Mülheim. 14 Jahre lang hat die Stadt ihre neue Feuerwache nur als Mieterin genutzt. Das hat Millionen verschlungen. Jetzt ist der Befreiungsschlag da.
Kauf zurück, was dich kaputt macht: Die Stadt Mülheim macht endgültig den Deckel auf einen außergewöhnlichen Fall der Steuergeldverschwendung: Am Dienstag verkündete sie in einer knapp gehaltenen Mitteilung, dass sie die Hauptfeuerwache in Broich für 72,85 Millionen Euro endlich in ihren Besitz genommen hat. Jahrelang war die Stadt nur Mieterin des zwingend notwendigen Infrastruktur-Baus und machte Investoren und Anlegern die Taschen voll.
Der heutige Kaufpreis liegt zwar fast 30 Millionen Euro höher als jene 43,7 Millionen Euro, die der im Jahr 2010 eingeweihte Bau gekostet hat. Doch heute würde ein Neubau, das zeigen Planungen anderer Städte, womöglich 120 bis 140 Millionen Euro verschlingen. Die Stadt Mülheim hat ihre neue Wache in Broich damals nicht selbst gebaut, sondern bauen lassen, und seinerzeit einen Mietvertrag ausgehandelt, der laut dem aktuellen Stadtkämmerer Frank Mendack bis zum Ende dieses Jahres rund 60 Millionen Euro Mietzahlungen ausgelöst hat. Hinzu kommen nun noch der Kaufpreis und die Zinsen, die für den kreditfinanzierten Ankauf der Spezialimmobilie fällig werden: noch einmal rund 140 Millionen Euro.
Stadt Mülheim machte den Finanzierungsdeal an der Aufsichtsbehörde vorbei
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Hätte die mittlerweile überschuldete Stadt den Bau seinerzeit selbst gestemmt, hätte sie trotz Kredit- und Unterhaltungskosten sicher etliche Millionen Euro nicht pulverisiert. Unter Altkämmerer Uwe Bonan und Oberbürgermeisterin Dagmar Mühlenfeld hatte die Stadt Ende der Nullerjahre den Deal mit Privatinvestoren für den Bau und die spätere Anmietung als einzige Möglichkeit präsentiert, den dringend nötigen Ersatz für die marode Feuerwache an der Aktienstraße zu schaffen. Aufgrund der damals schon miserablen Finanzlage könne man den Neubau nicht selbst stemmen, hieß es immer.
Doch die Finanzaufsicht der Bezirksregierung zerlegte diese Argumentation im Nachgang des Deals mit den örtlichen Investoren Mülheimer Wohnungsbau, Sparkasse und Jochen Hoffmeister. Die Verantwortlichen der Stadt hätten nicht einmal die Chance ergriffen, mit der Aufsicht alternative Finanzierungen zu besprechen, drückte die Bezirksregierung 2014 unmissverständlich ihre Kritik daran aus, dass die Stadt ihr die Umwegfinanzierung nicht einmal angezeigt habe.
Mülheims Feuerwache: Anleger können sich über 7,4 Prozent Verzinsung freuen
Da war das Kind aber längst in den Brunnen gefallen, die Stadt hatte mit dem Mülheimer Investoren-Trio einen Deal vereinbart, der sie in der Folge teuer zu stehen kam. Das ganze Ausmaß des Finanzdebakels wurde publik, als die Investoren die Wache zügig an einen Fonds der Hannover Leasing weiterverkauften - mit einem satten Gewinn von geschätzt 9,2 Millionen Euro.
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Das Fondsprojekt dokumentierte potenziellen Anlegern, dass die Stadt allein in den folgenden 20 Jahren eine Miete in Höhe von 87,6 Millionen Euro zahlen würde. Anlegern garantierte Hannover Leasing exorbitante Ausschüttungen von bis zu sechs Prozent ihres eingesetzten Kapitals. Alle Parteien - ob SMW, Hannover Leasing oder Anleger - profitierten kräftig. Die mit Rasanz in ihre bilanzielle Überschuldung schlitternde Stadt zahlte die Zeche. Am Dienstag nun zog auch Hannover Leasing Bilanz. „Für die Anleger konnte mit dem Investment eine interne Verzinsung von rund 7,4 Prozent pro Jahr vor Steuern realisiert werden“, hieß es da.
