Hagen. Der Hagener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg fordert weitere Anstrengungen bei der Schaffung neuer Kita-Plätze in Hagen ein.

Die anhaltend unzureichende Versorgung mit Kindertagesstättenplätzen in Hagen treibt Wolfgang Jörg die Sorgenfalten auf die Stirn. „Unser Pfund sind die Kinder, und wir haben noch immer eine relativ hohe Zahl an Geburten in Hagen“, betont der SPD-Landtagsabgeordnete, der unter der schwarz-grünen NRW-Landesregierung noch immer dem Ausschuss für Familie, Kinder und Jugend im Landtag vorsitzt. „Wir müssen uns in dieser Stadt noch viel intensiver darum kümmern, dass diese kleinen Persönlichkeiten anständig in unserer Gesellschaft ankommen. Die Herkunft spielt dabei überhaupt keine Rolle – diese Kinder bleiben erst einmal hier“, will Jörg den Verantwortlichen im Rathaus das ernsthafte Bemühen gar nicht absprechen. Allerdings fehlten weiterhin die durchschlagenden Erfolge.

Die Stadt gab sich hier zuletzt durchaus selbstkritisch: Im U3-Bereich (34,2 Prozent) fehlen in diesem Jahr weiterhin 219 Plätze, um die bereits vor elf Jahren beschlossene Betreuungsquote von 38 Prozent zu erreichen. Bei den Drei- bis Sechsjährigen reißt Hagen mit 88,9 Prozent selbst die 90-Prozent-Marke, hier fehlen sogar 562 Betreuungsplätze. Und aufgrund von baulichen Aktivitäten – das zeichnet sich schon heute ab – wird 2024 kein einziger Platz hinzukommen. Zum Vergleich: In der Nachbarstadt Dortmund liegt die U3-Versorgung zurzeit schon bei 38,9 Prozent und soll bis 2025 auf 50 Prozent hochgefahren werden, im Ü3-Bereich sind dort sogar 95,8 Prozent der Kinder mit Plätzen versorgt.

Versorgung deutlich zu gering

Weitere alarmierende Fakten: Bei den Unter-Dreijährigen sind laut einer Bertelsmann-Studie NRW-weit knapp 30 Prozent in einer Kindertagesbetreuung, tatsächlich wünschen sich aber 48 Prozent der Eltern einen Platz. Bei den Jungen und Mädchen ab drei Jahren liege die landesweite Betreuungsquote bei 91 Prozent, der Bedarf liege aber bei 95 Prozent. Seit 2013 gilt der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem vollendeten ersten Lebensjahr, für Kinder ab drei Jahren besteht er schon seit 1996, also seit fast drei Jahrzehnten. „Es ist ein Armutszeugnis, dass zehn Jahre nach Einführung des Rechtsanspruchs auf frühkindliche Bildung, Betreuung und Erziehung noch immer nicht für jedes Kind ein Platz in einer Kita angeboten werden kann“, ordnete die Sozialvorständin der Diakonie Deutschland, Maria Loheide, die Bertelsmann-Zahlen ein.

Die Elementarbildung ist das wichtigste Glied in der Bildungskette.
Wolfgang Jörg

„Dabei ist die Elementarbildung das wichtigste Glied in der Bildungskette“, erinnert Wolfgang Jörg daran, dass gerade beim Thema Sprachentwicklung der Nachwuchs etwa ab dem 18. Lebensmonat am empfänglichsten sei, „dann muss es aber auch genügend Erziehrinnen und Erzieher geben, die sich in den Kitas intensiv mit den Kleinen beschäftigen können. Denn spätestens ab dem zweiten Schuljahr schließt sich die Tür der Sprachentwicklung allmählich wieder – die Zeit zuvor müssen wir also als Chance nutzen, weil die Schule das Versäumte im Anschluss kaum mehr auffangen kann.“

