Hagen. Mit einer Unterschriftensammlung reagieren Bürger auf den Plan, die 110 Jahre alte Roteiche am Hengsteysee in Hagen zu fällen. Und die Politik?

Neues vom Hengsteysee: Der Artikel in der WP über die beschlossene Fällung der 110 Jahre alten, amerikanischen Roteiche am Hengsteysee hat hohe Wellen geschlagen. Die Stadtredaktion Hagen hatte am vergangenen Wochenende berichtet, dass der bekannte Baum abgesägt wird, da sich durch die Roteiche eine Engstelle am Radweg/Spazierweg bilde und so den geplanten Ausbau des Ruhrtalradweges verhindere.

Petition: Unterschriften werden gesammelt

Nun hat die Hagenerin Michaela Willmes, aktiv in der Facebook-Gruppe „Wir sind Hagener, weil…“ eine Petition zur Rettung des Baumes auf den Weg gebracht. Am Donnnerstag, 1. Februar, um 18 Uhr hatten bereits 1050 Personen besagte Petition unterschrieben. „Seit 110 Jahren steht dieser majestätische Baum, der nie jemanden gestört hat, am Ufer. Jetzt soll er gefällt werden. Dies ist für uns unverständlich, und wir sind entschieden dagegen“, betont Michaela Willmes. Und weiter: „Wir fordern daher die Verantwortlichen auf, ihre Pläne zu überdenken und den alten Baum stehen zu lassen.“

Offener Brief an Baudezernent Keune

Und der Allgemeine Deutsche Fahrrad Club Hagen (ADFC) reagiert mit einem offenen Brief an den Bau- und Planungsdezernenten Henning Keune. „Wir wollen hiermit darstellen, dass für den Freizeitweg der Erhalt dieses Baumes für uns wichtiger ist, als schnelles Vorwärtskommen an dieser Stelle“, erläutert Michael Schröder vom ADFC. In dem offenen Brief wird Keune eindringlich gebeten, alles zu ermöglichen, damit dieser schöne alte Baum erhalten bleibt.

Wörtlich: „Sicherlich befindet sich hier eine Engstelle, jedoch besteht diese Situation schon seit Jahren. Der Weg führt dort bereits seit seiner Eröffnung 2006 entlang, ohne, dass dort ein Warnschild aufgestellt wurde. Uns ist auch nichts von einer Unfallhäufung an dieser Stelle bekannt. Gerade weil es sich um eine Fördermaßnahme zur Internationalen Gartenausstellung 2027 handelt, passt eine Baumfällung so gar nicht ins Bild.“

Unfallgefahr an der Engstelle

Rückblick: Hunderte von Kommentaren gingen nach der WP-Berichterstattung in den sozialen Medien ein, und etliche Leserbriefe und Telefonanrufe erreichten die Redaktion. Beinahe jede Stellungnahme zielte in die gleiche Richtung: „Der Baum muss stehen bleiben“, „Die Stadt soll sich eine Alternative überlegen, um den Baum zu retten“, oder „Die von der Stadt beschriebene Unfallgefahr an der Engstelle ist völlig übertrieben“.

Die amerikanische Roteiche am Rundweg am Hengsteysee in Hagen soll gefällt werden. Der Baum bildet eine Engstelle am Radweg / Spazierweg und soll dem Ausbau des Ruhrtalradweges weichen.
Die amerikanische Roteiche am Rundweg am Hengsteysee in Hagen soll gefällt werden. Der Baum bildet eine Engstelle am Radweg / Spazierweg und soll dem Ausbau des Ruhrtalradweges weichen. © WP | Michael Kleinrensing

Wobei kaum ein Kommentator die Pläne der Stadt, das Gebiet am Hengsteysee samt Rundweg aufzuwerten und somit das Freizeitareal für jedermann attraktiver zu gestalten, an sich in Frage stellte. Nur eben nicht auf Kosten eines Baumes, der zahlreichen Hagenerinnen und Hagenern regelrecht ans Herz gewachsen zu sein scheint.

Das bestimmende Thema in der Stadt

Und nach ein paar Tagen? Ist die Empörung in keinster Weise abgeflacht und die Diskussion darüber ad acta gelegt. Noch immer ist die Roteiche das bestimmende Thema in der Stadt und unter den Bürgern. Und auch politische Vertreter melden sich nun zu Wort.

Naturschutzbeirat tadelt die Verwaltung

So hat der Naturschutzbeirat, der am Dienstag, 30.Januar, im Rathaus in Hagen-Hohenlimburg tagte, eine Pressemitteilung verfasst, in dem die Mitglieder „die Verwaltung bei der Planung des Ruhrtalweges tadelt“. Wörtlich heißt es:

„Die Sitzung des Naturschutzbeirats brachte eine klare Position hervor: Der Beirat spricht sich entschieden für den Erhalt der Amerikanischen Roteiche entlang des Ruhrtalradwegs aus. Dieser Standpunkt wurde nicht zum ersten Mal vorgetragen. Unter dem ehemaligen Vorsitzenden Willi Bögemann hat der Beirat bereits mehrfach auf die Notwendigkeit hingewiesen, den Radweg zu verlegen, um das hohe Konfliktpotenzial auf dem geplanten Ruhrtalradweg zu vermindern und den hohen Erhaltungswert des Baumes zu respektieren.“

Roteichen wie diese am Hengsteysee in Hagen können 400 Jahre alt werden.
Roteichen wie diese am Hengsteysee in Hagen können 400 Jahre alt werden. © Hagen | Yvonne Hinz

Fakt sei jedoch, dass die Verwaltung diesen Hinweisen nicht nur einmal, sondern wiederholt ignorant gegenübergestanden hätte. Die Mitglieder weiter: „Trotz sinnvoller Empfehlungen durch den Naturschutzbeirat wurde die an sich optimale Lösung einfach nicht in die Planungen mit einbezogen.“ Die Entscheidung des Beirats, sich gegen die geplante Fällung der amerikanischen Roteiche zu stellen, basiere auf dem klaren Missverhältnis zwischen den vom Beirat vorgeschlagenen alternativen Routen und den bisherigen Planungen der Verwaltung.

