Mülheim. Auf Baurecht für seine Parkstadt-Pläne auf altem Tengelmann-Terrain muss Investor Soravia länger warten. Die Stadt Mülheim sieht offene Fragen.
Die ausdrückliche Hoffnung von Parkstadt-Investor Soravia, noch 2024 mit einem ausgefeilten Entwurf und Vertragsabsprachen in die letztmalige Diskussion zu einer Parkstadt-Bebauung auf dem ehemaligen Tengelmann-Areal in Speldorf zu gehen, hat sich zerschlagen: Die Stadtverwaltung schiebt das Vorhaben ins nächste Jahr. Mehr noch: Sie lässt gar prüfen, das gesamte Verfahren neu aufzustellen - was dem österreichischen Projektentwickler gar nicht in den Kram passen dürfte.
Dezernent Felix Blasch und Planungsamtsleiter Alexander Behringer verkündeten jetzt im Planungsausschuss, dass sie in diesem Jahr nicht mehr mit dem Gesamtpaket zur Parkstadt in die Debatte mit Politik und Bürgerschaft gehen werden. „Es sind noch viele Punkte, über die wir uns zu unterhalten haben“, so Blasch. Wolle man mit einer Beschlussvorlage noch in die letzte Beratungsrunde der Ratsgremien in diesem Jahr gehen, müssten die Unterlagen, die sich auf Tausende Seite summieren werden, bis zu den Herbstferien fertiggestellt sein. Unmöglich, sagt der Dezernent.
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Gutachten zur Mülheimer Parkstadt sind bis auf eins alle abgestimmt
Zwar sind laut Behringer bis auf das Regenwasser- und Starkregenkonzept alle von Soravia eingereichten Gutachten mittlerweile geprüft und mit dem Investor abgestimmt. Die Liste der noch zu erledigenden Arbeiten aber sei auch noch lang. So seien die Begründungen und Festsetzungen für den Bebauungsplanentwurf noch nicht fix, ebenso der Umweltbericht, das Konzept zur künftigen (qualitätssichernden) Bewirtschaftung der großen Wohn- bzw. Hochhäuser oder das Gestaltungshandbuch für Neubauten. Immer noch nicht ganz durch ist die Verwaltung mit der Abwägung von Anregungen und Kritik, die Bürgerinnen und Bürger sowie Träger öffentlicher Belange vor zwei Jahren angemeldet hatten. Verhandelt werden muss laut Behringer weiter auch zu Inhalten eines städtebaulichen Vertrages, mit dem die Stadt ihre Ziele für das Mega-Projekt abzusichern gedenkt.
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Noch gar nicht liegt Mülheims neues Handlungskonzept Wohnen vor. Es soll, von externen Gutachtern erstellt, aufzeigen, welche Wohnraumbedarfe die Stadt überhaupt hat. Das Gutachterbüro sei sehr ausgelastet gewesen, es sei zu Verzögerungen gekommen, berichtete Blasch. In diesen Tagen sollte das Konzept im Bündnis für Wohnen, wo Politik und Akteure des Mülheimer Wohnungsmarktes zusammenkommen, zur Debatte gestellt werden. Nach den Ferien, so Blasch, könne es mit letztem Feinschliff versehen sein. Erst wenn es vorliege, sei man etwa in der Lage zu beantworten, wie hoch der Anteil öffentlich geförderten Wohnraums in der Parkstadt denn sein sollte.
Mülheims Baudezernent zur Parkstadt: „Ich will es nicht übers Knie brechen“
Vor den Politikern im Planungsausschuss vermochte Blasch nicht zu kalkulieren, wie viel Zeit die letzten Abstimmungen, Verhandlungen und Prüfungen in Anspruch nehmen werden. Ob man im Februar, März oder erst im Mai, Juni mit einem abgestimmten Gesamtpaket in die öffentliche Debatte gehe, sei aktuell nicht zu prognostizieren. Blasch warb um Verständnis: Mit Blick auf die Größe des Projektes sei Mülheim in drei Jahren sehr weit gekommen. Eine entsprechende Quartiersentwicklung dauere in anderen Städten viel länger. „Ich will es nicht übers Knie brechen“, sagte er mit Blick auf die Größenordnung und Auswirkungen auf die Stadtteile ringsum.
