Mülheim. Zum Jahreswechsel blickt Mülheims OB im Interview auch auf künftige Herausforderungen. Wo er Videoüberwachung wünscht, was er zur Parkstadt sagt.

Gut vier Jahre ist Marc Buchholz (CDU) jetzt Oberbürgermeister in Mülheim. Im großen Interview zum Jahreswechsel zieht er Bilanz: Was ist geschafft? Was bleibt eine Herausforderung für die Stadt an der Ruhr?

Ein kurze Rückschau: Welche eine Sache in Mülheim hat Sie 2024 besonders bewegt?

Marc Buchholz: Bewegt hat mich, dass wir es geschafft haben, aus der Finanzkrise herauszukommen, als Stadt handlungsfähig zu bleiben, so dass wir tolle Projekte in Mülheim mit auf den Weg bringen können. 

Mülheims OB: Trotz Krisenzeiten habe die Stadt einiges umsetzen können

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Sie gehen in Ihr vorerst letztes Jahr als OB, stellen sich im September aber erneut zur Wahl. Wie bilanzieren Sie Ihre ersten Jahre?

Die Bilanz werden sicher die Bürgerinnen und Bürger ziehen. Und da mag jeder seine unterschiedlichen Sichtweisen haben. Ich sehe, was wir in dieser krisenbehafteten Zeit vieles haben umsetzen können: Es gab den Spatenstich für das neue Hallenbad, neue Kunstrasenplätze und Kunststofflaufbahnen. Dazu sind Wohnungen für Menschen in dieser Stadt geschaffen worden. Wir haben die Verschuldung nicht weiter steigen lassen...

Nennen Sie Dinge, von denen Sie glauben, dass Sie unter Ihrem Mittun besonders gelungen sind!

Fangen wir an mit der Diskussion zu Beginn meiner Amtszeit um die Frage nach OGS-Plätzen. Wir werden bis Sommer bis zu 1500 neue OGS Plätze geschaffen haben. Wir haben den Bildungsentwicklungsplan mit rund 150 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Ich war zuletzt zur Eröffnung der neuen Räumlichkeiten beim Otto-Pankok-Gymnasium und davor bei der Gesamtschule Saarn. Damit sind wir lange noch nicht fertig. Aber wenn man sieht, wie das angenommen wird und wie Schülerinnen und Schüler, die Lehrkräfte und Eltern darauf gewartet haben, dann freue ich mich jetzt mit ihnen.

Hätte laut Mülheims OB besser laufen können: das Parkstadt-Projekt und die VHS-Frage

Und was hätte besser laufen können?

Wir haben sicherlich für die Parkstadt noch Aufgaben zu erfüllen. Auch haben wir für das Gebäude oben an der Bergstraße noch keine Nachnutzung. Das sind zwei Punkte, die mir einfallen. 

Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) tritt im September 2025 erneut bei der Kommunalwahl an, um Chef im Mülheimer Rathaus zu bleiben.
Oberbürgermeister Marc Buchholz (CDU) tritt im September 2025 erneut bei der Kommunalwahl an, um Chef im Mülheimer Rathaus zu bleiben. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Nach Ihrem Amtsantritt haben Sie einen Neun-Punkte-Plan für Ihre ersten 100 Tage im Rathaus präsentiert. Ein Punkt dabei: die Wirtschaftsförderung zur Chefsache zu machen, um den Abwärtstrend in Mülheim umzukehren. Wo stehen Sie mit diesem Projekt?

Ich finde, wir können einen Haken dahinter setzen. Wir haben die Dinge, die ich versprochen habe, erfolgreich umgesetzt. Wirtschaftsförderung ist weiterhin Chefsache. Wir sind in der Verwaltung mit dem Planungs- und Wirtschaftsdezernat gut aufgestellt. Der Flughafen ist ein hervorragendes Beispiel: Das Fliegen geht nach 2034 weiter und in Abstimmung mit unseren Partnern aus Essen lässt sich dort ein Gewerbegebiet umsetzen. Wir schaffen Gewerbeflächen, ohne dass wir Freiflächen dafür ins Spiel bringen müssen. 

OB Buchholz sieht Mülheim in der Wirtschaftskrise robust aufgestellt

Die Wirtschaftskrise in Deutschland wächst sich aus. Wie robust sehen Sie den Standort Mülheim?

