Hagen. Probleme hat Hagen reichlich: Schule, Kita, Innenstadt, leere Kassen. Oberbürgermeister Erik O. Schulz bezieht im Interview Position.
Der Terminkalender eines Oberbürgermeisters ist eng. Dennoch hat sich Erik O. Schulz zwei Stunden Zeit für ein Interview genommen, um mit der Stadtredaktion über die zentralen Themen in Hagen zu sprechen. Hier die Zusammenfassung des Gesprächs:
Vor fünf Wochen haben Sie mit Ihrer Ankündigung überrascht, bei der Kommunalwahl 2025 nicht erneut als OB-Kandidat antreten zu wollen. Fühlen Sie sich bislang wohl mit der Entscheidung?
Natürlich ist mir das nicht leichtgefallen, es war aber eben auch reiflich überlegt. Und die Rückmeldungen waren gut: Das Spektrum reichte von der Staatskanzlei über Ministerinnen bis hin zu Oberbürgermeisterkollegen aus unterschiedlichen politischen Lagern. Dabei will ich nicht verhehlen, dass ich mich gefreut habe, dass der überwiegende Teil überrascht, verwundert, aber eben auch mit Bedauern reagiert hat – besser die Leute sagen „schade“ als „endlich“. Ich wollte einfach eine selbstbestimmte Entscheidung treffen, bevor die Diskussionen in den Parteien losgehen. Und ich glaube weiterhin, dass es die richtige Entscheidung war. Ich sage aber auch: Es macht mich ein wenig melancholisch, obwohl es dafür eigentlich noch viel zu früh ist. Trotzdem tut es gut zu wissen, dass es entschieden ist.
Gar keine Reue?
Nein, mir ist bislang nie der Gedanke gekommen, noch einmal darüber nachdenken zu wollen. Aber natürlich weiß ich auch, dass mein Alltag sich radikal verändern wird – egal, was ich danach tue. Viele Leute haben in den Rückmeldungen meine Entscheidung mit Respekt begleitet. Das hat mich durchaus gefreut. Aber ich weiß heute schon, dass ich mich nicht sofort von ehrenamtlichen Aufgaben vereinnahmen lasse. Zumal ich durchaus plane, mein Berufsleben fortzusetzen.
Kommen wir zur harten Hagener Realität: dem Doppelhaushalt 2024/25. Darin enthalten sind neben den geplanten Steuererhöhungen auch viele kleine Sparschritte, die erhebliche Konsequenzen haben – vor allem auch im Sozialbereich. Die Spareffekte, die Hagen da erzielt, sind oft relativ überschaubar. Aber die Aufschreie sind umso größer, zumal diese Einrichtungen gute Arbeit abliefern. Wird da nicht mehr kaputt gemacht als am Ende gespart wird?
Man muss hier mit Bedacht rangehen und nicht mit der Axt. Ich glaube, dass das Haushaltssicherungskonzept (HSK) das berücksichtigt hat. Aber es gilt eben die alte Bauernregel: Kleinvieh macht auch Mist, wir können nicht immer bloß die ganz großen Räder drehen. Wir haben uns den Haushalt in Summe angeguckt – von Personal bis Sachkosten – und dann auf Grundlage der Expertise unserer Fachleute in den Fachbereichen entschieden. Am Ende ist das eine Prioritätenentscheidung, da man nicht von Beginn an einzelne Bereiche zu Tabuzonen erklären kann. Ich teile aber die Einschätzung, dass es nicht zu existenzgefährdenden Einschnitten kommen darf. Ich glaube, dass wir keine Maßnahmen im HSK haben, bei denen es um das „Ob“, sondern immer bloß um das „Wie“ geht. Am Ende muss die Politik das entscheiden.
Ist in Hagen nicht das Hauptproblem, dass die Zitrone schon zu oft ausgepresst wurde?
