Das Wort zur Woche

Später Abend. Müde zappt der Bürger durch die Kanäle, kein Bild und kein Wort mag ihn wirklich fesseln, stattdessen kommt üble Laune auf. "Die Konsumverweigerung der Deutschen hält weiterhin an", verkündet die Dame von RTL. "Sind die Deutschen Kaufmuffel?", fragt anklagend ein Vox-Terrier, auch die öffentlich-rechtlichen Sendestationen möchten da nicht zurückstehen und versuchen in notdürftig zusammengestückelten Magazinbeiträgen zu belegen, dass Geiz nicht geil ist und dass die Sparsamkeit der Endverbraucher zum Untergang unserer Wirtschaft führen wird. Wütend schaltet der Bürger ab, murmelt "Alle komplett verstrahlt . . ." - und sucht das Nachtlager auf.

Am nächsten Morgen ist der Briefkasten wieder einmal überfüllt. Drei Benachrichtigungen über Gewinne in der Lotterie (" . . . unterschreiben Sie gleich Ihre neue Losbestellung und sichern Sie sich so Ihre 65 000 Euro . . .), alle von Unternehmen mit Sitz in Holland, oh, oh, ob das wohl alles wirklich stimmt? Es folgen zwei Schreiben von Kreditvermittlern (" . . . bis zu 200 000 Euro halten wir für Sie bereit . . .") sowie drei Angebote, jetzt gleich in Urlaub zu fahren und den ganzen Gammel im Laufe der nächsten 100 Jahre abzuzahlen, in kleinen, nein, "angenehmen" Raten. "Warum noch länger warten?", fragt der Anbieter eines in limitierter Auflage erscheinenden Porzellantellers, auf dem das Bildnis eines Schäferhundes prangt. "Der Liebling der Familie - gemalt von einem großen Künstler. Ein Glanzlicht für Ihr Heim!"

Nachdenklich nimmt der Bürger seinen Teebeutel von der Trockenleine und füllt den Wasserkessel. Ihm fehlt das Konsumieren, keine Frage. Ach ja, vor 15 Jahren, da saß er jeden Abend munter in italienischen Restaurants, scherzte mit schönen Frauen und ging erst, wenn der Weinkeller leer war. Und fragte nie, was die Welt denn wirklich kostet.

Beim Aldi herrscht Hochbetrieb. Oh, die Frau vom Bürovorsteher. "Guten Morgen . . . ach ja, irgendwie sind das ja alles hochwertige Produkte, oder? . . . Ja ja, so einmal im Monat kann man ruhig mal hier einkaufen?" Warum entschuldigt sie sich, fragt sich der Bürger und geht zielstrebig auf den Bereich mit Spezialangeboten zu. Ja, was ist denn das?! Ein "hochwertiger Bad-Teppich" erstrahlt in prächtigem Rot. Etwas über 7 Euro, das klingt günstig. Noch besser: ein "7-teiliges Frischhalteboxen-Set" für weniger als 3 Euro! Der Bürger fragt sich, ob er das wirklich braucht. Nein, eigentlich nicht. Aber er kauft es - als Beitrag zum wirtschaftlichen Aufschwung.