Kreuztal/Münster.

Das Oberverwaltungsgericht NRW in Münster hat am Freitag den Planfeststellungsbeschluss für die Südumgehung Kreuztal für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt. Die Straße darf damit vorerst nicht gebaut werden. Den weitergehenden Antrag des klagenden Reit- und Fahrvereins, den Planfeststellungsbeschluss ganz aufzuheben, hat es dagegen abgewiesen.

Das Interesse der Beteiligten war größer als die Kapazität der Sitzungssäle unter Corona-Bedingungen. Der 11. Senat zog schließlich in die Aula der Universität im Alten Schloss um. In einer Pressemitteilung nennt das Gericht die Gründe für das Urteil: 6,28 Hektar Fläche für Ausgleichsmaßnahmen gehören dem Verein. Es sei nicht ausreichend geprüft worden, ob naturschutzrechtliche Maßnahmen auch in einiger Ent­fernung zu der geplanten Trasse hätten realisiert werden können, damit Grundstücke des Vereins dafür nicht in Anspruch genommen werden müssten.

Andere Einwände des Vereins wies das Gericht dagegen zurück: Gegen Artenschutz und technische Vorgaben werde nicht verstoßen. Es gebe auch keine Verfahrensfehler, die sich auf die Planung auswirkten. Eine Revision wurde nicht zugelassen; dagegen kann sich das Land beim Bundesverwaltungsgericht beschweren.

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Von der Klage bis heute

Im Planfeststellungsbeschluss, den der NRW-Verkehrsminister Ende 2017 unterschrieben hat, werden auch die Belange des Reit- und Fahrvereins mit seiner Anlage auf dem Hubensgut oberhalb des Buschhüttener Mattenbachtals abgewogen. Eingeräumt wird darin, dass der Verein Pachteinnahmen und, wegen eines weniger attraktiven Angebots, auch Mitglieder und Einsteller verlieren kann, die Stallungen auf dem Hubensgut nutzen. 7,39 Hektar seines Geländes werden in Anspruch genommen, überwiegend für Ausgleichsmaßnahmen.

Ortsumgehungskette

Der 2,5 Kilometer lange Neubau der B 508 erhält einen zweistreifigen Querschnitt, der durch Überholfahrstreifen dreistreifig erweitert wird. Im Zuge des Streckenverlaufs sind sieben Brückenbauwerke notwendig.

Für die anschließende Ortsumgehung Kreuztal/Ferndorf läuft die Umweltverträglichkeits- und Variantenuntersuchung. Sie schließt an die Südumgehung an und mündet bei Allenbach auf die L 728.

Auch für die Ortsumgehung Hilchenbach gilt derselbe Planungsstand. Sie mündet im Bereich der Kronprinzeneiche in die B 62.

Die B 62 zwischen Kronprinzeneiche und Lützel wurde von 2014 bis 2019 verlegt und ausgebaut. Im weiteren Verlauf bis Erndtebrück soll die B 62 ab Lützel auf der vorhandenen Trasse ausgebaut und in einem Teilabschnitt mit einer dritten Spur versehen werden.

Für die Ortsumgehung Erndtebrück werden Varianten untersucht.

Die Perspektiven für den Verein sehen die Sachverständigen negativ: Es gebe mehr Mitbewerber und weniger Reitsportler, der Verein „lebt von seiner Substanz“, es gebe „kaum Chancen, dass sich die finanzielle Situation des Vereins verbessern könnte“. Die Frage, ob der Bau der Südumgehung die Existenz des Reit- und Fahrvereins gefährde, könne daher „letztendlich offen bleiben“. Auch auf die Bauphase geht die Bezirksregierung ein: „Laute, plötzlich auftretende Geräusche und Erschütterungen sind zu erwarten, auf die viele Pferde schreckhaft reagieren könnten.“ Davor sollen mobile Schallschutzwände schützen.

Im April 2020 hatte das Gericht die Nachbesserung des Planfeststellungsbeschlusses verlangt. Vermisst wurde ein Fachbeitrag zur Einhaltung der Europäischen Rahmenwasserrichtlinie. In dem im Februar 2018 offengelegten Planfeststellungsbeschluss, der Baurecht für die 3,1 Kilometer lange Querspange zwischen der HTS bei Buschhütten und der B 508 in Ferndorf schafft, war der Fachbeitrag zwar beigefügt. Er war aber nicht Teil der offengelegten Planung und daher auch nicht Gegenstand des Erörterungstermins. „Das ökologische Potenzial und der chemische Zustand des Oberflächenwasserkörpers des Ferndorfbaches sowie der mengenmäßige und chemische Zustand des Grundwasserkörpers verschlechtern sich nicht“, heißt es am Schluss der 41 Seiten langen Untersuchung.