Ich will da nicht grundsätzlich widersprechen, aber es gibt da auch ein Narrativ: Es gibt Fachbereiche, die berichten mir, dass sie seit 20 Jahren nichts anderes tun als zu sparen. Aber wenn man dann genau hinschaut, stellt man schnell fest, dass da über Jahre kein einziger Euro gestrichen wurde. Wo haben wir denn die große Streichaktion im Sozialbereich erleben müssen? Die gravierenden sozialpolitischen Einschnitte hat es in den vergangenen zehn Jahren nicht gegeben. Im Gegenteil: Oft sind wir auch bei anderen Trägern noch eingesprungen, wenn beispielsweise im Rahmen des Kinderbildungsgesetzes (KiBiz) Landesmittel nicht mehr so geflossen sind wie zuvor. Auch im OGS-Bereich haben wir Zuwächse übernommen, um die sich eigentlich das Land hätte kümmern müssen. Ich kann allen, die vom Kahlschlag in der Sozialpolitik sprechen, nur einen Faktencheck empfehlen: Wir geben heute deutlich mehr für soziale Dienstleistungen aus als noch vor zehn Jahren. In diesem Bereich haben wir neben der Stadtsauberkeit und dem Ordnungsdienst auch das meiste Personal nachgefüttert und nicht etwa, weil wir Stäbe von Strategieberatern des Oberbürgermeisters gebildet haben. Trotz der knappen Mittel haben wir immer dort aufgestockt, wo Aufgaben dies erfordert haben. So gesehen ist es für mich eine Frage der Fairness beim Sparen auf alle Themenfelder zu blicken. Die Politik hat ja die Chance, hier als Korrektiv zu handeln.
Aber es gibt bestimmt Aufgaben eines Oberbürgermeisters, die mehr Spaß machen, oder?
Mir war schon klar, als ich OB wurde, dass ich meine Zeit nicht vorzugsweise mit dem Eröffnen neuer Freilufttheater und wöchentlich neuer Bezirkssportanlagen verbringen werde. Das Thema Haushalt bietet immer Spannungen und fundamentale Positionen garniert mit Weltuntergangsszenarien. Trotzdem sind das alles verständliche Interessen, die dort vertreten werden. Ich kann diese Lobbyarbeit gut nachvollziehen. Ich will mich darüber nicht beschweren, dann darf man den Job nicht machen.
Es fällt zudem auf, dass viele Gutachten zu Zukunftsthemen wie ÖPNV-Zukunft, Parkraumkonzept, Ebene 2, Infrastrukturunterhalt, Wohnungsmarkt oder auch Nachhaltigkeitsstrategie eingefroren werden sollen. Manifestieren wir damit in Hagen nicht für zwei weitere Jahre den Stillstand?
Gegenfrage: Sollen wir jetzt Konzepte machen oder zur Schippe greifen? Wir haben uns sehr genau angeschaut, was wir konzeptionell trotzdem tun und uns zugleich gefragt: Nach welchen Kriterien sucht man jetzt die Sachen aus, die wir erst einmal schieben können. Das, was wir absehbar ins „Doing“ bringen können – also mit Planung und potenzieller Förderung – lassen wir jetzt erst mal drin. Und da, wo wir Themen haben, wo einzelne ganz optimistisch glauben, dass man in 20 Jahren mal einen Schritt weiter ist, haben wir der Politik vorgeschlagen, sie hinten anzustellen. Unser Fokus ist auf die Dinge gerichtet, die wir mit unseren Ressourcen und Mitteln und unseren Prioritäten tatsächlich umsetzen können. Das war keine Entscheidung mit dem Rasenmäher. Als Beispiel mal die Straßenbahn für Hagen: Ich habe erhebliche Zweifel, dass es richtig ist, diese Vision weiterzuverfolgen. In allen anderen Städten vergleichbarer Größe, Geografie und Struktur gibt es niemanden, der über die Einführung einer Straßenbahn nachdenkt. An so einer Stelle ist es richtig festzustellen, dass dieses System ohnehin nicht in den nächsten 20 Jahren kommt. Ich persönlich würde das Thema Straßenbahn sogar am liebsten ein für allemal beenden und mich dafür auf einen verbesserten ÖPNV konzentrieren wollen. Diese Ressourcen im Denken und Planen kann man an anderer Stelle viel besser gebrauchen.
Es geht ja nicht nur um Straßenbahn, da kann man sicherlich eine ablehnende Haltung haben. Aber bei vielen anderen Themen müssen wir doch präpariert sein und Konzepte entwickeln, damit wir in dem Moment, wenn dazu passende Förderungen angeboten werden, diese auch abgreifen können?
Dafür sind wir aber in der Zwischenzeit in den anderen Feldern vielleicht tatsächlich einmal entscheidende Schritte vorangekommen. Wir haben ja jetzt genügend anderen Themen, die uns wirklich unter den Nägeln brennen. Die Fuhrparkbrücke ist so ein Infrastrukturprojekt, wo auch in zwei Jahren nicht der Bagger rollen wird, aber es gibt eine kurzfristige Perspektive. Das hat Priorität, dafür haben wir Ressourcen, da kommen wir mit Förderung absehbar ins Tun.
