Essen. In Borbeck gab es immer Bürger, die die Eigenarten des Essener Nordwestens wachhielten. Andreas Koerner, der viele Jahre die örtliche Bibliothek leitete, ist so etwas wie das Borbecker Gedächtnis. Folge 42 unserer Stadtteil-Serie “60 Minuten in...“.
Andreas Koerner steht am Rande des Borbecker Marktplatzes und blickt Richtung Bahnhof. Auf der Rückseite befindet sich der Busbahnhof. Und dann gibt es da noch die Fahrradtrasse. „Borbeck ist zentral gelegen und gut angebunden“, sagt der 73-Jährige. Seit 1969 wohnt er in Essen, 1970 zog er der Liebe wegen nach Borbeck (zur Bildergalerie).
Geschichte ist das Steckenpferd von Andreas Koerner, der von 1984 bis 2008 die Stadtteilbibliothek leitete. Einen Text- und einen Bildband hat er selbst verfasst: „Zwischen Schloss und Schloten“ und „Essen-Borbeck“. Den Kultur-Historischen Verein hat er mitgegründet. Da wundert es nicht, dass Zeugnisse der Geschichte Borbecks, das 869 erstmals erwähnt wurde, den Unruheständler besonders interessieren. Und die gibt es beim Gang durch Borbeck-Mitte reichlich. Mal hält Andreas Koerner einen an, den Blick zu senken, um die Stolpersteine, die an jüdische Nazi-Opfer erinnern, nicht zu übersehen. Auf das Schild an der Säule eines Hauses („Borbecker Maschinenfabrik und Gießerei“) weist er mich ebenso hin. „Die Firma stellte Bäckereimaschinen und Backöfen her“, weiß er zu berichten. Ein anderes Mal muss ich den Kopf in den Nacken werfen. „Das Haus gehörte einst einem Mitglied der Feuerwehr-Brigade“, verweist Koerner auf den Sims eines weißen Hauses, auf dem in luftiger Höhe ein Relief mit Feuerwehrmännern zu entdecken ist.
Imposante Dionysiuskirche „ist der Kern Borbecks“
Nicht zu übersehen ist die imposante Dionysiuskirche, deren Fenster in der Sonne zu leuchten scheinen. „Das ist der Kern Borbecks“, erläutert Andreas Koerner. Die Kirche war ursprünglich ein romanischer Bau aus dem 12. Jahrhundert, der im 13. Jahrhundert gotisch erweitert wurde. 1860 wurde das mittelalterliche Gebäude abgerissen. Es war zu klein geworden. Ein Neubau musste her. „Dessen Mittelschiff wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört“, erzählt Koerner. Gleich um die Ecke folgt der nächste Halt, dort wo der Knappenverein 1911 als ein Pilgerziel die Maria-Grotte errichtete. Borbeck, das ist für den 73-Jährigen natürlich auch die Bergbaugeschichte, auch oder gerade weil die Zeche Wolfsbank, die letzte in Borbeck, vor 50 Jahren dicht gemacht wurde und nichts mehr von ihr zu sehen ist.
Der Borbecker Kirchberg
Andreas Koerner ist in Thorn an der Weichsel geboren. Der Wechsel in die Mitte Borbecks klappte reibungslos. „Ich wurde sofort freundlich aufgenommen“. Der Borbecker sei offen, sage, was er will. Und er sei Lokalpatriot. Weniger Lokalpatriotismus als ein Umdenken in der Verwaltung führte dazu, dass Borbecks Mitte heute nicht durch eine vierspurige Straße geteilt wird. Germania-Denkmal und Exerzitienhaus hätten dafür weichen müssen. „Die Verwaltung entschied sich dazu, die Straße über das alte Gelände der Zeche Wolfsbank zu führen“, weiß Andreas Koerner. Froh ist er auch, dass das Gebäude der ehemaligen Kronen-Brauerei nicht der Abrissbirne zum Opfer fiel und durch Wohnungen ersetzt wurde. „Ein Glücksfall.“ Die Dampfbierbrauerei sei zu einem Treffpunkt geworden – nicht nur für die Borbecker.
Fotomotiv und Wahrzeichen Schloss Borbeck
Borbeck-Mitte hat einiges zu bieten. Für Andreas Koerner gehört auch der zweimal stattfindende Wochenmarkt dazu. Beim Kauf von Kartoffeln genießt er es, ein wenig zu klönen.
Borbeck, das ist aber nicht nur die „Mitte“. Das Schloss und seinen etwa 42 Hektar großen Park bezeichnet Andreas Koerner als „Kölner Dom der Borbecker“. „Die Wege kann man gut schlendern. Sie sind bei den Borbeckern sehr beliebt.“
Das Schloss selbst ist nicht so wuchtig wie der Dom, aber wohl das meist fotografierte Motiv im Stadtteil. Die Umrisse des Schlosses seien so etwas wie das Wahrzeichen von Borbeck. Und ein geschichtsträchtiger Ort erster Güte. „Ich erinnere nur an den Borbecker Bauernsturm von 1662“, sagt Koerner beiläufig.
Andreas Koerner hat sich eingelebt. Er könnte per Bahn, Bus oder Fahrrad schnell aus Borbeck rauskommen. Wann immer, wenn er will. Aber er will es nur selten.
Das Stadtteilwappen: Schwerter der Stadtpatrone
Das vom Heraldiker Kurt Schweder entworfene Wappen verdeutlicht, dass Borbeck als ehemaliger Sommersitz der Essener Fürstäbtissinnen eine besondere Rolle unter den Essener Stadtteilen einnimmt. Die Schildflanken sind abgeleitet vom Wappen der Fürstäbtissinnen vom Adelsgeschlecht Fürstenberg, die Schloss Borbeck intensiv nutzten. In der roten Schildmitte erkennt man zwei gekreuzte Schwerter mit goldenen Griffen. Die Schwerter sind ein Attribut der Essener Stadtpatrone Cosmas und Damian und entstammen wie der Lorbeerkranz dem Wappen des Stiftes Essen.
Ein Denkmal für „Borbecker halblang“
Während der Industrialisierung strömten viele Menschen – darunter viele kinderreiche Familien – ins Ruhrgebiet. Das Geld, ihre Kinder neu einzukleiden, fehlte. Der Jüngste bekam die „Buxen“ des großen Bruders – natürlich viel zu lang. Er musste sie sich hochkrempeln. Dem großen Bruder gingen sie hingegen nur noch bis zum Knie – „halblang“ halt.
Dem „Modetrend“, der aus der Not heraus entstand, setzte der Bildhauer Franz-Josef Kampmann 1983 ein Denkmal. Es steht am Randes Marktplatzes und zeigt zwei Jungen in knielangen Hosen.
Die Dubois-Arena
Die Dubois-Arena, nach Ernst Dubois, dem ersten Präsidenten des Bundes Deutscher Berufsboxer benannt, wurde von Mitgliedern des Essener Box-Clubs Dubois gebaut und im August 1950 offiziell eröffnet. Bis zu 25.000 Menschen besuchten in den 1950er Jahren die Boxkämpfe in Sichtweite des Schlosses. In den 1960er und 1970er Jahren verfiel der Bau. Das Schönebecker Jugendblasorchester machte sich um die Sanierung verdient. Heutzutage finden dort Freiluftkonzerte statt.
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