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Ein Stück Südumgehung steht bereits: In Kredenbach wurde der Damm im Ferndorftal aufgeschüttet, der die Bauwerke 6 und 7 miteinander verbindet: 6 ist die 245 Meter lange Talbrücke über Bahn und das Industriegebiet, etwa zwischen der Lochanstalt Aherhammer und der Lkw-Waschanlage am Johannes­pfad. 7 ist die 110 Meter lange Talbrücke Ferndorf über den Ferndorfbach kurz vor der Einmündung in die jetzige B 508. Das ist der Zielpunkt der Querspange, die zwischen Buschhütten und Kreuztal von der HTS abzweigt und zwischen Mühlenkopf und Kilgeshahn ins Ferndorftal ­hi­n­überführt. Der Damm wurde noch nicht auf seine endgültige Höhe von etwa zehn Metern aufgeschüttet, sondern zunächst als niedrigere Anrampung, um von dort die beiden Brücken bauen zu können.

Die zwei Jahrzehnte davor

Februar 2018: Im Kreuztaler Rathaus liegt der Planfeststellungsbeschluss aus. Das Flurbereinigungsverfahren läuft schon, das den Grundbesitz auf einem Gebiet von insgesamt 270 Hektar zu beiden Seiten der geplanten Straße neu ordnet. 90 Grundstückseigentümer sind daran beteiligt.

August 2015: Mit dem Planfeststellungsbeschluss für die Kreuztaler Südumgehung ist in diesem Jahr nicht mehr zu rechnen, sagt der Landesbetrieb Straßenbau. Gerade in Auftrag gegeben wurde das Gutachten, in dem die wirtschaftlichen Konsequenzen des Straßenbaus für den Reit- und Fahrverein Kindelsberg und sein Reiterzentrum auf dem Hubensgut untersucht werden. Das NRW-Verkehrsministerium hebt den Planungsstopp für die Route 57 auf, mit Ausnahme der Südumgehung Kreuztal. Die hat das Land Nordrhein-Westfalen für den Bundesverkehrswegeplan gleich zwei Mal angemeldet: einmal so, wie sie im laufenden Planfeststellungsverfahrenvorbereitet wird. Und einmal mit einem 400 Meter langen Tunnel, der die Baukosten von 37 auf 82 Millionen Euro erhöhen würde.

Dezember 2014: Drei Tage dauert der Erörterungstermin in der Kreuztaler Stadthalle.

Februar 2011: 400 Einzeleinwendungen und dazu 3000 Namen auf Unterschriftenlisten liegen nach der Offenlegung des Plans für die Südumgehung vor.

Oktober 2010: Die Bezirksregierung leitet das Anhörungsverfahren ein.

August 2010: NRW-Umweltminister Johannes Remmel (Grüne) reagiert auf den Ausstieg Hessens aus der Planung für eine „Entwicklungsachse“ Kreuztal-Hattenbach: „Das müsste auch Folgen für die Planung der Ortsumgehung Kreuztal haben.“

Mai 2008: Mit dem Bau der Südumgehung zwischen Buschhütten und dem Ferndorftal könnte schon 2010 begonnen werden, sagt der Leiter der Straßen-NRW-Niederlassung in Kredenbach.

Februar 2007: Die Tunnellösung im Verlauf der künftigen Südumgehung ist für die große Mehrheit des Rates der Stadt Kreuztal erledigt.

Oktober 2006: Die Südumgehung Kreuztal hat es nicht in den Fünfjahresplan (“Investitions-Rahmenplan“) des Verkehrsministeriums geschafft. Dem Projekt wird nicht der Planungsstand bescheinigt, nach dem ein Baubeginn bis 2010 realistisch erscheint. Dazu habe der Kreuztaler Rat durch die lange Diskussion über einen Tunnelbau beigetragen, meint SPD-Bundestagsabgeordneter Willi Brase.

November 2003: Der Landesbetrieb Straßenbau plant die Kreuztaler Südumgehung ohne die von der Stadt angestrebte Tunnellösung.

August 2001: Der Verzicht auf einen Tunnel für die geplante Südumgehung zwischen Buschhütten und Ferndorf sei den Kreuztaler Bürgern nicht zuzumuten. Diese Auffassung vertritt der CDU-Bundestagsabgeordnete Paul Breuer während eines Informationsbesuchs bei der Stadt Kreuztal gegenüber Bürgermeister Rudolf Biermann.

November 2000: Mit zunehmenden Staus in der Kreuztaler Stadtmitte rechnet die UWG nach dem Weiterbau der HTS. Zur weiteren Entlastung der Stadtmitte sei „alsbald“ auch die Südumgehung zu bauen – mit Tunnel.

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