Nachholbedarf gibt es beim Thema Sportstätten. Jetzt zeichnet sich zwar eine abgespeckte Lösung für die Privatinvestition einer Großsporthalle im Sportpark Ischeland ab, aber dass die Stadt Hagen zuletzt in eine neue Turnhalle investiert hat, ist mit dem Bau am Emster Park auch schon zwei Jahrzehnte her. Muss da mit Blick auf das Alter des Angebots nicht dringend deutlich mehr passieren?
Wir werden ja zwei neue Sporthallen absehbar mit Terra 1 und der Schule in der Södingstraße bekommen. Da wo wir Schulen vorsehen, so auch am St.-Marien-Hospital, denken wir Turnhallen mit. Wir sind aber eine Stadt, die demografisch kleiner wird, und die Vereine haben auch nie großartig geschimpft. Die Sportinfrastruktur in Hagen kann sich durchaus sehen lassen. Da gibt es Städte, denen es finanziell ähnlich schlecht geht, die sind da deutlich schlechter ausgebaut. Mit dem Projekt im Sportpark gewinnen wir ja jetzt auch weitere Kapazitäten, das war für uns in dem Abwägungsprozess ganz wichtig. Zugleich wollen wir die Stadt auch als Standort für Spitzensport im Bereich Hand- und Basketball weiter profilieren. Da haben wir jetzt gemeinsam mit Phoenix und Eintracht sowie der Wirtschaftsförderung – auch mit Blick auf den Sitz des Deutschen Basketballbundes – einen neuen Anlauf genommen.
Überregionale Strahlkraft soll ebenfalls das Seepark-Projekt entwickeln. Was wird dort bis zur Internationalen Gartenausstellung 2027 (IGA’27) tatsächlich sichtbar fertiggestellt sein?
Zunächst einmal sollte man nicht vergessen, was schon passiert ist, weil viele Leute den Zusammenhang gar nicht herstellen: Ich will hier vor allem mal an die Fahrradbrücke über die Volmemündung erinnern, und das Familienbad Hengstey wurde grundlegend saniert. Wobei der allererste Schritt ja letztlich sogar das Aufstellen von Liegebänken war – dieses Startsignal im Kleinen war durchaus wichtig. Dieses Frühjahr wird der Beachclub fertig, wenig später kommt der Steg, der die Anlage wirklich attraktiv macht. Das muss man im Gesamtzusammenhang sehen. Die weiteren Schritte ergeben sich aus dem Siegerbeitrag unseres Gestaltungswettbewerbs, der uns die Chance eröffnet, in Bauabschnitten zu denken, die alle die Themen Wasser, Aufenthaltsqualität, Natur und Fahrradfahren immer wieder aufgreifen. Eine gute Linie vieler kleiner und großer Ideen, die sich am See aneinanderreihen.
Aber was kann bis 2027 noch fertig werden?
Die Umsetzung der gesamten Planung wäre natürlich wünschenswert, bislang sind wir noch nicht aus dem Zeitplan geraten. Wie schnell wir jetzt in die Umsetzungsplanung kommen, hängt ja auch davon ab, wie sich die Altlastenthematik auf dem ehemaligen Rangierbahnhof Hengstey gestaltet. Ich bleibe zuversichtlich – der Zielkorridor IGA steht. Ob dann tatsächlich alle Mosaiksteine bis hin zu der Zipline über den See schon klappen, vermag ich nicht zu sagen. Auch die Amprion-Brücke gehört dazu, die wir natürlich dringend brauchen, sie steht nicht zur Disposition. Wir werden uns da verständigen: Wir brauchen sie, und Herdecke braucht sie, um eine attraktive touristische und gastronomische Entwicklung rund um den See hinzubekommen. Da gibt es keine Konkurrenz.
Auch die Roteiche am Ufer des Hengsteysees hat wieder eine Zukunft. Warum bedurfte es wieder eines Aufschreis aus der Bürgerschaft? Hätte man im Rathaus nach der Hohenhof-Erfahrung bei dem Thema nicht von Beginn an viel sensibler sein müssen?