Ich werde nicht müde darauf hinzuweisen, dass es der Mülheimer Wirtschaft im Vergleich zum Umland besser geht. Wir haben in Mülheim die ruhrgebietsweit geringste Arbeitslosenquote mit 7,7 Prozent in den Monaten Oktober und November. Die Verschuldungsrate der Mülheimer Haushalte ist die niedrigste im Ruhrgebiet mit knapp über 10 Prozent, was aber trotzdem zu viel ist.

„Es geht der Mülheimer Wirtschaft im Vergleich zum Umland besser. Wir haben die ruhrgebietsweit geringste Arbeitslosenquote , die Verschuldungsrate der Mülheimer Haushalte ist die niedrigste im Ruhrgebiet.“

Marc Bochholz
Oberbürgermeister in Mülheim

Wirtschaftskrise bedeutet auch: Gewerbe- und Einkommensteuer werden in Zukunft nicht so stark fließen für die Stadt. Trotzdem erlaubt es sich Mülheim 2025, durch Stabilität beim Grundsteuer-Hebesatz auf rund zehn Millionen Euro zu verzichten. Ein Geschenk im Kommunalwahljahr 2025? 

Kein Geschenk, sondern Ergebnis kluger Entscheidungen aus den zurückliegenden Jahren. Trotz der Krisen mit Corona, Hochwasser, Ukraine-Krieg oder Gasmangellage habe ich als Oberbürgermeister gemeinsam mit der Politik dafür gesorgt, dass wir mit dem Geld der Bürgerinnen und Bürger gut ausgekommen sind, sogar so gut ausgekommen sind, dass wir Rücklagen schaffen konnten, um die Bürgerinnen und Bürger in diesem schwierigen Jahr, vor dem wir stehen, nicht zusätzlich zu belasten. Wir erhöhen keine Abfallgebühren, wir erhöhen keine Straßenreinigung mit Winterdienst, keine Friedhofsgebühren.

„Wenn sich alle ordnungsgemäß verhalten würden, dann sähe die Stadt auch sauberer aus und wir bräuchten keine Mülldetektive“, sagt Mülheims OB Marc Buchholz.
„Wenn sich alle ordnungsgemäß verhalten würden, dann sähe die Stadt auch sauberer aus und wir bräuchten keine Mülldetektive“, sagt Mülheims OB Marc Buchholz. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Wilder Müll an Containern: Mülheims OB kann sich Videoüberwachung vorstellen

Die Müllgebühren: Sie bleiben stabil, richtig. Die erneut erheblichen Kostensteigerungen bei der Müllverbrennung kompensiert die Stadt 2025 aber nur durch einen Verzicht auf ihre Gewinnausschüttung. Die Kostenentwicklung lässt erahnen, dass es dann in den nächsten Jahren weiter hochgehen wird. Oder sehen Sie das anders? 

Dafür müssten wir eine Glaskugel haben. Das weiß ich nicht. Ich sehe, dass wir den Bürgerinnen und Bürgern Preisstabilität anbieten können, weil wir die entsprechenden Ausschüttungen dafür einsetzen. Über die Zeit von drei Jahren ist bei Über- und Unterdeckung das Prinzip der Kostendeckung anzuwenden.

Einer Ihrer neun Punkte zum Amtsantritt war die Sauberkeit in der Stadt: Viele Bürgerinnen und Bürger erkennen keine Fortschritte, obwohl sie über die Müllgebühren Hunderttausende zusätzliche Euro für Mülldetektive bezahlen. Was sagen Sie denen?

164 Bußgeldbescheide und knapp 40.000 Euro an Bußgeldern sind von Januar bis Oktober 2024 bereits ergangen. Wenn sich alle ordnungsgemäß verhalten würden, dann sähe die Stadt auch sauberer aus und wir bräuchten keine Mülldetektive. Wir wollen, dass über die Mülldetektive deutlich wird, wenn man sich falsch verhält. Anfang des Jahres wird nach vier Jahren die Zusammenführung der „Stadtsauberkeit aus einer Hand“ bei der MEG tatsächlich erfolgen. Wenn es nach mir geht, wäre eine Videoüberwachung von zentralen Wertstoffsammelstellen geeignet, um dem wilden Abkippen an Wertstoffbehältern zu begegnen.

Klimaneutrales Mülheim bis 2035: „An den ehrgeizigen Zielen sollten wir festhalten“

2020 haben Sie eine Taskforce eingerichtet für den Klimaschutz. Mülheim ist aber doch weit entfernt von seinem erklärten Ziel, schon 2035 klimaneutral zu sein, oder?

