Essen. Das Bild Fulerums prägt zweifelsohne der Südwest-Friedhof. Doch der kleine Stadtteil kann mehr: Hier gibt’s den Halbachhammer, die Siedlung Heimatdank und den besten Ausblick aufs Ruhrgebiet. Folge 41 unserer Stadtteil-Serie “60 Minuten in...“.
Der Ausblick ist fantastisch: Links grüßt der Oberhausener Gasometer, ein Stückchen daneben sieht man den Bottroper Tetraeder und wer genau hinschaut, kann am Horizont ein Stück der Schalke-Arena erahnen. Nein, wir stehen nicht auf dem Dach eines Hochhauses, sondern mitten in Essen-Fulerum (zur Bildergalerie), genauer gesagt, zwischen zwei Feldern auf der schmalen Beekmannstraße. „Hier müssen Sie mal in der Silvesternacht hinkommen, da erleben Sie das beste Feuerwerk überhaupt“, schwärmt der Fulerumer Günter Buschmann. Zum Spaziergang durch seinen Stadtteil hat er Ehefrau Ingrid mitgebracht. Die ist zwar ein norddeutsches Gewächs, hat sich aber inzwischen in den kleinen, dörflich geprägten Stadtteil, eingeklemmt zwischen Haarzopf, Mülheim, Margarethenhöhe und Frohnhausen, verliebt. „Ich lebe schon seit über vierzig Jahren hier. Und zwar gerne“, versichert die gebürtige Flensburgerin. Um gleich hinzuzufügen, dass ihr Stadtteil auch oft verkannt und, was noch viel schlimmer sei, verleugnet wird. „Manche Fulerumer denken bis heute, dass sie in Haarzopf leben“, bestätigt ihr Mann, „und manche Haarzopfer meinen, dass Fulerum zu ihnen gehört.“ Dazu kommen noch diejenigen, die glauben, dass ganz Fulerum ein Friedhof sei.
Tatsächlich nimmt der 1914 angelegte Südwest-Friedhof genau ein Viertel des gesamten Stadtteils ein und mit rund 33.000 Grabstellen sind hier mehr Menschen begraben, als Fulerum Einwohner hat. Sein markantes Eingangsportal mit Ehrenhof, Arkadengang und Trauerhalle wirkt durch die dunkelbraune Verklinkerung und die strenge Architektur einschüchternd. Die zwischen 1926 und 1929 errichteten Gebäude entstanden nach Plänen des Leiters des städtischen Hochbauamtes, Ernst Bode (1878–1944), und sind seit 1992 denkmalgeschützt.
Das ist Essen-Fulerum
Halbachhammer zog 1936 ins Nachtigallental
„Für uns ist der Friedhof wie eine Oase, wir gehen hier oft Richtung Halbachhammer spazieren“, bringt Günter Buschmann eine weitere Fulerumer Sehenswürdigkeit ins Spiel. Gustav Krupp von Bohlen und Halbach kaufte das Technikdenkmal, das an die alte Eisen- und Stahlindustrie im Siegerland erinnert, und ließ es 1936 im Nachtigallental wieder aufbauen. Die Besucher können noch heute nachvollziehen, wie damals Roheisen mit Hilfe eines durch Wasserkraft betriebenen Hammers geschmiedet wurde.
Mittlerweile sind wir wieder auf der Fulerumer Straße, die wie eine Grenzlinie die Toten von den Lebenden trennt. Direkt gegenüber dem Friedhofseingang betreten wir durch einen Torbogen die Siedlung Heimatdank, die 1919 für die Teilnehmer und Verletzten des Ersten Weltkrieges erbaut wurde. Hinter der ersten kompakten Häuserzeile finden sich in zweiter Reihe schmucke Doppelhaushälften, vor denen Roller und Räder in der Sonne liegen. Grün, ruhig und beschaulich scheint die komplett sanierte Siedlung – und ist ein gutes Beispiel für die gute Wohnqualität Fulerums.