Über die emotionale Zuwendung zu einem einzelnen Baum kann man durchaus überrascht sein. Es gab ja schließlich eine klare Planung, die auf zahlreichen Gesprächen auch mit dem Kanuclub fußte. Die Planung ist zur Bezirksregierung und durch alle politischen Gremien gegangen. Jeder wusste, wie es dort aussieht, es gab da nichts Neues. Man kann zwar anderer Meinung sein: Ich persönlich weiß nicht, ob es schick ist, auf einem Ruhrtalradweg, der von überregionaler Bedeutung ist, für einen einzelnen Baum abzusteigen. Aber ein Verwaltungsvorstand muss ja nicht mit dem Kopf durch die Wand wollen, sondern kann auch Entwicklungen zur Kenntnis nehmen. Wenn es bei dem Verein jetzt eine neue Bereitschaft gibt, mit uns zu sprechen – zum Beispiel über einen Grundstückstausch –, dann macht das einen neuen Korridor auf, der bisher nicht offen war. Und wenn sich das mit dem Fördergeber abstimmen lässt, sind wir für alles offen. Die jetzt entstandene Debatte war nicht antizipierbar, schon gar nicht in dieser Dimension. Grundsätzlich gilt natürlich: Jeder Baum, den wir in dieser Stadt mit vertretbarem Aufwand erhalten können, ist erst einmal gut.
Beim Thema Schule bewegt sich in diesen Wochen vieles: Terra 1 in Wehringhausen soll zum Sommer fertig werden, für die Grundschule Södingstraße zeichnen sich Mehrheiten ab und das St.-Marien-Hospital soll Sekundarschule werden. Wo drückt denn jetzt angesichts der Kinderzahlen noch der Schuh?
Ich will nur noch einmal daran erinnern: Als ich vor zehn Jahren den Job übernommen habe, ging es noch um die Schließung von Schulen. Das haben wir mit Spielbrink, Kückelhausen, Regenbogenschule und Astrid-Lindgren-Schule dann ja auch gemacht. Gut, dass wir sie nicht alle sofort verkauft, sondern inzwischen zum Teil sogar wiedereröffnet haben. Außerdem haben wir angesichts des Zustroms an Flüchtlingen, Südosteuropäern und Menschen aus der Ukraine auch viele Anbauten verwirklicht. Zudem mussten wir für den OGS-Bereich zusätzlichen Raum schaffen. Mit den jetzt angesprochenen Projekten kommen wir einen wesentlichen Schritt voran. Und auch im Sportpark am Höing werden wir – wo auch immer – in einen weiteren Schulneubau investieren. Damit ist das Schulthema für die nächsten Jahre noch nicht beendet, denn wir werden auch im Bereich der Förderschulen nachdenken müssen.
Passt es denn bei den weiterführenden Schulen, wenn diese vielen Grundschüler älter werden oder schlittern wir hier auf die nächste Verlegenheit zu?
Auch wenn der größte Druck im Primarbereich ist, werden wir natürlich ebenfalls im Sek-I-Bereich zeitversetzt agieren müssen. Das St.-Marien-Hospital wird uns da sicher sehr helfen. Man braucht aber kein Prophet zu sein um festzuhalten, dass Schuldezernentin Martina Soddemann auch danach sicher keinen Mangel an Herausforderungen haben wird.
Zumal sie auch noch das Thema Kita auf ihrem Tisch hat. Wann wird eigentlich die Stadt Hagen mal wieder eine Kita bauen?
Vielleicht zunächst mal eine Bestandsaufnahme: Wir haben im U3-Bereich im Kita-Jahr 2024/25 derzeit 1400 Plätze und im Ü3-Bereich 5500. Trotzdem scheitern wir an den Betreuungsquoten, die wir uns vor zehn Jahren mal als Ziel gesetzt haben: 38 Prozent U3, 98 Prozent Ü3. Und das, obwohl wir seit 2014 18 neue Einrichtungen gebaut haben. Hinzu kommen umfassende An- und Umbauten an 15 weiteren Standorten sowie 17 neue Großtagespflegestellen, sodass dies in Summe 1900 neue Plätze sind. Wir haben unfassbar viel Gas gegeben und unfassbar viel Geld investiert.Trotzdem ist es wahr: In der Erreichung unserer selbst gesetzten Betreuungsziele stehen wir schlechter da als vor zehn Jahren. Die 1900 neuen Plätze haben also den Zuwachs an Kindern nicht ausgeglichen. In diesem Jahr kommen jetzt die Eröffnungen an der Eppenhauser Straße und an der Wehringhauser Straße sowie drei Anbauten und zwei Großtagespflegestellen hinzu. Für die nächsten Jahre sind zudem 19 weitere Maßnahmen mit 2000 Plätzen geplant. Bei dem Thema hat unsere Haushaltssituation nie eine Rolle gespielt: Das Thema hat was mit Bildung zu tun, mit Teilhabe – wenn wir das jetzt nicht machen, werden wir in zehn Jahren viel Geld investieren müssen, falls diese Kinder nicht Teil unserer Gesellschaft werden. Da gibt es in Hagen – egal ob in Verwaltung oder Politik – auch nur eine Sichtweise.