„Trotz sinnvoller Empfehlungen durch den Naturschutzbeirat wurde die an sich optimale Lösung einfach nicht in die Planungen mit einbezogen.
Antje Selter - Vorsitzende des Naturschutzbeirates der Stadt Hagen

Besonders im Kontext der prognostizierten 2500 Fahrradfahrern pro Tag und dem geplanten Beachclub, den der Radweg durchqueren solle, sähe der Naturschutzbeirat ein enormes Konfliktpotenzial zwischen den verschiedenen Nutzergruppen. Das Gremium fordere nachdrücklich, dass diese Einwände ernst genommen und in die weiteren Planungen integriert würden.

Kein zweites Hohenhof-Desaster

Auch Antje Selter, die Vorsitzende des Naturschutzbeirates der Stadt Hagen, äußert sich im Gespräch mit unserer Zeitung entsetzt über die „unsensible Herangehensweise der Stadt an dieses Thema“. Es dürfe kein zweites Hohenhof-Desaster geben. Damit spielt Antje Selter auf die Baumfäll-Aktion vor zwei Jahren Am Stirnband in Eppenhausen an.

Die Stadt Hagen hatte damals am Hohenhof alte und wertvolle Bäume, darunter ein 160 Jahre alter Mammutbaum, fällen lassen, ohne davon im Vorfeld die Öffentlichkeit oder die politischen Gremien in Kenntnis zu setzen. Die Anwohner in Eppenhausen und Bürger in ganz Hagen zeigten sich empört und aufgebracht über das Verhalten der Verwaltung und den Kahlschlag rund um die historische Villa Hohenhof.

Maßnahme wird mit 1,5 Millionen Euro gefördert

Seit Januar liegt der Stadt der Bescheid über die Förderung der Maßnahme „Qualifizierung des Ruhrtalradweges am Hengsteysee in Hagen im Zuge der IGA 2027“ vor.

Mit einer Fördersumme von knapp 1,5 Millionen Euro (1 490. 000 Euro) erhält der 900 Meter lange Abschnitt des Ruhrtalradweges zwischen Laufwasserkraftwerk und DLRG am Südufer des Hengsteysees eine getrennte Wegeführung für Fußgänger und Radfahrer, ferner drei neue Rastplätze sowie eine weitestgehend neue Wegedecke.

Aber zurück zum Hengsteysee: Ähnlich wie Antje Selter hatte auch Heike Heuer, Ratsmitglied der Grünen und Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Beschäftigung und Wirtschaft, reagiert, als die WP vor der Berichterstattung über die Fäll-Absichten der Stadt mit ihr gesprochen hatte. Auch Heike Heuer war im wahrsten Sinne des Wortes „auf dem Baum“ und erinnerte sich sofort schmerzlich „an das Fehlverhalten der Verwaltung am Hohenhof“.

Der Baum steht seit einer Ewigkeit in der Mitte des Weges.
Der Baum steht seit einer Ewigkeit in der Mitte des Weges. © WP | Michael Kleinrensing

Stadtbildprägender Baum

Sie hoffe nun, dass sich solch ein Drama nicht wiederholen würde. Über den „aktuellen Fall“, also die Entscheidung, dass die amerikanische Roteiche im Zuge der Entwicklung des Seeparks gefällt wird, ist die Ratsfrau entsetzt und unterstreicht: „Der Baum ist erhaltenswert und stadtbildprägend. Die Hagener lieben den Baum.“

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Ihre Partei, also die Grünen, werde das Thema „Zukunft der Roteiche“ auf jeden Fall im Umweltausschuss am Dienstag, 6. Februar, um 16 Uhr im Rathaus an der Volme noch einmal aufgreifen, „es müssen doch wirklich alle Möglichkeiten zur Rettung des Baumes geprüft werden“.

„Der Baum ist erhaltenswert und stadtbildprägend. Die Hagener lieben den Baum.
Heike Heuer - Ratsmitglied der Grünen und Mitglied im Ausschuss für Stadtentwicklung, Beschäftigung und Wirtschaft

Emster Naturfreund fordert „Pflegen statt sägen“

Auch einzelne, „ganz normale“ Bürgerinnen und Bürger haue die Absicht der Stadt, die Roteiche zu fällen, schlichtweg um, versichert der Redaktion ein engagierter Naturfreund aus Emst. Auch ihm selbst sei „sofort der Kamm geschwollen“, als er den Bericht in der WP gelesen habe. Und weiter: „Im Moment überlege ich noch, was man als Bürger gegen die geplante Fällung unternehmen kann.“ Unter dem Motto „Erhalten statt fällen“ oder „Pflegen statt sägen“ werde er sich auf jeden Fall etwas einfallen lassen, um möglichst viele Spaziergänger und Radfahrer auf die drohende Gefahr der radikalen Fällung aufmerksam zu machen.