elternzeit also wieder am Berufsleben teilnehmen, sei gerade aus diesen aber auch aus ganz vielen anderen Gründen unglaublich wichtig.

Nadine El Moussaoui ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Siegen. Ihr liegt die Stärkung der Frauen am Herzen.
Nadine El Moussaoui ist Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Siegen. Ihr liegt die Stärkung der Frauen am Herzen. © Agentur für Arbeit Siegen | Agentur für Arbeit Siegen

Tipps für den Wiedereinstieg nach der Elternzeit: Das sollten Familien beachten

„Man sollte den Anschluss an die Erwerbstätigkeit nicht verlieren und immer einen Fuß in der Tür behalten“, ist daher Nadine El Moussaouis wohl wichtigster Tipp. Wie der Wiedereinstieg nach der Familienzeit dann genau aussieht, ist von Frau zu Frau unterschiedlich. Egal, wie sie sich ihre Berufsrückkehr vorstellen, es ist empfehlenswert, sie mit etwas zeitlichem Vorlauf zu planen, so Nadine El Moussaoui. Die Elternzeit betrage „in den meisten Fällen ein Jahr“. In diesen Fällen ergebe es Sinn, nach einem halben Jahr wieder mit den Kolleginnen und Kollegen und dem Arbeitgeber in Kontakt zu treten.

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Generell sollte man mit dem Arbeitgeber eine Vereinbarung noch vor der Familienzeit treffen, wie lange man Elternzeit nehmen möchte, so Nadine El Moussaoui. Das gibt Arbeitnehmern, Arbeitnehmerinnen und Arbeitgebern Planungssicherheit – die Stelle kann gegebenenfalls dementsprechend befristet ausgeschrieben und nachbesetzt werden. „Eine Verlängerung der Elternzeit ist immer möglich“, so Nadine El Moussaoui.

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Wer sich beruflich umorientieren möchte, für den gibt es auch Teilzeitausbildungen, Umschulungen und weitere Angebote. Eine komplette Neuqualifizierung muss bei einer Neuorientierung aber nicht unbedingt nötig sein, manchmal können einzelne Tätigkeiten aus dem alten Beruf einfach für einen neuen Beruf adaptiert werden. „Man sollte nach seinen eigenen Neigungen und Stärken gucken“, sagt Nadine El Moussaoui.

Gerade in Vorstellungsgesprächen oder Verhandlungen mit Arbeitgebern würden sich Frauen allerdings oft kleiner machen als sie sind. Dabei müssten sie das gar nicht – schon gar nicht nach der Elternzeit: „Wenn man ein Kind betreut, erweitert das die Kompetenzen“, betont die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt der Agentur für Arbeit Siegen. So würden viele Frauen in der Elternzeit zum Beispiel offener, kontakt- und kommunikationsfreudiger sowie stressresistenter – Fähigkeiten, die man auch in der Berufswelt gut gebrauchen kann.

Regelmäßige Unterstützungsangebote

Wer Rat und Hilfe sucht, wie man Familie und Beruf und gegebenenfalls auch Pflege miteinander vereinbaren kann, kann sich an Nadine El Moussaoui wenden. Sie steht für Fragen persönlich, telefonisch (Tel. 0271 / 2301 375) und per Video-Call zur Verfügung. Per E-Mail ist sie unter Siegen.BCA@arbeitsagentur.de erreichbar.

Sie bietet auch regelmäßig offene Sprechstunden und Informationsveranstaltungen zum „Erfolgreich wiedereinsteigen“ und anderen Themen an. Eine aktuelle Übersicht über die Angebote finden Interessierte unter www.arbeitsagentur.de/vor-ort/siegen/content/1533758351652. Die nächste Gruppeninformationsveranstaltung für Berufsrückkehrerinnen nach Familien- oder Pflegezeit ist am Mittwoch, 3. Mai, von 9 bis 11 Uhr in der Arbeitsagentur, Emilienstraße 45, in Siegen.

Auch wenn viele Menschen eine gewisse Hemmschwelle überwinden müssen, um den Kontakt zur Arbeitsagentur zu suchen, kann das dabei helfen, sich besser orientieren zu können. Das merkt Nadine El Moussaoui auch immer wieder bei ihren Veranstaltungen: „Da ist oft das Erstaunen groß, wie modern und informativ unsere Angebote sind.“

Vor dem Wiedereinstieg ist vor allen Dingen wichtig, sich über sich selbst und seine eigenen Anforderungen an den neuen oder alten Beruf klar zu werden, betont Nadine El Moussaoui. Dabei können Gespräche mit Familie, Freunden oder anderen nahestehenden Menschen helfen, aber auch eine Beratung bei der Arbeitsagentur. „Die, die zu mir kommen, wünschen sich Unterstützung und Beratung für ihre persönliche Situation“, berichtet Nadine El Moussaoui. Aber auch die, die glauben, gut informiert zu sein, könnten bei ihren Informationsveranstaltungen (siehe Box) oft noch etwas lernen. Generell gilt: „Wer Arbeit sucht, sollte darüber sprechen.“ Gerade das eigene Netzwerk könne oft dabei helfen, den richtigen Job zu finden.

Wiedereinstieg nach der Familienzeit: Diese Hürden gibt es

Dass Arbeitgeber Frauen die Rückkehr in den Beruf verwehren oder unnötig schwer machen, können sie sich in Zeiten des Fachkräftemangels kaum noch leisten. „Diese Fälle erlebe ich immer weniger“, sagt Nadine El Moussaoui. Der Fachkräftemangel spiele den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern in die Karten. Hinzu komme der Wandel der Arbeitswelt im Zuge der Corona-Pandemie: Homeoffice wird zum Beispiel nun viel häufiger ermöglicht als noch vor einigen Jahren. „Da sind die Arbeitgeber sehr großzügig geworden“, betont die 38-jährige Expertin.

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In puncto flexible Arbeitszeiten würden sich diese ebenfalls viel mehr an den Wünschen und Bedürfnissen der Familien orientieren. „Wenn sich ein Arbeitgeber familienfreundlich präsentiert, hat er auch einen Wettbewerbsvorteil“, stellt die Beauftragte für Chancengleichheit am Arbeitsmarkt fest. Die Lage für Frauen für den Wiedereinstieg nach Eltern- oder Pflegezeit sei insgesamt lange nicht mehr so gut gewesen wie jetzt: „Sie werden gebraucht.“

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