Siegen. Die Stadt Siegen möchte auf weit mehr Straßen als bisher Tempo 30 einführen. Das geht aber nur über einen Umweg – und mit Hilfe anderer Städte.

Tempo 30 auf – möglicherweise – allen Straßen im Stadtgebiet wird wahrscheinlicher. Der Verkehrssauschuss sprach sich bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung dafür aus, dass Siegen sich der Initiative „Lebenswerte Städte durch angemessene Geschwindigkeiten“ anschließen soll. Den Antrag hatten Grüne, Linke und Volt gemeinsam gestellt. Dass es bei dem Thema Diskussionsbedarf gibt, zeigte sich im weiteren Verlauf der Sitzung bei einem anderen Tagesordnungspunkt: Der Auswertung von Geschwindigkeitsmessungen am Kampen.

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„Wir haben aktuell von Seiten der Stadt wenig Möglichkeiten, wenn es darum geht, an sinnvollen Stellen eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h einzuführen“, begründete Jannik Krüger (Volt) den Antrag. Die Initiative, mit Beteiligung des Deutschen Städtetags von der „Agora Verkehrswende“ (ihrerseits eine Initiative der Stiftung Mercator und der European Climate Foundation) organisiert und im Juli 2021 vorgestellt, will daran etwas ändern.

Siegen: Tempo 30 auf allen Straßen erfordert Gesetzesänderung auf Bundesebene

Erforderlich wäre nämlich eine Gesetzesänderungen auf Bundesebene, damit Kommunen „ohne weitere Einschränkungen Tempo 30 als Höchstgeschwindigkeit innerorts dort anordnen können, wo sie es für notwendig halten“, wie die antragstellenden Fraktionen aus einer Erklärung der Initiative zitieren. Bisher setzt „Tempo 30“ eine dezidierte Begründung voraus – etwa Einrichtungen wie Schulen, Krankenhäuser oder Seniorenresidenzen an den jeweiligen Straßen.

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Ziel ist, wie der Titel der Initiative bereits deutlich macht, eine Erhöhung der Lebensqualität durch weniger Lärm, geringere Emissionen und mehr Sicherheit für alle Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmer, insbesondere Radfahrer und Fußgänger. 20 km/h weniger hätten spürbare Effekte, wie Jannik Krüger betonte. So seien bei Verkehrsunfällen mit Tempo 30 schwere Verletzungen um 60 bis 70 Prozent weniger wahrscheinlich als bei Tempo 50.

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Martin Heilmann (Grüne) nannte den Betritt zur Initiative „absolut sinnvoll“, Silke Schneider (Linke) hob hervor, „dass alles getan werden muss, um das Klima zu schützen“. Radfahrer, so die Kommunalpolitikerin weiter, könnten sich dann außerdem „angstfreier bewegen“. Das flächendeckende Tempo-30-Limit habe darüber hinaus bereits „in großen Städten funktioniert“. Es gilt in Europa unter anderem in Paris, Madrid, Brüssel und London. Über den Beitritt zur Initiative entscheidet final der Rat in seiner Sitzung am 2. März.

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Während dieser Antrag ohne größere Debatte und mit klarer Mehrheit abgehandelt wurde, kam es kurz darauf über ein verwandtes Thema zu einer längeren Diskussion. Die Verwaltung stellte die Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessungen in der Kampenstraße vom 17. bis 21. Januar vor. Immer wieder beklagen Anwohnerinnen und Anwohner, dass zu schnelle Autos – insbesondere aus der Poser-Szene – dort unnötigen Lärm verursachen.

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Die zulässige Höchstgeschwindigkeit variiert im Verlauf der Straße. In der Oberstadt gilt Tempo 30, ab Ende „Marburger Tor“ 50, ab der Einmündung Sankt-Michael-Straße, wo auch das Gelände des St. Marien-Krankenhauses beginnt, bis zur Einmündung in die Sandstraße am Kaisergarten wieder 30. Die Geschwindigkeitsmessungen erfolgten auf Höhe von Hausnummer 33, von oben kommend kurz vor dem Abzweig zur Sankt-Michael-Straße, wo 50 km/h erlaubt sind. Ergebnis: bergab waren 85 Prozent der gemessenen Fahrzeuge bereits 50 Meter vor dem 30er-Schild langsamer als 42 km/h. Bergauf liegt dieser statistische Wert bei 43 km/h. Gemessen wurden talwärts 14.134 Kraftfahrzeuge (davon 10.540 Pkw), in der Gegenrichtung 11.855 (davon 9439 Pkw). Insgesamt waren lediglich zwei Autos schneller als 70 km/h (72 und 77), 19 lagen zwischen 61 und 70 km/h.

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Jannik Krüger (Volt) merkte an, seine Fraktion sehe „die Datenlage als mäßig aussagekräftig an“ – eine Äußerung, die bei anderen Ausschussmitgliedern auf harsche Kritik stieß. „Das sind gemessene Daten!“, hielt etwa Thomas Neumann (SPD) dagegen. Tatsächlich fanden laut Verwaltungsunterlagen Messungen zu allen Tages- und Nachtzeiten statt – wobei der Januar nicht gerade die Hauptsaison der Poserszene ist, die bevorzugt zu wärmeren Jahreszeiten unterwegs ist.

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Jannik Krüger unterstrich denn auch, dass es nicht um den Verkehrsfluss insgesamt in diesem Bereich gehe, „sondern um die Lärmbelästigung, die durch einzelne entsteht“. Dem schloss sich Martin Heilmann an: „Wenn Sie da abends nur 15 Leute haben, die ihren Wagen hochprügeln: Dann stehen sie senkrecht im Bett.“ Beide sprachen sich für eine durchgehende Begrenzung auf Tempo 30 aus. Silke Schneider warf in Anbetracht der gemessenen Werte von 42 beziehungsweise 43 km/h noch eine ganz andere Frage auf: „Warum machen wir da nicht längst 30? Die Zahlen sagen ja, dass man 50 an dieser Stelle gar nicht braucht.“

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Der Ausschuss folgte letztlich einem Vorschlag von Thomas Neumann, den dieser für SPD und CDU machte. Die Kampenstraße wird nun in die generellen Betrachtungen zum Thema Tempo-30-Zonen aufgenommen.

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