Hagen. Ab 2028 ist in Hagen die Fuhrparkbrücke, so ein Gutachter, nicht mehr standsicher. Jetzt gilt es, die ersten Weichen für einen Neubau zu stellen.
Der gewaltige Stahlbeton-Koloss hat womöglich bloß noch vier Jahre Lebenszeit, ab 2028 möchte zumindest der Fachgutachter der Stadt Hagen keine Garantie mehr dafür übernehmen, dass die marode Fuhrparkbrücke nicht urplötzlich zusammenbricht. Vor diesem Hintergrund bringt die Stadt Hagen jetzt in den politischen Gremien einen Grundsatzbeschluss auf den Weg, der die wesentlichen Eckpunkte für einen Neubau des 160 Meter langen Bauwerks, das etwa 30 Gleise der Deutschen Bahn kurz vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof überspannt, festlegt: Demnach wird die neue Brücke so dimensioniert, dass es dort auch in Zukunft keine eigene Busspur gibt und ebenso wenig eine Trasse für eine angedachte Straßenbahn-Option eingeplant wird. Dafür soll die künftige Bahnquerung am Ostende, also an der Einmündung zur Kreuzung Brink-/Alexander-/Freiligrathstraße künftig in einen neu entstehenden Kreisverkehr ohne Ampelregelungen münden. Sollte die Politik diese grundsätzliche Weichenstellung mittragen, möchte Baudezernent Hennig Keune auf dieser Grundlage in die weiteren Gespräche mit der Deutschen Bahn einsteigen.
Bereits für schwere Lkw gesperrt
Schon heute ist die Belastungsgrenze für die Fuhrparkbrücke – das dreiteilige Bauwerk stammt aus dem Jahr 1962 – aufgrund fehlender Standfestigkeit auf 3,5-Tonnen-Fahrzeuge limitiert. Für den Neubau der Brücke mit den markanten Bögen, die aufgrund ihres minderwertigen Stahls laut Gutachter in einem „ungenügenden Zustand“ ist, weil die Spannkonstruktion unbemerkt ausfallen könnte und Stützpfeiler bereits einen Biegebruch absichern, soll in Kürze ein Fachplanungsbüro mit der Projektsteuerung beauftragt werden. Eingedrungenes Salzwasser und minderwertiger Stahl, so hat die Hauptprüfung eines Ingenieurbüros bereits im Jahr 2017 ergeben, schließen eine Sanierung aus. Vor allem die sogenannten Bogenkämpfer, also die Übergangselemente zwischen den Brückenbögen und der Fahrbahn, gelten als kritisch: „Spannstahl kann hier unbemerkt ausfallen“, warnte das Gutachten – im Klartext: Einsturzgefahr ohne Vorwarnung. Als eine Akutmaßnahme wurde unter der Bogenbrücke neben dem Gewichtslimit obendrein an der Ostseite ein provisorischer Stützpfeiler errichtet, der einen Biegebruch des Bauwerks nicht bloß anzeigen soll, sondern im Akutfall sogar auffangen kann. Sollte es tatsächlich zu einem Absacken der Brücke kommen, müsste nicht bloß der Straßen-, sondern auch der gesamte Zugverkehr sofort gestoppt werden. Der Hagener Hauptbahnhof würde über Nacht zur Gleissackgasse verkommen.
Gutachten liegt längst nicht vor
Die Fuhrparkbrücke gilt als eine wichtige Verbindungsachse zwischen Eckesey und Altenhagen und zugleich als Hauptachse in Richtung Autobahnzubringer A46 und weiter zum Hagener Kreuz (A45/46). Dennoch sehen die Stadtplaner im Hagener Rathaus keine Notwendigkeit, den Neubau dafür zu nutzen, die Fuhrparkbrücke für eine höhere Verkehrsbelastung, eigene Busspuren oder gar ein Verkehrssystem wie eine Straßenbahn auszulegen. Hierzu soll es eine gutachterliche Untersuchung geben, deren Ergebnisse noch geraume Zeit auf sich warten lassen. Zumal für die planerische Bearbeitung und Weiterentwicklung von einem höherwertigen Bus- oder Straßenbahnsystem im zurzeit zur Beratung anstehenden Doppelhaushalt 2024/25 noch nicht einmal Finanzmittel vorgesehen sind. Dennoch ist Keune davon überzeugt: „Speziell für eine Straßenbahn steht hier für uns keine Verbindungsachse im Raum, zumal auch die Anschlussstraßen hier keinen Platz für ein solches Verkehrssystem bieten.“
Vor diesem Hintergrund kann und darf eine Entscheidung über die künftige Dimensionierung auch nicht länger hinausgezögert werden, weil ansonsten das Bauwerk spätestens 2028 gesperrt werden müsste, ohne Klarheit über einen Neubau zu haben. Der Zeitpunkt, den ausgedünnten Bahnverkehr im Jahr 2026 für einen Abriss zu nutzen, der wegen der Ertüchtigung der ICE-Verbindung Hagen-Köln entsteht, wurde ohnehin schon verpasst – so kurzfristig lassen sich kaum Sperrzeit mit dem Bahn-Riesen vereinbaren. Das Jahr 2027 scheidet für einen Brückenrückbau ohnehin aus, weil in diesem Jahr zahlreiche Ruhrgebietsschienen erneuert werden und somit zusätzliche Verbindungen über Hagen rollen. Somit richten die Planer ihren Fokus auf das Jahr 2028, wenn die ICE-Strecke Hagen-Hamm modernisiert wird und sich somit Sperrpausen in den ohnehin ausgedünnten Fahrplan in Hagen besser eintakten lassen. Nach dem Abriss ist – ebenfalls abhängig von den mit der Bahn abgestimmten Sperrzeiten – eine Neubauphase von etwa anderthalb Jahren angedacht.
Radwege werden zwei Meter breit
Grundsätzlich soll sich also die eigentliche Spurenaufteilung auf der Brücke im Vergleich zum heutigen Zustand kaum verändern: In der Mitte sind zwei Fahrspuren – jeder in eine Richtung – mit einer Breite von jeweils 3,50 Metern angedacht. Davon baulich abgetrennt sollen zudem an beiden Seiten 2,50 Meter breite Fußgängerwege plus davon getrennt zwei Meter breite Radwege entstehen. Diese werden dann an beiden Seiten, also sowohl auf der Alexander- als auch auf der Fuhrparkstraße fortgesetzt. Ob dies auf Kosten von Parkflächen am Fahrbahnrand geschehen wird, soll in einem nächsten Schritt geklärt werden.
Die konkrete technische Planung des Brückenbauwerks befindet sich noch in einer Vorplanungsphase. Dennoch zeichnet sich bereits ab, dass die neue Querung ein paar Meter weiter in Richtung Norden rückt, um geradlinig an die Anschlussstraßen anbinden zu können. Dazu gehört auch ein neuer Kreisverkehr an der Kreuzung neben dem Kaufland-Parkplatz. Dieser wird einen Durchmesser von etwa 30 Metern haben und ist damit so dimensioniert, dass er ohne Beampelung die Verkehrsströme aus vier Himmelsrichtungen (22.000 Fahrzeuge/Tag) aufnehmen kann. Zugleich werden dort auch eigene Querungspunkte für den Radverkehr entstehen. Hierzu muss die Stadt noch etwa 140 Quadratmeter Grund ankaufen, um diese komplett neue Verkehrsführung realisieren zu können.