Natürlich ist das ein ambitioniertes Ziel. Wir alle haben gesehen, dass Regularien dafür nachjustiert werden müssen, etwa daran, dass Gerichte jetzt entschieden haben, wie zwischen Denkmalschutz und Solaranlagen abzuwägen ist. Es ist eine gute Entscheidung der Gerichte etwa für die Heimaterde, dass der Denkmalschutz zurückzutreten hat bei der Energiewende.

Das wird aber nur äußerst marginal zur Klimaneutralität beitragen. Wie und wann glauben Sie denn die Stadt klimaneutral machen zu können? 

Wir sind dabei, etwa laufen Planungen für eine Wärmeleitung im Hafen. Wir sind dabei, mit der Medl grundsätzlich über Fluss-Wärmepumpen oder Erdbohrungen zu sprechen. Wir werden sehen müssen, wie sich das Ganze finanzieren lässt. Das ist ja auch ein Riesenthema: So wichtig Klimaneutralität ist, ist der Bund die Antwort schuldig geblieben, wie es denn finanziert werden soll. Da will ich die Förderung von Elektromobilität als Beispiel erst gar nicht wieder bemühen. 

Sie können also nicht sagen: Bis 2035 werden wir es schaffen?

Es wird sich zeigen müssen. An den ehrgeizigen Zielen sollten wir aber festhalten und sie weiter verfolgen. 

„Wir werden sehen müssen, wie sich das Ganze finanzieren lässt“, sagt OB Marc Buchholz mit Blick auf die Klimawende.
„Wir werden sehen müssen, wie sich das Ganze finanzieren lässt“, sagt OB Marc Buchholz mit Blick auf die Klimawende. © FUNKE Foto Services | Martin Möller

Ab sofort „Chefsache“: Mülheims OB reißt Personal- und Organisationsamt an sich

Auch eines Ihrer Versprechen 2020: Alle kommunalen Dienstleistungen sollte es für Bürger digital geben. Ziel verfehlt, warum?

Ziel verfehlt, will ich nicht sagen. Wir bieten über unser neues Serviceportal mittlerweile einiges an. Konkret: Zu Beginn meiner Amtszeit gab es viel Ärger über lange Schlangen vor dem Ausländeramt. Die sind verschwunden, weil es jetzt eine Online-Terminvergabe gibt. Die Digitalisierung bis hin zur letzten Dienstleistung zu bewerkstelligen, ist wie der Klimaschutz ein hehres Ziel. Wir setzen uns Ziele, wir wollen, dass alle Leistungen digital möglich sind. Dass das jetzt in fünf Jahren noch nicht umgesetzt werden konnte, mag auch damit zusammenhängen, dass wir andere Aufgaben priorisiert haben. Ich will noch mal auf die vielen Krisen hinweisen, die uns zwischenzeitlich immens gefordert haben. Auch finanzielle Möglichkeiten spielen bei der Digitalisierung natürlich eine Rolle.

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Zur neuen Chefsache haben Sie jetzt die städtischen Personalangelegenheiten gemacht, das Personal- und Organisationsamt an sich gezogen. Trauen Sie Ihrer Dezernentin Anja Franke nicht mehr zu, diese Aufgaben zu bewältigen?

Das hat nichts mit mangelndem Vertrauen zu tun. Ich vertraue allen meinen Dezernenten. Ich nehme die Verantwortung an, bestimmte Bereiche als Oberbürgermeister zunächst einmal selbst zu führen, so wie zuvor schon bei der Wirtschaftsförderung. Diesmal vor dem Hintergrund, dass wir die Ruhrbania-Baufelder 3 und 4 ja in eine zukünftige Entwicklung gegeben haben und das Gesundheitsamt, das Bildungsbüro und das Kommunale Integrationszentrum umsiedeln müssen. Zudem wollen wir im AOK-Gebäude ein wunderbares neues Bürgeramt einrichten. Und das Ganze unter der Prämisse, dass Homeoffice auch zu einer Verlagerung von Arbeitsplätzen aus den Amtsstuben heraus führen wird.

OB zu Mülheims Parkstadt: Hochhäuser helfen, keine Freiflächen für Wohnungsbau antasten zu müssen

Der Kommunalwahlkampf dürfte spätestens nach der Bundestagswahl im Februar Fahrt aufnehmen. Welche großen Entscheidungen stehen vor der Kommunalwahl noch an?

