Hagen. Trotz Steuererhöhungen und Angebotskürzungen: Hagen versinkt weiter im Schuldensumpf. Der Kämmerer legt den Etat 2024/25 vor.
Dieser Nackenschlag kommt mit Ansage: Pünktlich zum Weihnachtsfest beschert der Kämmerer den Bürgern angesichts leerer Kassen neue Steuererhöhungen und weitere Kürzungen. Diese sollen in den nächsten fünf Jahre für eine Entlastung von jeweils gut 30 Millionen Euro sorgen.
Trotz dieser Maßnahmen lässt es sich nicht vermeiden, dass Hagen in den nächsten drei Jahren noch tiefer im Schuldensumpf versinkt: „Die Luft wird nicht nur dünner, sie ist raus“, musste Christoph Gerbersmann nach Jahren der leichten Entspannung dem Rat am Donnerstag bei der Einbringung des Doppelhaushaltes 2024/25 eröffnen. „Durch massiv gestiegene Aufgaben und Ausgaben gelingt es trotz guter Einnahmen nicht mehr, den Haushalt auszugleichen. Wir kommen ohne neue Defizite und eine deutliche Neuverschuldung nicht mehr aus.“ Das Finanzloch wird in den nächsten drei Jahren absehbar um etwa 41,7 Millionen Euro tiefer.
„Ohne klare Prioritäten und kurzfristig wirksame eigene Konsolidierungsmaßnahmen droht die Lage mit massiver Neuverschuldung und Handlungsunfähigkeit außer Kontrolle zu geraten“, appellierte der Finanzdezernent eindringlich an die Politik, akut das Steuer herumzureißen und somit eine lähmende Nothaushaltskonstellation sowie eine erneute Fremdbestimmung durch die Kommunalaufsicht wie in den 2000er-Jahren zu vermeiden.
Zuletzt konnte diese dramatische Entwicklung nach den Stärkungspakt-Hilfen immer wieder abgewendet werden, weil Ausgaben über die Corona- und Ukrainekrieg-Bilanzierungshilfen aus dem aktuellen Zahlenwerk ausgelagert werden durften. Diese Möglichkeit bricht ab sofort weg, sodass selbst Rekord-Gewerbesteuereinnahmen (157 Millionen Euro im Jahr 2023) einen Ausgleich des Haushaltes nicht mehr ermöglichen.
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Gesetz schafft neue Spielräume
Dass Hagen überhaupt wieder neue Schulden auftürmen darf, ist letztlich einer aktuellen Gesetzesänderung zu verdanken. Diese besagt, dass der Etat einer überschuldeten Kommune trotz aktueller neuer Defizite genehmigungsfähig ist, wenn die mittelfristige Finanzplanung aufzeigt, dass spätestens nach zehn Jahren der Haushaltsausgleich wieder gelingt.
„Daher sind kurzfristig wirksame Konsolidierungsmaßnahmen unvermeidlich, um die Neuverschuldung wirksam zu begrenzen“, mahnte Gerbersmann: „Wir dürfen die Erfolge der Vorjahre jetzt nicht riskieren, nur weil wir uns nicht trauen, ein neues Haushaltssicherungskonzept (HSK) aufzulegen – das ist nicht verantwortbar. Wir müssen jetzt schon was tun, um die Situation nicht völlig aus dem Ruder laufen zu lassen.“
Das neue HSK trifft alle Bürger mit Wucht: Die Erhöhung der Grundsteuer um 140 Prozentpunkte auf künftig 890 Punkte katapultiert Hagen in die absolute NRW-Spitzengruppe. Dies bekommen alle Hausbesitzer und Mieter direkt im Geldbeutel zu spüren. Ähnliches gilt für die Betriebe angesichts der geplanten Gewerbesteuererhöhung um 10 Punkte auf künftig 530 Punkte. Gerbersmann erinnerte an dieser Stelle daran, dass an diesen Stellschrauben seit 2013 nicht mehr gedreht worden sei: „Man zeige mir die Firma, die die Entwicklungen der vergangenen Jahre ohne Preissteigerungen aufgefangen hat. Dass das nicht gut ist, weiß ich natürlich auch.“
Parallel werden – außer in den Bereichen Kita, Bildung, Rettungsdienst, Sozialleistungen und Flüchtlinge – in Form von etwa 50 Einzelmaßnahmen die Sachkosten im Rathaus um jährlich etwa acht Millionen Euro reduziert. Ein ähnliches Volumen soll bei den Personalkosten erzielt werden: „Die Wiederbesetzungssperre von sechs Monaten wird mit aller Konsequenz durchgezogen und wir werden jede Stellenneubesetzung im Verwaltungsvorstand zum Thema machen“, kündigte der Kämmerer an.
Zudem wird es jährliche Kürzungen von 500.000 Euro bei Theater und Orchester geben, die Ausschüttung des Wirtschaftsbetriebes Hagen wird um 2,5 Millionen erhöht, und auch von der Enervie AG wird eine höhere Dividende-Ausschüttung in den nächsten fünf Jahren fest eingefordert. Obendrein müssen beispielsweise Kita-Eltern damit leben, dass die Gebühren künftig wieder jährlich um zwei Prozent angehoben werden.
Minus wird in sieben Jahren aufgefangen
Auf dieser Grundlage glaubt Gerbersmann, bei „vertretbar optimistischer Haushaltsplanung“ mittelfristig wieder schwarze Zahlen schreiben zu können. Nach einem Minus in 2024 von 12,7 Millionen Euro sowie 19,1 Millionen in 2025 soll nach einem weiteren Minus 2026 in Höhe von 9,9 Millionen ab 2027 wieder ein leichtes Plus (2,7 Mio.) erwirtschaftet werden. Allerdings wird es absehbar sieben Jahre dauern, bis das 41,7-Millionen-Euro-Minus der kommenden drei Jahre wieder aufgefangen ist. „Politik und Verwaltung müssen jetzt echte Prioritäten setzen“, appellierte der Finanzdezernent im Rat an die Haushaltsdisziplin: „Unterjährig auftauchende neue Aufgaben sind nur möglich, wenn an anderer Stelle Einsparungen angegangen werden.“
Naturgemäß wird Gerbersmann nicht müde, an Bund und Land zu appellieren, endlich ihre Zusagen einzulösen und Städte wie Hagen von ihren Altschulden zu entlasten, die ständig steigenden Soziallasten mitzutragen und die Aufgaben der Kommunen mit ausreichenden Finanzmitteln auszustatten: „Ohne eine solche Hilfe fehlt Hagen die finanzielle Perspektive und die grundgesetzlich garantierte Gleichheit der Lebensverhältnisse geht weiter verloren.“
Je nach Fortgang der Haushaltsberatungen durch die Politik geht der Verwaltungsvorstand davon aus, dass der Rat nach der Osterpause den Doppelhaushalt 2024/25 beschließt. Dann könnte die Genehmigung durch die Kommunalaufsicht noch vor der Sommerpause erfolgen, andernfalls vermutlich erst nach den großen Ferien.