Heute wird im Kunsthaus Hamburg die Ausstellung “In den Tod geschickt“ eröffnet, die zeigt, wie von 1940 bis 1945 vom Hannoverschen Bahnhof aus Hamburger Juden, Roma und Sinti in Konzentrationslager im Osten deportiert wurden.

Hamburg. Heute wird im Kunsthaus Hamburg die Ausstellung "In den Tod geschickt" eröffnet, die zeigt, wie von 1940 bis 1945 vom Hannoverschen Bahnhof aus Hamburger Juden, Roma und Sinti in Konzentrationslager im Osten deportiert wurden. Die Dokumentation ist Teil der Vorbereitungen einer Gedenkstätte am historischen Ort in der heutigen HafenCity und wird in die geplante Dauerausstellung am Lohseplatz eingehen. Die Kulturbehörde ist verantwortlich für das Projekt, Senatorin Karin von Welck hat alle bisherigen Entwicklungsschritte begleitet.


Abendblatt:

Wann haben Sie zum ersten Mal vom Hannoverschen Bahnhof am Lohseplatz als Abfahrtsort der Deportationszüge aus Hamburg gehört?

Karin von Welck:

2004, am Anfang meiner Zeit als Kultursenatorin. Die HafenCity stand damals als neues Areal zur Verfügung, und es wurde nach der Geschichte dieses Ortes gefragt. Ich habe einen ersten Bericht in Auftrag gegeben und mit Erschrecken festgestellt, dass noch nach der Befreiung von Auschwitz zwei Züge jüdische Menschen vom Hannoverschen Bahnhof aus nach Theresienstadt brachten. Wir haben dann am 14. Februar 2005, zum Jahrestag des letzten Transports, spontan am Lohseplatz eine kleine Feier organisiert und eine Gedenktafel aufgestellt. Uns war selbstverständlich klar, dass das überhaupt nicht ausreicht.



Abendblatt:

Wie war denn Ihr erster Eindruck vom Lohseplatz?

Von Welck:

Ich fand den Platz und sein Umfeld total heruntergekommen. Man konnte sich den historischen Ort überhaupt nicht vorstellen.



Abendblatt:

Wie soll die Gedenkstätte aussehen, und wann wird sie eröffnet?

Von Welck:

Es soll einen landschaftsarchitektonischen Gedenkort geben, ergänzend dazu ein Haus für eine permanente Ausstellung, die erklärt und dokumentiert, was hier stattgefunden hat. Den landschaftsgärtnerischen Wettbewerb starten wir in diesem Jahr. Doch es wird bis 2017 dauern, bis der Gedenkort fertiggestellt werden kann, weil große Teile des historischen Areals noch von der Bahn und einer Spedition genutzt werden. Außerdem muss hier für den Hochwasserschutz in der HafenCity Erde aufgeschüttet werden. Ich bin jedenfalls sehr froh darüber, dass wir das Gesamtprojekt 2008 im Koalitionsvertrag festgeschrieben haben. Und dass es eine Gemeinschaftsarbeit wird, an der sich auch alle Opferverbände beteiligen.



Abendblatt:

Warum war der Hamburger Deportationsbahnhof so lange vergessen?

Von Welck:

Das hat viel damit zu tun, dass dieser Ort in der Zeit des Freihafens aus dem Gedächtnis der Gesamtstadt herausgefallen war. Aber wir wissen auch von anderen Orten wie Neuengamme, dass nach dem Ende des Nationalsozialismus vieles verdrängt wurde in Deutschland. Erst langsam sind diese Orte wiederentdeckt worden, es ist ein stärkeres historisches Bewusstsein für diese Zeit entstanden.



Abendblatt:

Gibt es noch Relikte des alten Bahnhofs?

Von Welck:

Es ist nicht mehr viel vorhanden, und die Reste sind momentan nicht öffentlich zugänglich. Wir werden das Wenige, das noch vorhanden ist, für die Gedenkstätte bewahren.



Abendblatt:

Wer wird diese neue Gedenkstätte betreuen?

Von Welck:

Es ist klar, dass es eine Außenstelle der KZ-Gedenkstätte Neuengamme sein wird. Ich betrachte es als Chance, dass dieser Erinnerungsort in einem so prominenten Viertel wie der HafenCity liegt. Das könnte ähnlich wirken wie die Anstöße, die von den Stolpersteinen gegeben werden.



Abendblatt:

Die Auseinandersetzung mit der NS-Geschichte endet nie. Wo sehen Sie aktuell den größten Handlungsbedarf?

Von Welck:

Wir machen uns viele Gedanken darüber, wie wir kommenden Generationen NS-Geschichte und den Holocaust vermitteln. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass ein großer Teil der Kinder in Deutschland einen Migrationshintergrund hat. Die Frage ist, wie man die Erinnerung so aufbereitet, dass alle das Thema begreifen und einordnen können. Erinnerungskultur ist ein schwieriger, dynamischer Prozess, weil auch unsere Gesellschaft sich verändert.



"In den Tod geschickt", 17.2.-17.4., Kunsthaus Hamburg, Klosterwall 15, Di-So 11-18 Uhr; Eintritt 4 Euro, Kinder/Jugendliche frei; www.deportationsausstellung.hamburg.de