Wir haben in den vier Jahren schon viel erledigt und einiges erreicht, wie jetzt die unveränderte Gewerbe- und Grundsteuer. Die Umgestaltung des Rathausmarktes gehen wir im nächsten Jahr an, wir haben die Ruhrbania-Baufelder 3 und 4 in eine zukünftige Entwicklung bringen können und dabei mitgedacht, dass im alten AOK-Gebäude hoffentlich Ende 2026, Anfang 2027 ein neues Bürgeramt Fahrt aufnimmt. Der Weiterbetrieb des Flughafens ist möglich, die Feuerwache wieder im Eigentum der Stadt... Da bleibt so viel von dem, was ich mir in meinem Neun-Punkte-Plan für die ersten fünf Jahre vorgenommen habe, gar nicht übrig. Wobei Herausforderungen bleiben: etwa bei der Parkstadt oder für eine Nachnutzung des alten VHS-Gebäudes an der Bergstraße.

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Ein heißes Wahlkampf-Thema dürfte der Wohnungsbau sein. Der hohe Bedarf an neuen, bezahlbaren Wohnungen ist festgestellt, aber wie hoch und dicht darf es nach Ihrem Geschmack etwa in der Parkstadt werden?

Da geht es nicht nach dem Geschmack des Oberbürgermeisters. Die Politik wird sich ausrichten an den Bedürfnissen der Menschen und an dem, was rechtlich und konzeptionell möglich ist. Es läuft eine intensiv geführte Diskussion zur Höhe der Gebäude und zur Größenordnung des geförderten Wohnungsbaus. Das korreliert miteinander, schließlich lässt der geförderte Wohnungsbau in Nordrhein-Westfalen nur bestimmte Höhen zu. Dass wir dort über hohe Bauten sprechen, ergibt sich aus einer einfachen Tatsache: Wenn wir keine Freiflächen in Mülheim bebauen wollen, dann muss man in die Höhe gehen. Die Frage ist nur: Wie hoch darf es sein, wenn ich auch geförderten Wohnungsbau mitdenken will?

Parkstadt Mülheim: OB will ein durchmischtes Quartier

Mülheims OB Marc Buchholz zu Gebäudehöhen in der geplanten Parkstadt in Speldorf: „Wenn wir keine Freiflächen in Mülheim bebauen wollen, dann muss man in die Höhe gehen.“
Mülheims OB Marc Buchholz zu Gebäudehöhen in der geplanten Parkstadt in Speldorf: „Wenn wir keine Freiflächen in Mülheim bebauen wollen, dann muss man in die Höhe gehen.“ © FUNKE Foto Services | Martin Möller

So vage sind Sie auch vor einem Jahr geblieben. Der Oberbürgermeister hat aber sicher auch eine eigene Vorstellung, was er für wünschenswert auf dem Areal hält, was er mit einem Handlungskonzept Wohnen und allen Rahmenbedingungen, die dort vorliegen, anstellen will.

Ich wünsche mir, dass dort neue Wohnungen entstehen, durchaus auch in einer Größenordnung, die dieser Fläche angemessen ist. Aber ich kann sehr wohl verstehen, dass man jetzt in eine Diskussion eintritt zur Frage: Sind die Voraussetzungen, mit dem Wissen um Bauwirtschaft und Finanzierung, noch so wie vor vier Jahren, als die Pläne vorgestellt worden sind? Ohne geförderten Wohnungsbau wird es vermutlich an keiner Stelle solch größere Projekte geben können. Das ist dann so anzuordnen, dass daraus ein attraktiver, durchmischter Wohnstandort wird. Was wir nicht wollen, ist, dass es am Ende Wohnhäuser ausschließlich mit gefördertem Wohnraum gibt. Ich möchte kein Quartier haben, in dem sozial Schwächere in dem einen Haus und andere in frei finanzierten Häusern wohnen.

„Ich möchte kein Quartier haben, in dem sozial Schwächere in dem einen Haus und andere in frei finanzierten Häusern wohnen.“

Marc Buchholz
Oberbürgermeister in Mülheim

Welche ein bis drei Wahlkampfthemen werden Sie selbst als OB-Kandidat platzieren?

Über den Wahlkampf werde ich erst mal mit meiner Partei sprechen. Thema bleibt sicher die Digitalisierung, auch die Innenstadt wird ein Riesenthema bleiben - und auch die Stadtteile sollen im Fokus einer positiven Entwicklung stehen.

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