Mehrere Sichtweisen gibt es hingegen beim Thema Bahnhofsquartier und Westside. Ist es wirklich die klügste aller Lösungen, jetzt für viele Millionen den Werdestraße-Tunnel zu ertüchtigen? Hätten wir statt dieses potenziell neuen Angstraums pünktlich zu Sanierung des Hauptbahnhofes nicht den Gleistunnel-Durchstich angehen müssen?
Man sollte die Lösung Werdestraße nicht unterschätzen. Bei einem Ortstermin waren viele Teilnehmer hinterher erstaunt, welche Möglichkeiten sich dort eröffnen. Realistisch betrachtet wäre die Alternative des Gleistunnel-Durchstichs nicht möglich gewesen, weil die Finanzierung nicht geklappt hätte. Das Geld war nicht da, als die Deutsche Bahn ihre Planung vorantrieb. Das ändert auch nichts an der Tatsache, dass die Westside mit ihrer unmittelbaren fußläufigen Nähe zum Bahnhof von Investoren geschätzt wird und von elementarer Bedeutung ist. Das ist mir auch persönlich bei der Expo-Immobilienmesse in München so gespiegelt worden. Warten wir doch erst einmal ab, wie interessant und attraktiv Investoren den Tunnel Werdestraße mit seinen direkten Verbindungen zu den Gleisen tatsächlich finden. Parallel müssen wir uns städtebaulich natürlich um das Umfeld kümmern. Die Fläche ohne Anbindung weiterzudenken, wäre sicherlich nicht klug.
Für Aufregung und Ärger hat zuletzt in Hagen das Thema Steinbruch-Erweiterung in Haßley gesorgt, das über eine Berichterstattung der Stadtredaktion aus einer nicht-öffentlichen Vorlage das Licht der Welt erblickte. Ist das vor allem auch ein kommunikatives Problem gewesen?
Ja. Es immer ein kommunikatives Problem, wenn man einen klaren gesetzlichen Rahmen hat, über ein Grundstücksgeschäft nicht öffentlich reden zu dürfen. Man gerät sofort in die Defensive. Wenn ich dort wohnen würde, würde ich auch maximale Transparenz über jeden noch so kleinen Schritt einer solchen Entwicklung haben wollen. Ich verstehe die Verärgerung. Aber es gibt eben klare Vorgaben, und das hat rein gar nichts mit Hinterzimmerpolitik zu tun. Wir haben versucht, der Politik das Ansinnen eines privatwirtschaftlichen Unternehmens zu verdeutlichen, das ein Junktim zwischen einem Grundstücksverkauf und einer Betriebsstättenerweiterung herstellt. Und das muss Politik wissen, wenn sie am Ende sachgerecht entscheiden soll. Wobei ich klar sagen will: Wir haben die Industriefläche im Lennetal noch nicht in unserem Besitz. Es hat bei Lhoist gerade einen Geschäftsführerwechsel gegeben, aber wir suchen gerade den Kontakt, um hier weiter im Gespräch zu bleiben. Wir wollen hier zielgerichtet Wirtschaftsentwicklung in Hagen voranbringen und den Prozess auch steuern können.
Beim Blick in die Innenstadt geht es vorzugsweise um Begriffe wie Leerstand, Modernisierungsstau und Mangel an Aufenthaltsqualität. Parallel wird vor dem Hintergrund des Klimawandels diskutiert, in der City neue Baumgruppen und mehr Grün zu etablieren. Welche Priorität haben diese Themen für Sie?