Kiosk „Bei Mampf’Fred“
Ein paar kleine Stichstraßen weiter stehen wir auf der Humboldtstraße, die zweite Achse des Stadtteils, die bis zum Mülheimer Rhein-Ruhr-Zentrum führt. Rechts und links wird sie von Feldern und Wiesen begrenzt, nur am Ende finden sich am Regenbogenweg, an der Sonderwerk- und Spieckermannstraße eher unscheinbare Wohnblocks aus den 1950er Jahren.
Richtung Haarzopf wird es ein klein wenig urbaner – und ruhrgebietstypischer. Das liegt vielleicht auch am Kiosk „Bei Mampf’Fred“, der wie ein frei stehender bunter Container unübersehbar am großen Kreisverkehr prangt. „Wir haben viel Stammkundschaft und viel Laufkundschaft“, erzählt Manfred, der den schönen Familiennamen Kowalke trägt und seine Bude schon morgens um vier öffnet. „An diesem Kiosk habe ich schon als Junge Klümpkes gekauft“, sagt Günter Buschmann. Die nah gelegene „Neue Mitte“ stellt für „Mampf`Fred“ keine Konkurrenz dar. Dafür ist die Bude viel zu sehr Kult bei den Fulerumern.
Das Stadtteilwappen: Schildfuß und Rohrkolben
Alte Schreibweisen wie etwa „Vulramen“ oder „Fulramon“ bezeichnen eine Rasenfläche mit großen, faul-schwarzen Wasserflächen. Das Wappen mit grün gespickeltem Schildfuß und drei schwarzen Rohrkolben mit grünen Blättern spielt auf diese ehemalige landschaftliche Erscheinung an. Fulerum wurde erstmals im 11. Jahrhundert als Schenkung des Grafen Berg an die Abtei Werden erwähnt. Verwaltungsmäßig gehörte Fulerum in seiner Geschichte zu verschiedenen Orten, darunter etwa Haarzopf, Altendorf und Mülheim-Heißen. Seit 1910 gehört Fulerum zu Essen.
Ehrenfriedhof: Kreuze, die zum Frieden mahnen
Schlichte Steinkreuze stehen auf der weiten Rasenfläche in Reih und Glied. Nur vereinzelt liegen Kränze oder verwelkte Blumen vor den Grabmälern, ansonsten wirkt der Ehrenfriedhof verlassen. Er gehört zu den wenigen Plätzen in dieser Stadt, an denen der Toten beider Weltkriege gedacht werden kann. 2827 Gefallene und Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft haben hier ihre letzte Ruhe gefunden. Darunter auch Bombenopfer, Zwangsarbeiter, Kriegsgefangene, sowie 21 Essener Bürger, die zwischen 1933 und 1945 in Gefangenschaft und in Konzentrationslagern umgebracht wurden.
Eine Gedenkplatte vor einem Hochkreuz erinnert an 84 zumeist politische Häftlinge, die am 12. Dezember 1944 bei der Bombardierung des städtischen Gefängnisses starben. Sie durften bei dem Angriff ihre Zellen nicht verlassen. Eine weitere Gedenkplatte aus dem Jahre 1943 trägt eine Inschrift, die die Nazis angebracht haben: „Liebet eure Heimat, mahnen die Toten“. Unter den Zwangsarbeitern ruhen 34 Osteuropäer, die am 12. März 1945 im Montagsloch, heute im Gelände des Grugaparks, durch die Essener Gestapo hingerichtet wurden.
Nur eine Tafel erinnert an KZ-Außenstelle
Nur eine schlichte Gedenktafel an der Humboldtstraße erinnert an ein düsteres Kapitel: Hier stand ab 1943 das KZ-Außenlager Buchenwald. Zunächst befanden sich hier Zwangsarbeiter, später, im August 1944, kamen 520 jüdische Frauen aus dem KZ-Buchenwald hinzu. Sie wurden von der Firma Krupp angefordert und mussten unter unmenschlichen Bedingungen in der Rüstungsindustrie arbeiten. Am 17. März 1945 wurde das Lager aufgelöst und die Insassen nach Bergen-Belsen deportiert.
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