Das Wort zur Woche

Puh, das war doch sehr anstrengend. Da bin ich doch froh, dass ich viel später geboren bin und dass dieser Zweite Weltkrieg komplett an mir vorbeigegangen ist. Ach so, ich komme gerade aus einer Pressevorführung, da wurde "Der Untergang" gezeigt, Sie wissen schon, Hitler und so, ganz üble Geschichte, aber das muss ich Ihnen ja nicht erzählen.

Manchmal, oder besser: Oft, wenn ich nicht einschlafen kann, überlege ich, was wohl aus mir geworden wäre, hätte ich zur Zeit des Dritten Reichs gelebt. Ich meine, die Frage kann man sich durchaus mal stellen, das verschafft einem eine gewisse Klarheit über die eigenen charakterlichen Eigenschaften. Wäre ich in den Widerstand gegangen? Ich glaube nicht, ich bin eigentlich nicht der Typ, der Widerstand leistet, so direkte Konfrontation ist absolut nicht mein Ding. Neulich zum Beispiel, da bin ich mit dem Taxi eine ganz kurze Strecke gefahren, worüber die Taxifahrerin richtig sauer war, das hat sie mich deutlich spüren lassen, und eigentlich hätte ich da konsequent gegensteuern müssen, ich meine, soll ich etwa aus Jux eine lange Strecke fahren, möglicherweise noch in eine Gegend, wo ich niemanden kenne? Dann hat die Fahrerin noch geschimpft, weil ich nicht wusste, ob sie nun links oder rechts in die Sillemstraße einbiegen muss; ich bin dann einfach an der Ecke ausgestiegen und habe die Dame mit fünf Euro Trinkgeld beschämt.

Wenn ich mir so überlege, dass ich heute vom Schreiben lebe, kann ich mir durchaus vorstellen, seinerzeit im Reichspropagandaministerium tätig gewesen zu sein. Jetzt runzeln Sie bitte nicht die Stirn, das ist eine rein theoretische Vorstellung, ich meine, vielleicht hätte ich mir damals ja überhaupt keine Gedanken über den Nationalsozialismus gemacht. Vielleicht hätte ich einfach gedacht: Ach was, die anderen machen mit, also bin ich auch dabei. Möglich wäre das, als Texter muss ich heute ja auch manchmal Sachen schreiben, von denen ich nicht überzeugt bin. Erst kürzlich durfte ich einen Brief verfassen, in dem eine Versicherung angepriesen wurde, die eigentlich kein Mensch braucht, und eigentlich sollte ich da sagen: "Nein, das mache ich nicht." Aber eine solche Haltung bringt kein Brot in den Schrank, und überhaupt, damals hätte mich das vielleicht sogar den Kopf gekostet, der Hitler hat in diesen Dingen keinen Spaß verstanden, das ist auch in dem Film deutlich zu sehen.

Vielleicht hätte ich ihm aber doch gesagt, dass es so nicht geht, wer weiß. Jedenfalls bin ich froh, dass ich das nicht mehr herausfinden muss. Bernd Möhlmann

Der Untergang ab 16. 9. im Kino