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Die angespannte Situation bei den Kitas in Hagen nervt jedoch nicht bloß die Politik sowie die Eltern, sondern sorgt auch bei den Verantwortlichen bei der Stadt für Unzufriedenheit, würdigt der Landespolitiker ausdrücklich das Bemühen von Sozialdezernentin Martina Soddemann und ihrem Team. Dennoch gilt weiterhin: Die Zuwanderungs- und Flüchtlingswelle sorgt dafür, dass die Verwaltung gar nicht so schnell neu bauen kann, wie die Plätze erforderlich sind. Außerdem fehlen vor allen in der Innenstadt die notwendigen Baugrundstücke. „Ich glaube, dass in keiner Amtszeit eines Oberbürgermeisters jemals so viele Kitas gebaut wurden“, stellte Erik O. Schulz bereits vor etwa einem Jahr fest. Zuletzt konnte er zwar im Sonner 2023 die achtgruppige städtische Kita mit 145 Plätzen an der Lange Straße in Wehringhausen eröffnen, doch auch dort betonte er, dass das Thema weiter höchste Priorität genießen müsse. Das Hauptproblem bleibe, dass in der Innenstadt keine Flächen zur Verfügung stünden.

Mangel an Geld und Personal

NRW-weit fehlen mehr als 100.000 Betreuungsplätze, legte Ende 2023 das „Ländermonitoring Frühkindliche Bildungssysteme“ der Bertelsmann-Stiftung offen. Hinzu kommt, dass sich die Suche nach einem freien Kita-Platz sogar noch weiter verschärfen könnte, denn den Kita-Trägern abseits der Kommunen fehlt aktuell das Geld vor allem für Personal. Deshalb spielen manche Träger wie beispielsweise die Kirchen oder auch Arbeiterwohlfahrt, DRK und Diakonie notgedrungen mit dem Gedanken, die Gruppen in ihren Einrichtungen zu verkleinern oder gar ganz zu schließen.

Die Kita-Versorgung in Hagen lässt zu wünschen übrig. Es fehlen Plätze und neue Kitas werden 2024 nicht fertig.
Die Kita-Versorgung in Hagen lässt zu wünschen übrig. Es fehlen Plätze und neue Kitas werden 2024 nicht fertig. © Deutsche Presse-Agentur GmbH | Monika Skolimowska

„Ich kann es nicht verstehen, warum SIHK-Hauptgeschäftsführer Ralf Geruschkat zum Bildungsdilemma in dieser Stadt keine Meinung hat. Von diesen Defiziten sind die Händler und Betriebe doch unmittelbar betroffen“, wunderte sich zuletzt SPD-Ratsfraktionsvize Werner König, dass die Wirtschaft sich zu diesen sozialpolitischen Vorgängen in der Stadt ebenso wie der Deutsche Gewerkschaftsbund in Schweigen hülle.

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Der Hagener Landtagsabgeordnete Wolfgang Jörg wirft OB Schulz vor, dass dieser zwar immer wieder verbal deutlich mache, dass das Kita-Thema absolute Priorität genieße, aber viel zu wenige Taten folgen lasse: „Was verbindet er damit? Was hat sich verändert? Wo wird das sichtbar?“, spricht der Genosse von einer „Katastrophe“. Angesichts der schwierigen Situation im gesamten Land fordert der Fachpolitiker einen Kita-Gipfel ein: „NRW benötigt sofort ein Kita-Rettungspaket, erwartet er hier ein Budget von einer halben Milliarde Euro. „Ohne eine bessere Finanzsituation insbesondere finanzschwacher Kommunen droht, die Lage der Kitas und damit die Bildungschancen unsere Kinder und die Betreuungssituation der Eltern sich weiter zu verschlechtern“, sieht er vor allem soziale Gefahren für Städte wie Hagen, die weiterhin ohne Altschuldenlösung, Stärkungspaktmittel und Anschlussfinanzierung für das Gute-Schule-2020-Paket auskommen müssten.