Kreuztal. Viele Mütter oder Väter haben Ängste, doch kaum jemand spricht darüber. Carolin Flender sagt, wie sie mit der Angst als Mama umgeht.
Bei vielen Müttern oder Vätern fangen die Sorgen schon mit dem positiven Schwangerschaftstest an: Geht alles gut? Und werde ich das alles schaffen? Angst ist bei Eltern eine ständige Begleiterin, mal ist sie mehr, mal weniger präsent. Carolin Flender aus Kreuztal ist dreifache Mutter. „Man hat vor so vielen Sachen Angst“, sagt sie. Sie spricht über Ängste in der Elternschaft und gibt Einblick, wie sie damit umgeht und sie sogar überwindet.
Kreuztal: Carolin Flender geht offen mit ihren Ängsten als Mutter um
1. „Manchmal habe ich Angst davor, was die Kinder über mich erzählen, wenn sie groß sind“, sagt sie. Die 38-Jährige ist Gründerin des Taschenlabels „Anna und Oskar“ und beruflich als Selbstständige stark eingebunden. Wie für viele Mütter und Väter ist die Vereinbarkeit von Beruf und Familie auch für sie immer wieder ein Drahtseilakt. Und da gibt es diese Sorge: „Sagen meine Kinder später: Mama war immer am Handy und mit den Gedanken woanders?“ Carolin Flender will das vermeiden und hat sich bewusst Zeiten und Räume geschaffen, die frei von Arbeit sind. „Ich mache nichts parallel. Wenn ich arbeite, dann in einem anderen Raum, wo die Kinder nicht sind.“ Das Prinzip funktioniert nicht immer komplett ohne Ausnahmen: „Es gibt Phasen, da haben wir gerade einen krassen Produktlaunch oder es gibt Probleme. Da gibt’s auch mal einen Samstag, wo ich das nicht einhalten kann“, räumt Carolin Flender ein. Doch im Alltag hält sie daran fest: strikte Trennung von Arbeits- und Familienzeit.
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2. „Mama hat eine eigene Firma“ – das würden ihre Kinder anderen immer wieder „super stolz“ berichten, sagt die Kreuztalerin und lächelt. Damit gehe aber auch Anderes einher: Etwa die Befürchtung, dass sie denken, sie müssten sich auch einmal selbstständig machen. Für sie sei es vollkommen in Ordnung, wenn ihre Kinder Oskar (8), Anna (6) und Charlotte (2) später zum Beispiel Schreiner oder Schreinerin werden oder Kunst studieren wollten. In jedem Berufswunsch würde sie sie bestärken („Wenn das dein Ding ist, mach das!“). Trotzdem ist da dieser unterschwellige Zweifel, dass sie auf irgendeine Weise vermittelt, dass sie dasselbe, was sie macht, von ihnen erwarten würde. „Da ist die eine Sache, die du sagst, und dann die, die du vorlebst.“ Ihr Sohn habe vor Kurzem gesagt: „Mama, dir gelingt immer alles.“ Perfektion, ob sie so wirkt oder tatsächlich vorliegt, ist aber gar nicht ihr Anspruch. Ihre Kinder sollen selbst ihr Glück finden, Fehler machen und daraus lernen. „Kinder vergleichen sich – auch mit uns.“ Dieser Vergleich mache ihr manchmal Sorgen.
Carolin Flender aus Kreuztal: Angst, wichtige Momente im Leben der Kinder zu verpassen
3. Und da gibt es noch diese eine Befürchtung, die wohl fast alle Eltern verspüren: „Die Angst, im Leben der Kinder etwas zu verpassen.“ Wenn etwas Schönes oder Schlimmes passiert, wollen Mütter und Väter dabei sein. „Doch vielleicht bin ich gerade an dem Tag nicht da“, sagt Carolin Flender. Es muss aber noch nicht mal das sein. „Ich kann auch mit den Gedanken woanders sein und noch nicht so in dem Moment.“ Ihr ist wichtig, dass immer jemand da ist, wenn die Kinder von der Kita und der Schule nach Hause kommen. Die Familie steht bei ihr an erster Stelle. Und dennoch gibt es selbst damit keine Garantie, in jedem wichtigen Moment oder bei jeder wichtigen Erzählung der Kinder dabei sein zu können.
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4. Carolin Flender bewegt als Mutter und als Mensch aber auch eine ganz persönliche Angst: „Manchmal habe ich das Gefühl, das Leben zu sehr herauszufordern.“ Da ist dieser Zweifel, zu viel zu wollen. Er sei aufgekommen, als es länger dauerte, bis sich das dritte Kind auf den Weg machte. „Da hatte ich schon zwei gesunde Kinder. Ich hatte Angst, beim dritten Kind den Wunsch fallen lassen zu müssen.“ Nach den Geburten ihrer zwei Kinder hatte Carolin Flender eine Fehlgeburt. Da war die Sorge, dass es wieder passiert. Irgendwann kam dann ihre Tochter Charlotte („Lotti“) auf die Welt. Dankbarkeit und Demut waren vorherrschend. Doch der Zwiespalt, manchmal zu viel vom Leben zu wollen, blieb.
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Wie Carolin Flender mit ihren Ängsten als Mutter konstruktiv umgeht
Doch nicht jede Sorge bleibt. Gerade beim ersten Kind ist bei vielen Eltern wohl die Befürchtung, etwas falsch zu machen, am größten. „Da gibt es diese Angst, dass man es nicht schafft. Wenn man dann merkt, es wird alles gut, hört das auf“, berichtet Carolin Flender. Ein Kind rüttle ein ganzes System durcheinander. Auch den Gedanken, nicht allem gerecht zu werden, konnte sie schnell ablegen, erzählt die dreifache Mutter. „Ich weiß, dass ich jeden Tag mein Bestes gebe.“ Als Mutter oder Vater dürfe man keine Scheu vor Veränderung haben und müsse offen dafür sein.
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„Und da gibt es diese Ur-Ängste, die in einem drin sind“, erzählt Carolin Flender. „Die fühlen sich anders, gewaltiger und radikaler an.“ Dazu gehört wohl die Vorstellung, dass dem eigenen Kind oder den eigenen Kindern etwas passiert. Sie tragen Eltern ihr ganzes Leben lang mit sich. „Man muss versuchen, die Leichtigkeit beizubehalten“, betont die Kreuztalerin. Natürlich bleibe da trotzdem immer die Befürchtung, etwas falsch einzuschätzen. Anders seien da die diffusen Ängste, die von außen an einen herangetragen würden. „Ich habe zum Beispiel Angst, was Social Media mit meinen Kindern machen wird.“ Carolin Flender ist in diesem Bereich viel beruflich unterwegs, erlebt dort auch viel Schreckliches, erzählt sie. „Ich will mir gar nicht vorstellen, dass meine Kinder in diese Welt kommen.“
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Generell dürfe man Angst aber keinen zu großen Raum im Leben lassen. „Sie ist eine Beraterin und hat einen Platz am Tisch, sie entscheidet aber nicht. Ich entscheide“, so Carolin Flender. Sie versucht, sich in ihre konkreten oder auch eher diffusen Sorgen als Mutter nicht hineinzusteigern und ihre Kinder so gut wie möglich zu bilden und abzusichern. „Was ich steuern kann, steuere ich. Ich fühle mich dadurch nicht ohnmächtig. Und bei allem anderen vertraue ich, dass es das Leben immer gut mit uns meint.“
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