Das Wort zur Woche

Neulich fuhr ich mit dem Bus in die Innenstadt, um in St. Petri einem Orgelkonzert zu lauschen, denn ich spürte große Kälte im Herzen und auch am Leibe, die Temperaturen waren gefallen und ein eisiger Wind fuhr mir gnadenlos in den Schritt.

Im MetroBus 5 bahnte ich mir einen Weg zur Fahrzeugmitte, dorthin, wo diese Scheibe ist, die sich immer etwas dreht, wenn der Bus eine Kurve nimmt, und lauschte eine Weile dem Gespräch zweier wohl 15jähriger Burschen. "Man muß auf Leber hauen", erklärte gerade der eine seinem Begleiter, "dann stockt Blut." Der Verzicht auf jedweden Artikel, so dachte ich, erspart doch eine Menge Zeit und schadet dabei dem Gehalt einer solchen Aussage in keinster Weise. "Schon gemacht?" erkundigte sich der Begleiter des Leberhakendozenten interessiert. "Ja, was wohl, Digger", antwortete der Gefragte, und ob das nun ja oder auch nein heißen mochte, der Frager war's zufrieden und schwieg fortan, und da war ich froh, denn ich mag es, wenn im Bus keiner etwas sagt.

Vor St. Petri stand ein Eimer und daneben ein Bettelmann im zagen Schneetreiben; der Boden des großvolumigen Sammelbehältnisses, das er entweder aus Optimismus oder aber in Ermangelung eines kleineren Gefäßes aufgestellt hatte, war mit kleinen Münzen fast bedeckt, und im Wissen, daß ja kein Mensch gegen plötzliches oder schleichendes Unglück gefeit ist, warf ich einen Euro hinein, und der Mann sagte doch tatsächlich "Seid's gedankt, mein Herr", und das ging mir doch durch und durch, fast war's ein mittelalterliches Gefühl, das mich da anfiel.

Im Inneren der ältesten unter den fünf Hamburger Hauptkirchen hatten sich bereits einige Gläubige und vielleicht auch Ungläubige - äußerlich ist da ja kein Unterschied erkennbar - versammelt und harrten der Dinge. Als hätte er auf mein Eintreffen gewartet, griff alsbald Hans Gebhard in die Tasten der großen Beckerath-Orgel, die ja bald, so habe ich kürzlich erfahren, abgebaut und renoviert werden soll, weil sie nicht mehr so schön klingt. Und während Hans Gebhard, ein Kirchenmusiker, Dirigent und Orgelvirtuose vor - und hier paßt die Formulierung wirklich - dem Herrn hingebungsvoll "Warum betrübst du mich, mein Herz" intonierte, versuchte ich, angestrengt zu erlauschen, ob im Hauptwerk oder im Oberwerk der Orgel etwas nicht stimmen mochte, aber dann mußte ich doch feststellen, daß mir da das geschulte Gehör fehlt, sonst hätte ich Ihnen jetzt bestimmt noch weitere interessante Dinge erzählen können.