Knifflige Verhandlungen: Stadt Mülheim drohte mit Neubau einer Feuerwache
Für die Stadt Mülheim war es bis zuletzt eine Zitterpartie, dem Schrecken ein Ende zu setzen. Dem Vernehmen nach griff Kämmerer Mendack dafür auch in die Trickkiste, um zunächst einmal Hannover Leasing in Verhandlungen zu besseren Mietkonditionen für die Stadt zu bringen. Er war in die Gespräche gegangen mit der Drohung, nach Ablauf des Mietvertrages notfalls eine komplett neue Wache bauen zu lassen, sodass die Fondsgesellschaft auf einer nicht nutzbaren Spezialimmobilie sitzen geblieben wäre.
Mendacks Kniff zog, die Stadt konnte die Miete ab 2024 mindern. Ob sie im Fall der Fälle hätte ernst machen können mit einem Neubau, darf bezweifelt werden. Wegen der gesetzlich fixierten Vorgabe, in welcher Zeit Notfallkräfte sämtliche Einsatzorte im Stadtgebiet erreichen müssen, wäre die Suche nach einem geeigneten Grundstück wohl mindestens sehr schwierig gewesen.
Mendack heimste bei gleichzeitiger Verlängerung des Mietvertrages aber eine Mietsenkung um fast 20 Prozent ein. Trotzdem war die Indexmiete für die Wache schon in diesem Jahr auf 4,4 Millionen Euro angewachsen. In 20 Jahren wäre sie auf 6,6 Millionen gestiegen, bis zum Ende der Vertragslaufzeit gar auf acht Millionen Euro - wohlgemerkt: pro Jahr.
Stadt Mülheim macht ihr Vorkaufsrecht geltend und sticht Investor aus
Nun dauerte es nicht lange, dass Hannover Leasing Mülheims Feuerwache, mit neuem Mietvertrag schick gemacht, gar zum Verkauf anpries. Die Stadt witterte ihre Chance, stach letztlich den institutionellen Investor Montano Real Estate aus und stieg per Vorkaufsrecht in dessen ausgehandelten Kaufvertrag ein. Laut Hannover Leasing hatten „zahlreiche potenzielle Investoren“ Interesse an der Mülheimer Immobilie bekundet - dem Trend folgend, dass Infrastrukturimmobilien und langfristige Mietverträge mit der öffentlichen Hand immer gefragter am Markt sind, weil der Geldfluss aus diesen Invests als sicher gilt.
„Ich bin froh, dass es vor Weihnachten über die Bühne gegangen ist und wir die Immobilie nun im Eigentum haben. Wir zahlen jetzt an Zins und Tilgung weniger als Miete.“
In seiner Wirtschaftlichkeitsrechnung kommt Kämmerer Mendack auf gut 25 Millionen Euro, die die Stadt durch den Ankauf nun einspart im Vergleich zu einer Anmietung unter bestehenden Konditionen. Das sei noch einmal wesentlich besser als kalkuliert, weil es gelungen sei, am Kreditmarkt günstigere Konditionen auszuhandeln. „Ich bin froh, dass es vor Weihnachten über die Bühne gegangen ist und wir die Immobilie nun im Eigentum haben. Wir zahlen jetzt an Zins und Tilgung weniger als Miete.“
In die Vergangenheit wollte Mendack am Dienstag ungern schauen, seine Kritik am früheren Finanzgebaren der Stadt kaschierte er so: „Es ist ein strategischer Mehrwert, direkt selbst zu investieren.“ Die Stadt hätte sich so manche millionenschwere Last ersparen können.
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