Gladbeck. Was sich in Gladbeck in einem Reporterleben alles verändert hat. WAZ-Redakteur Georg Meinert blickt auf 46 Jahre journalistische Arbeit zurück.

Während eines Reporterlebens kann sich die Welt ganz schön verändern – auch die kleine in Gladbeck. Als ich vor 46 Jahren zum ersten Mal Stift und Block in die Hand nahm, um ins örtliche Journalistenleben einzutauchen, war, gut ein Jahr nach dem erkämpften Glabotki-Aus, Wolfgang Röken junger Oberbürgermeister der Stadt, später Bürgermeister. Immer mehr RE-Kennzeichen (auch am ersten eigenen R4) verrieten, dass Gladbeck nun zum fernen Kreis Recklinghausen gehörte. Und im Rathaus herrschte unangefochten mit absoluter Mehrheit die SPD.

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Durch die Stadt fuhren noch die Straßenbahnen, am Rathaus gab es innerstädtisch den größten Verkehrsknotenpunkt. Einkaufsmagnete waren Karstadt, Schönhoff (kurz drauf P&C) und Bieker sowie gleich drei Möbelhäuser: Janes, Terhardt und Kretschmer. Damen kleideten sich bei Hansen, Männer bei Rebbelmund ein. Kaffee und Kuchen genoss man im Café Siebeck, das Pils ließ man sich in Hellenbroichs Keller oder bei Atta Vennemann schmecken. Größter Veranstaltungssaal war das Kolpinghaus.

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Das Kulturzentrum mit Bücherei und Stadthalle erwies sich als Volltreffer

Nach den lähmenden Glabotki-Jahren entwickelte sich die Stadt plötzlich rasant weiter und erlebte eine wahre Blütezeit: Bei der Innenstadtsanierung entstanden Goetheplatz und Busbahnhof Oberhof, wurden City- und Glückauf-Center gebaut, die Straßenbahn wurde aus der Fußgängerzone verbannt. Mit der vierspurigen Wilhelmstraße entstand eine Achse des angedachten Tangentenvierecks um die City. Eine andere endete als Torso: Die Brücke zwischen Humboldtstraße und Buerscher Straße war als Teil der Nordtangente gedacht, blieb aber unvollendet und war bislang Gladbecks teuerster Parkplatz.

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Später folgten das Kulturzentrum mit Bücherei und Stadthalle – beides Volltreffer, was man vom Bürgerhaus Ost, das etwa zur gleichen Zeit entstand, nicht unbedingt sagen kann. Ein Flop jener Jahre war vor allem die Markthalle, die den alten Marktplatz zerstörte und nach nur wenigen Jahren zu Recht rückabgewickelt wurde – ein beispielloser städtebaulicher Vorgang, der haften bleibt.

Wirtschaftlich bleibt das heftig umkämpfte Aus des Siemenswerkes 1991 in Erinnerung – einst gefeiert als Beispiel für gelungene Umstrukturierung, dann selbst Opfer struktureller Anpassungen. Die Proteste gegen den Weltkonzern schweißten Gladbeck, wie selten erlebt, zusammen. Höhepunkte: Ein zuvor nie erlebter Fackelzug samt Demo am Rathaus und eine lautstarke, von mir miterlebte Demo vor der Siemens-Zentrale in München – nur, der Protest nutzte am Ende nichts. Auch der jahrelange Niedergang des Textilunternehmens Buschfort, einst ein Aushängeschild der heimischen Wirtschaft, schmerzt beim Blick zurück.

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Im Gedächtnis bleibt ebenso die Unternehmerlegende Heinz Hölter, der frühe Pionier in Sachen Umwelttechnologie, der die Stadt und viele Mitarbeiter lange mit seinen Ideen faszinierte, sich am Ende aber übernahm. Gehalten hat sich dagegen seit 1995 das Innovationszentrum Wiesenbusch, oft belächelt, aber im Stillen durchaus erfolgreich und Startplatz schon vieler Unternehmensgründungen. Damals wie heute bilden indes Rockwool, Flachglas und die Phenolchemie verlässlich das Rückgrat der Gladbecker Wirtschaft – was hoffentlich so bleiben wird.

Heftig diskutiert: das Windrad auf der Mottbruchhalde in Gladbeck-Brauck.
Heftig diskutiert: das Windrad auf der Mottbruchhalde in Gladbeck-Brauck. © www.blossey.eu / FUNKE Foto Services | Hans Blossey

An Schlagzeilen anderer Art, die Gladbeck Ende der 80er Jahre in den Blickpunkt rückten, war ich nicht beteiligt: Während Journalisten aus aller Herren Länder nach Gladbeck strömten, „verpasste“ ich das Geiseldrama seinerzeit im Urlaub, hielt mich aber dennoch per Deutscher Welle in fernen Landen auf dem Laufenden. Apropos Radio: Unvergesslich wird das Konzert „WDR 2 für eine Stadt“ im September 2016 mit 25.000 Besuchern in Wittringen bleiben – das größte Konzert in der Geschichte der Stadt!

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In den letzten Jahren begleitete mich vor allem ein brisantes politisches Thema: das Hin und Her um den geplanten Ausbau der B 224 zur A 52, der erwartungsgemäß nach wie vor auf sich warten lässt. Von anderer journalistischer Qualität war der Skandal um die „Rolf-Schlegel-Affäre“, der das politische Gladbeck 2013 erschütterte, die Stadt für Wochen in Atem hielt und auch überregional für Schlagzeilen sorgte. Brisant war ebenso nach heftigem politischen Streit das unrühmliche Ende des Lutherforums 2018, das zehn Jahre überaus erfolgreich existierte und Gladbecks Renommee entschieden zu Gute kam.

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Aber auch das lang ersehnte „Verschwinden“ der größten Schrottimmobilien(bis auf die des Erlenkrugs), der heftig umkämpfte, inzwischen aber akzeptierte Bau des Mega-Windrads auf der Mottbruchhalde sowie die Restrukturierung der Stadtkirchen mit dem Abriss vieler Gotteshäuser stießen auf mein journalistisches Interesse. Auch wenn ich jetzt Stift und Block (immer noch kein Tablet!) an die Seite lege – Gladbeck wird auch in Zukunft Stadtreportern viele Themen bieten.

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