Mülheim/Essen. Die Planungen für einen städtebaulichen Wettbewerb zur Bebauung am Flughafen Essen-Mülheim laufen. Dabei sorgen Gutachter für Überraschungen.

Mit einem Paukenschlag geht Mülheims Stadtverwaltung in den nächsten Planungsausschuss des Stadtrates: Eine groß angelegte Bebauung des 140 Hektar großen Flughafen-Areals soll bei Gutachtern weitaus weniger Skepsis hervorgerufen haben als von vielen prognostiziert.

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Die Masterplanung für eine mögliche Nachnutzung des Flughafengeländes soll im kommenden Jahr auf die Zielgerade gebracht werden; Ende 2021 soll der Masterplan vorliegen . Laut Bericht der Mülheimer Verwaltung sollen die Stadträte in Essen und Mülheim in der ersten Ratssitzung des neuen Jahres einen Aufruf und die Auslobung eines städtebaulichen Wettbewerbs freigeben. Am Wettbewerb sollen sich bis zu 14 Arbeitsgemeinschaften beteiligen können. Sie sollen Konzepte erarbeiten, die sowohl den Städtebau als auch die Freiraum-Planung auf dem Gelände beinhalten. Begleitet werden soll der Wettbewerb durch zwei Bürgerforen.

In einer Werkstatt waren drei Ideenskizzen für eine mögliche Bebauung entstanden

In einem von fachlicher Expertise begleiteten Werkstattverfahren unter Beteiligung von Verwaltungen und Politik beider Städte waren bereits Anfang 2018 drei Ideenskizzen für eine künftige Flughafen-Bebauung entstanden. Im Maximum war dabei die Vision entwickelt worden, dass das kleine Raadt gar um 7000 neue Bewohner und 2000 neue Arbeitsplätze wächst – bei Aufgabe des Flugbetriebs. In einer anderen Variante wird eine Entwicklung mit Flugbetrieb skizziert. Vorgabe für Skizze 3 war, möglichst viel, nämlich 60 Prozent, Grünfläche zu erhalten.

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Ob und wie diese Skizzen in den anstehenden Wettbewerb gegeben werden, müssen die Stadträte in Essen und Mülheim noch entscheiden. Zur Vorberatung ist eine gemeinsame Sitzung der Planungsausschüsse beider Städte geplant.

Widerstreitende Gutachter-Aussagen zu klimatischen Auswirkungen

Die drei Werkstatt-Skizzen

Szenario 1: Je ein Drittel des Areals wird für Wohnen, Gewerbe und Natur genutzt, der Flughafenbetrieb 2034 eingestellt. Um die heutige Landebahn, die als grüne Schneise mit zentralem Quartiersplatz dienen soll, sollen Wohnraum für rund 7000 neue Menschen und 2000 Arbeitsplätze geschaffen werden.

Szenario 2: Eine Entwicklung mit Flughafenbetrieb über das Jahr 2034 hinaus. Der Flughafen soll sich auf kleinerer Fläche im Nordosten des Areals konzentrieren, von Nord nach Süd ist eine gestaffelte Bebauung angedacht – mit kleinteiliger Bebauung am Rande von Raadt sowie größeren Wohn- und Gewerbebauten im Süden des Areals.

Szenario 3: Eine Entwicklung, die das Grün in den Mittelpunkt stellt. Drei Bauabschnitte nördlich der heutigen Landebahn soll es geben, von grünen Freiräumen umsäumt und von Süd nach Nord auffächernd. Maximal 40 Prozent der Fläche sollen demnach bebaut werden.

Klar ist nun, dass man mit widerstreitenden Gutachter-Aussagen in den Wettbewerb gehen wird. Nach langem Warten hat Mülheims Verwaltung nun verkündet, dass sämtliche Gutachten für eine mögliche Flächenentwicklung vorliegen. Insbesondere das neuerliche Klima-Gutachten lässt aufhorchen.

Es kommt laut Mülheims Planungsverwaltung doch zu dem überraschenden Schluss, dass durch eine Bebauung „keine signifikanten Beeinträchtigungen der klimaökologischen Situation zu erwarten sind“ – weder für die Kaltluftzufuhr über das Rumbachtal in Mülheims Innenstadt noch für die „thermisch belasteten Stadtstrukturen Essens“.

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Noch 2018 hatte ein Klima-Gutachten der Firma „K.Plan“ gewarnt: Mit einer üppigen Bebauung auf 30 Hektar Land im Nordosten des Flughafen-Areals drohe man die Kaltluftzufuhr zum Rumbachtal abzuschneiden. 36 Millionen Kubikmeter Kaltluft könnten verloren gehen für den Frischluftkanal, der schon heute nur noch an den östlichen Rand der Innenstadt heranreiche.

Mülheims Planungsdezernent hält eine XXL-Bebauung für unsinnig

Mit Verweis auf jenes Gutachten hatte Planungsdezernent Peter Vermeulen schon damals eine XXL-Bebauung am Flughafen als unrealistisch eingestuft . Seine Skepsis wiederholte er am Mittwoch im Gespräch mit dieser Redaktion: „Es macht aus meiner Sicht keinen Sinn, dort in einer solchen Größenordnung zu bauen. Man sollte lieber den Freiraum lassen, sagte er mit Blick auf die Werkstatt-Skizzen.

So haben Teilnehmer der Werkstattgespräche 2018 die Zukunft des Flughafens skizziert.
So haben Teilnehmer der Werkstattgespräche 2018 die Zukunft des Flughafens skizziert. © WNM | FFS

Spannend wird sein, wie sich Mülheims designierte Ratskoalition aus CDU und Grünen zu dem von der EU geförderten städtebaulichen Wettbewerb positioniert. Die Grünen hatten unlängst noch einmal bekräftigt, dass für sie eine Bebauung maximal entlang der Brunshofstraße denkbar sei . Mit dem Scheitern eines umfassenden Wirtschaftsflächenkonzeptes war eine großflächigere Entwicklung am Flughafen zumindest nicht ausgeschlossen worden.

Gutachter empfehlen neue, städteübergreifende Straßenbahn-Verbindungen

Noch einmal zurück zu den vier Gutachten (Entwässerung, Stadtklima, Mobilität, Wirtschaft), die noch nicht veröffentlicht, deren Kernaussagen aber im aktuellen Bericht der Verwaltung zusammengefasst werden: Keines formuliert demnach Totschlagargumente gegen ein neues, groß dimensioniertes Stadtquartier mit Gewerbeanteil.

Bemerkenswert die Quintessenz, die die Verwaltung aus dem Mobilitätsgutachten zieht. Da heißt es, eine Anbindung des neuen Quartiers an einen leistungsstarken ÖPNV sei zwingend erforderlich. Die Gutachter empfehlen eine Straßenbahnlinie zwischen der Essener Messe und Mülheims Innenstadt, wie seit Jahrzehnten im Regionalplan verankert, vor Jahren aber durch die illegale Stilllegung des Mülheimer Flughafen-Astes der Linie 104 konterkariert . Außerdem empfohlen: eine Straßenbahnverbindung zwischen Flughafen-Quartier und S-Bahnhof Kettwig.

Auch dazu hat Mülheims Planungsdezernent eine klare Meinung: „Man muss das Gutachten so lesen: Dort wird aufgezeigt, was man machen könnte, wenn man denn wollte. Aber will man mit der Straßenbahn durch die Pampa fahren?“

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