Innerhalb weniger Tage kletterten die Außentemperaturen merklich, Vögel zwitscherten, und Krokusse blühten auf. Federleicht hüpfte ich am zweiten Tag des Wetterumschwungs aus dem Bett und kochte mir ein schönes Frühstücksei. Munter sprang das Brot aus dem Toaster, ansehnlich schmolz die gute Rama, deutscher Bohnenkaffee dampfte fein in der Tasse, ein Haiku drängte sich auf: Stolz reckt der Krokus / das Köpfchen aus dem Boden / Herr Dallmayr lacht.

Als wäre der Sonnenschein zwischen Gott und den Wirtschaftsmächten abgesprochen, fand ich etwas später im Briefkasten Propagandamaterial eines Herrenausstatters; man möge, hieß es darin, sich rasch den Zugriff auf preiswerte Übergangskleidung sichern. Und so nahm ich gegen Mittag 75 Euro aus der Matratze und fuhr mit der Untergrundbahn in die Innenstadt, um eine leichte Joppe und vielleicht noch ein Hemd aus der - so die Bezeichnung in der Prospektur - "Young Spring Collection" zu erwerben.

In der Spitaler Straße herrschte reger Betrieb, die Luft roch nach Aufschwung und Regierungswechsel. So mental aufs feinste angefixt, betrat ich das Geschäft des Herrenausstatters, ging auf eine Verkäuferin zu und erklärte, heute Post von ihrem Arbeitgeber erhalten zu haben und das gute Angebot wahrnehmen zu wollen. Leider waren aber keine preiswerten Joppen und Hemden mehr vorhanden, da müsse ich früher aufstehen, mahnte die Verkäuferin und ließ abschließend ornithologisches Grundwissen aufblitzen, nämlich daß der frühe Vogel den Wurm fange, wie sie lachend sagte.

Spontan wie ein Felix Magath beschloß ich, die nahe Kunsthalle zu besuchen und dort durch Betrachtung schöner Bilder wieder zu innerer Ausgeglichenheit zu gelangen, und nur wenige Minuten später ließ ich den Blick zwischen "Der Watzmann" und "Das Eismeer" wandern, zwei ordentliche Bilder, die Caspar David Friedrich 1823 bzw. 1824 gepinselt hat. "Welche Erhabenheit und Unendlichkeit, oder?", fragte neben mir eine Frau einen Mann, der mit stumpfem Blick ein Wurstbrot aus dem Pergamentumschlag saugte. "Nicht meßbare Größe, unerreichbare Ferne. Symbole des Göttlichen", raunte ich der Frau zu. Liebevoll sah sie mich an. "Mein Mann macht sich nichts aus Kunst", sagte sie. "Was soll's, Zwiebelmett ist ja auch eine feine Sache", gab ich fröhlich zurück.

Daheim stopfte ich das Geld wieder in die Matratze, hielt ein kleines Schläfchen und träumte vom Watzmann. Wenn man das Bild gesehen hat, muß man da persönlich nicht mehr hin.