Enttäuschung lässt sich zwischen den Zeilen der knappen Reaktion von Soravia-Projektleiter Lorenz Tragatschnig herauslesen: „Wir haben in den vergangenen zwei Jahren in enger Abstimmung mit Politik und Verwaltung ein Konzept für die Parkstadt erstellt. Wir hatten unsere Aufgaben vor den Sommerferien erledigt und hoffen, dass Verwaltung und Politik möglichst schnell Entscheidungen treffen.“
„Wir hatten unsere Aufgaben vor den Sommerferien erledigt und hoffen, dass Verwaltung und Politik möglichst schnell Entscheidungen treffen.“
Stadt Mülheim stellt das ganze Verfahren auf den Prüfstand: Baurecht nur scheibchenweise?
Zu einer weiteren, pikanten Verlautbarung von Bau- und Planungsdezernent Blasch wollte Tragatschnig ohne Rücksprache mit der Soravia-Konzernführung zunächst gar nicht Stellung beziehen. So überlegt die Stadtverwaltung gar, das gesamte Verfahren noch einmal aufzuknüpfen und einer Forderung von Architekt Ingo Clemens aus dem Parkstadt-Projektbeirat doch zu entsprechen. Möglich wäre so, Soravia nicht sofort Baurecht und eine immense Wertsteigerung für das gesamte Areal zu geben, sondern den Bebauungsplan in mehrere, bis zu drei Abschnitte zu unterteilen. Diese Prüfung stehe an, so Blasch im Gespräch mit dieser Redaktion.
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Noch im Juni, als Clemens mit dieser Forderung an die Öffentlichkeit ging, hatte Blasch darin keinen Nutzen erkannt. Eher Probleme: Eine Aufteilung in mehrere Pläne alleine sei nicht die Lösung, sie schaffe Probleme hinsichtlich der „Wirtschaftlichkeit und Praktikabilität“, verwies er etwa darauf, dass es problematisch sei, Soravia einerseits zum Bau des Sees als zwingende Lösung zur Entwässerung zu verpflichten, dann aber nur einen Teil des Bauvolumens zu genehmigen, auf dem das Konzept fuße. Das Gleiche gelte für die Erschließung, die Soravia Investitionen abverlange, bevor der Spatenstich für einen der Hochbauten gesetzt werde.
Alles auf dem Prüfstand: Stadt Mülheim hat Rechtsprofessor eingeschaltet
Womöglich Ursache für das Umdenken ist die Angst davor, dass Soravia wegen bekannt gewordener Finanzierungsprobleme bei anderen Projekten nach Erlangen des Baurechts Parkstadt-Land schnell durch Weiterverkauf zu Geld machen könnte, dann zu deutlich gestiegenem Grundstückswert. Oder hat der zwischenzeitlich von der Stadt eingeschaltete Rechtsbeistand die Verantwortlichen der Verwaltung ins Grübeln gebracht? Rechtswissenschaftler Professor Thomas Dünchheim ist beauftragt, die Stadt in Rechtsfragen zum Bebauungsplan und zu begleitenden Verträgen zu beraten. Seine Expertise hatte die Stadt schon einmal erfolgreich in Anspruch genommen, um ihre Ziele zur Entwicklung des ehemaligen Vallourec-Geländes durchzusetzen.
Der überarbeitete städtebauliche Entwurf zur Parkstadt ist im Übrigen auf unverändertem Stand. Neubauten sollen Platz für maximal 89.000 Quadratmeter Bruttogeschossfläche bieten, dabei sind am heutigen Standort des Technikums weiterhin vier Hochhäuser geplant - Wohntürme mit elf, 13 und 15 Geschossen. 25 Prozent des Areals soll reine Grünfläche sein (inklusive See). Auf der restlichen Fläche soll gelten, dass maximal 40 Prozent des Bodens versiegelt werden dürfen. An den Rändern des Areals soll es „Urbane Gebiete“ geben, in der Mitte die baurechtliche Festsetzung für ein allgemeines Wohngebiet. Insbesondere festzulegen sei noch, wo die Stadt sich gewerbliche Nutzungen wünsche, so Blasch.
Auch die Politik deutet an, noch genauer prüfen zu wollen. So kündigte etwa Petra Seidemann-Matschulla (CDU) einen Antrag an die Verwaltung an für eine Zusammenstellung aller Neubauprojekte im Stadtgebiet, um dies mit dem Handlungskonzept Wohnen in Abgleich zu bringen und Schlüsse daraus für die Parkstadt-Entwicklung zu ziehen.
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