Kreuztal. Fast jeder vierte Kreuztaler muss mit zu großer Lärmbelastung leben. Die Stadt kann kaum etwas dagegen tun. Schallschutzwand um Dreslers Park?

7538 Menschen in Kreuztal, also gut jeder und jede vierte Einwohner und Einwohnerin, sind einem Lärm an Hauptverkehrsstraßen von mehr als 55 db/A ausgesetzt, und nachts zwischen 22 und 6 Uhr ist es bei 4.401 immer noch lauter als 50 db/A. 20 Wohnungen sind sogar einem Lärm von mehr als 70 db/A ausgesetzt. Nach Berechnungen des Landesamtes für Natur und Umwelt müssten sich dadurch 1347 Menschen stark belastet fühlen, 307 unter Schlafstörungen und drei sogar unter Herzkrankheiten leiden.

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Die Kreuztaler Verwaltung hat diese und viele weitere Zahlen für die vierte Runde des Lärmaktionsplans aufbereitet, der jetzt, wie alle fünf Jahre, offengelegt wird. „Ein Papiertiger“, stellt Stadtplanerin Petra Kramer, im Infrastrukturausschuss fest. Denn ausrichten kann die Stadt gegen den Lärm nichts, wie aus der weiteren Auflistung hervorgeht: Fahrbahndecken wurden auf der HTS, der B 508 in Richtung Ferndorf, der B 517in Eichen und in Teilbereichen der L 908 (Siegener Straße, Heesstraße) erneuert, außerdem gibt es in Teilabschnitten der HTS Lärmschutzwände.

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Was auf der HTS in den nächsten Jahren passiert, weiß die Stadt nicht – in ihrem Lärmaktionsplan verweist sie auf den Landesbetrieb Straßen NRW, der für Bundes- und Landesstraßen zuständig ist. Dasselbe gilt für die B 517 von Kreuztal über Krombach nach Littfeld: „Ob und wann eine Weiterführung der Sanierung erfolgt, wird beim Landesbetrieb Straßen.NRW nachgefragt“. Nicht aufgeben will die Stadt die Frage nach einer zusätzlichen HTS-Anschlussstelle Eichen, die die Hagener Straße entlasten könnte. Bekannt ist, dass die Sanierung der B 508 einschließlich der Anlage von Radwegen in Kredenbach weitergeht und dass auf der L 908 in Buschhütten und Fellinghausen die Fahrbahndecke saniert werden soll. Lärnmentlastung verspricht sich die Stadt durch die Ortsumgehungskette 57-verbinden, die in Kreuztal mit der Südumgehung beginnt – allerdings für Kredenbach sogar eine Mehrbelastung bringt, solange die Straße dort endet. Fahrradfahren schließlich soll attraktiver werden, wenn der Radschnellweg nach Siegen eines Tages gebaut ist.

Bemühungen um Lärmminderung in Kreuztal „laufen größtenteils ins Leere“

Das Fazit im Entwurf des Lärmaktionsplans ist ernüchternd: Die zentrale Lage im Kreuzungsbereich zweier Talzüge mit prägenden Gewässern, zweier Eisenbahnstrecken und zweier Hauptverkehrsverbindungen in Verbindung mit einer dichten Bebauung und einer bewegten Topografie lasse „langfristige Strategien der Lärmminderung für Kreuztal größtenteils ins Leere laufen“. Auch eine Ausweisung „ruhiger Gebiete“, die besonderen Schutz vor der Zunahme von Lärm erhalten, ist der Stadt nicht möglich. Dazu fehle ein „umfassendes Bild der Lärmbelastung durch den gesamten Straßenverkehr“; der Plan erfasst nur die drei Bundesstraßen und die L 908. Allerdings habe das Stadtgebiet einen Waldanteil von fast 60 Prozent, „Allein dieser relativ hohe Waldanteil garantiert ruhige Gebiete.“ Durch eine Verstetigung des Verkehrsflusses, Parkraumbewirtschaftung und Stärkung des ÖPNV würden Lärmminderungen von bis zu für Menschen nicht wahrnehmbare 1 db/A bewirkt. „Dann sind Bürger aus der Liste der belasteten Personen verschwunden“, erklärt Petra Kramer, „aber sie spüren keine Entlastung.“

Wir können Maßnahmen planen, aber nicht umsetzen.
Petra Kramer, Stadtplanerin

Mit Tempo 30 noch längere Staus und noch mehr Lärm in Kreuztal?

„Wir können Maßnahmen planen, aber nicht umsetzen“, stellt Stadtplanerin Petra Kramer fest. Die Lärmaktionsplanung für die überörtlichen Straßen wäre daher besser beim Land oder den Bezirksregierungen aufgehoben, so wie die Bahn auch ihre eigene Lärmaktionsplanung für die Schienenstrecken erarbeitet. „Viel Lärm, wenig Aktion“, folgert Ausschussvorsitzender Andreas Müller (SPD). Claudia Groos (CDU) fragt nach 30 km/h auf Hauptstraßen, um dort „Rennen“ zu vermeiden. Petra Kramer ist skeptisch: Dann brauchten die Autos länger durch Kreuztal, die Rückstaus würden länger und letztlich die Lärmbelästigungen größer. Dieter Gebauer (Grüne) ist nicht überzeugt: „In Paris scheint das doch auch zu funktionieren.“

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„Die EU knebelt uns“, sagt Arne Siebel (CDU): Damit Deutschland einem Vertragsverletzungsverfahren entgeht, würden die Kommunen zur Lärmaktionsplanung gedrängt. „Mir ist es aber lieber, wir beschäftigen uns vor Ort damit, als dass Arnsberg oder Düsseldorf entscheiden“, wendet Harald Görnig (CDU) ein, nicht anders geschehe das bei der Windenergieplanung ja auch. Da habe die Stadt aber auch Handlungsmöglichkeiten, wendet Stadtbaurätin Christina Eckstein ein. Im Raum steht schließlich die Idee einer Schallschutzwand rund um Dreslers Park. Die könne die Stadt tatsächlich in eigener Verantwortung bauen, und die wäre auch wirksam, erwidert Petra Kramer. Sie mache nur meinen Sinn: Im Park wohnt schon seit fast 40 Jahren niemand mehr.

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