Die mittelfristige Herausforderung bleibt – unabhängig von der aktuellen 1,2-Millionen-Euro-Förderung – was wir im Rahmen des InSEK tatsächlich neu machen können. Ich habe nicht den starken Fokus Einzelner, das Pflaster zu erneuern und damit zu glauben, alle Probleme seien gelöst. Die Zeiten mit den zugekleisterten Kaltasphaltflächen sind ja vorbei, da ist bereits eine Menge mit kleineren Maßnahmen passiert. Es bleibt natürlich der 80er-Jahre-Charme, den ich persönlich gar nicht so schlimm finde. Die Innenstadt hat allerdings viel größere Herausforderungen: Wie wollen wir künftig Funktionsbereiche aufteilen, wenn Menschen anders einkaufen? Da macht es keinen Sinn, beim Blick in die Vergangenheit eine romantisch verklärte Perspektive einzunehmen. Wir brauchen hier ein paar grundsätzliche Überlegungen, die uns natürlich nicht davon abhalten dürfen, kurzfristig ein paar Verschönerungsmaßnahmen vorzunehmen, für Stadtmobiliar zu sorgen und Aufenthaltsqualität meinetwegen auch in Form von weiteren Bäumen vorzunehmen. Wenn ich auf den Bahnhofsvorplatz blicke, stelle ich durchaus fest, dass dieser sehr betonlastig ist. Wir dürfen nicht nur Klimaanpassungskonzepte für 20 Jahren machen, sondern müssen auch den einen oder anderen Baum und Busch schon heute in die Innenstadt bringen. Wobei ich unsere Innenstadt mit dem Volkspark schon heute durchaus attraktiv finde. Und dass Stadtwald so nah an die Stadt heranrücken darf, ist für unser Stadtklima auch nicht schlecht. Das ist ein echtes Pfund.
Eine Schlüssel-Immobilie in der Hagener City ist sicherlich der leerstehende Kaufhof. Vordergründig ist es um das Umgestaltungsprojekt sehr still geworden, aber was tut sich hinter den Kulissen?
Beim Thema Kaufhof kann ich von wirklich guten Gesprächen berichten. Der Investor ist ein sehr nachhaltig agierendes Unternehmen, das an dieser Stelle wieder einen städtebaulichen Anziehungspunkt schaffen möchte. Geplant ist eine gemischte Nutzung, die ich im Detail auch noch nicht kenne: Aber es gibt eine ganz konkrete Planung für das Erdgeschoss mit einer Mischung aus attraktivem Einzelhandel und Gastronomie. Darüber ist eine Büronutzung angedacht. Auch die Kubatur des Gebäudes, so zeigen erste Anmutungen, wird sich zugunsten einer attraktiveren Gestaltung verändern. Die Fassade soll ebenfalls ein wirklicher Hingucker werden. Ich gehe zurzeit davon aus, dass das endgültige Konzept noch in diesem Jahr der Öffentlichkeit präsentiert werden kann. Wir unterstützen den Investor, wo wir können, damit hier wieder ein Objekt entsteht, das auch eine gewisse Sogwirkung entwickelt.
Was macht Sie für die übrige Fußgängerzone optimistisch?
Wir brauchen für weitere Impulse in der Innenstadt natürlich die Hausbesitzer. Diese müssen sich dringend überlegen, ob ihre Mieterwartungen tatsächlich noch in die Zeit passen. Hier kann das Projekt des Unternehmervereins sehr hilfreich sein: Hier wird versucht, die Immobilien-Eigener einzubinden und diesen zu erklären, wie Städte sich verändern, sie also zum Umdenken anzuregen. Nur so kann mittelfristig ein Straßenzug wie die Mittelstraße attraktiver werden. Zugleich müssen wir Ideen für andere Nutzungen finden. Natürlich birgt das reichlich Potenzial für Konflikte, wenn wir irgendwann feststellen, dass die Innenstadt kleiner werden muss. Es gibt schließlich immer weniger Menschen, die hier wohnen, und immer weniger Menschen, die im stationären Einzelhandel kaufen. Früher reichte die Einkaufsmeile von „Plaza“ bis zu „B&U“ – das wird nicht wiederkommen.
Alle glauben zu wissen, was nicht geht, aber was führt die Hagener Mitte denn nun konkret in eine bessere Zukunft?
Wir brauchen Inspiration von außen, denn keiner hat heute das Patentrezept für eine Innenstadt der Zukunft. Ich freue mich über jeden Unternehmer, der sich für diese Innenstadt engagiert. Keiner wird diese Stadt allein retten, sondern wir werden gemeinsam Ideen sammeln und uns Beispiele aus anderen Orten anschauen müssen, wo neue Entwicklungen angestoßen wurden. Wahrscheinlich werden wir am Ende zur Kenntnis nehmen müssen, dass andere Funktionen wie Wohnen, Aufenthaltsqualität und Gastro in der Innenstadt künftig eine größere Rolle spielen werden als der reine Einzelhandel. Und natürlich kann dazu auch eine weitere Begrünung, die natürlich immer eine besondere Atmosphäre schafft, gehören. Vielleicht haben wir zuletzt auch zu lange auf Urbanität und zu wenig auf Ökologie geachtet.