Kreuztal/Siegen. „Behörde hat’s verstanden“: Lärm, Wertverlust, und Nachteile für Reitwege durch Schnellstraßen-Neubau bleiben aber, betont der Vereinsvorstand.
Noch bis Freitag, 3. November, liegt die geänderte Planung für die Kreuztaler Südumgehung aus – nicht nur im Rathaus Kreuztal, sondern auch bei der Stadt Siegen im Rathaus Geisweid. Denn für Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen sind nun auch Flächen auf der Trupbacher Heide und im Leimbachtal auf Siegener Stadtgebiet vorgesehen. Der Reit- und Fahrverein Kindelsberg wird daher kein weiteres Mal klagen.
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Hauptpunkt der Planänderung ist der Wegfall von Ausgleichsmaßnahmen im Bereich des Mühlenkopfs im Kreuztal. Der Reit- und Fahrverein Kindelsberg hatte gegen den im November 2017 erlassenen Planfeststellungsbeschluss geklagt – der Verein sieht sich in seiner Existenz bedroht, wenn er nicht nur Flächen für den Straßenbau abgeben muss, sondern auch Einschränkungen durch ökologische Ausgleichsmaßnahmen hinnehmen muss. Das Oberverwaltungsgericht NRW hatte daraufhin im Februar 2021 den Planfeststellungsbeschluss zwar nicht aufgehoben, aber wegen der Benachteiligung des Vereins für rechtswidrig erklärt. „Die vorgesehene Inanspruchnahme von Flächen des Klägers für naturschutzrechtliche Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (ist) abwägungsfehlerhaft“, heißt es in den Urteil. Beanstandet wurde ein Verstoß gegen das „Übermaßverbot“.
Infoveranstaltung
Die Straßen.NRW-Regionalniederlassung Südwestfalen bietet am Donnerstag, 26. Oktober, 17 bis 18 Uhr, wieder eine digitale Infoveranstaltung zum Projekt „57-verbinden“ an – den Streckenzug der Bundesstraßen B 508 und B 62 zwischen Kreuztal und Erndtebrück, der an die Kreuztaler Südumgehung anschließt. Der Zugang zu der Veranstaltung ist möglich über die Projektseite www.57-verbinden.de.
„Neubau der B 508 – Teil-Ortsumgehung Kreuztal (HTS – Querspange B 508) in Kreuztal (auch Stadtteile Buschhütten und Ferndorf) von Bau-km 0+000 (Anschluss an die Hüttentalstraße zwischen deren Anschlussstellen Buschhütten und Kreuztal, südlich der Liesewaldsiedlung) bis Bau-km 2+487 (Anschluss an die B 508 Kreuztal-Ferndorf – Kreuztal-Kredenbach, ca. 240 m östlich der OD-Grenze Kreuztal-Ferndorf“: Das ist der offizielle Titel für das Vorhaben, zwischen HTS und B 508 vom Mattenbach- ins Ferndorftal eine zweieinhalb Kilometer lange dreispurige Bundesstraße zu bauen, die auf der Kuppe zwischen Mühlenkopf und Kilgeshahn auf 230 Metern sogar vierspurig wird.
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Für den Anschluss in Buschhütten wird ein zwölf Meter tiefer Einschnitt erforderlich, ab da verläuft die Südumgehung auf einem bis zu zwölf Meter hohen Damm, wie aus dem nun erstmals offen gelegten Beitrag zur Wasserrahmenrichtlinie hervorgeht. Brücken werden über ein Seitental des Mattenbachs (75 Meter), über die Bahnstrecke Kreuztal-Hilchenbach ( 245 Meter) und den Ferndorfbach (110 Meter) gebaut.
Stellung nehmen können Betroffene nun nicht mehr zu der gesamten Planung, die bereits im November 2010 offengelegt wurden, sondern nur noch zu den geänderten „Deckblättern“. Im Erläuterungsbericht zum „Mängelheilungsverfahren“ heißt es: „Im Sinne des Abwägungsgebotes zur Wahrung der Eigentumsinteressen des Klägers wurden alternative Flächen für die naturschutzrechtlichen Maßnahmen gefunden und das Maßnahmenkonzept entsprechend angepasst.“ Der Grundstückseigentümer der Trupbacher Heide – das ist die NRW-Stiftung – sei einverstanden. Ihm wird zugestanden, den Rückkauf der betroffenen Flächen durch den Bund zu verlangen, der die Kosten der Pflege übernehmen muss.
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Diese Maßnahmen werden gestrichen
Auf 2980 Quadratmeter Waldrand nördlich der Trasse bei Kilometer 0,65, nördlich und östlich der Reithalle, die bisher für Ackerbau genutzt werden, sollte eine „Gras-, Kraut- und Hochstaudenvegetation“ entstehen.
53.000 Quadratmeter Acker südlich des Mühlenkopfs sollten „Extensivgrünland“ werden. Für den Reitverein waren die Beschränkungen der Weidenutzung nachteilig: nur zwei Pferde je Hektar zwischen Mitte März und Mitte Juni, nur danach bis Ende, von da bis Mitte März überhaupt nicht. Entstehen sollte dort (Ersatz-) Lebensraum für den Neuntöter, eine für gefährdet gehaltene Vogelart. Ein Brutpaar wurde beim Kuhtränker Schlag beobachtet, auf zwei weitere Brutpaare östlich der Reithalle gab es 2013 Hinweise, heißt es im Artenschutzbericht. Der Neuntöter legt jedes Jahr neue Nester in geeigneten Strukturen wie zum Beispiel Dornenhecken an. Ein Ausweichen des Neuntöters in die angrenzenden verbleibenden Heckenstrukturen erscheint aufgrund der Zerschneidungswirkungen, der in Anspruch genommenen Brut- und Nahrungshabitate und in Anbetracht der teils kleinräumigen noch verbleibenden denkbaren Brut- und Nahrungshabitate nicht ohne weiteres möglich. Aus diesem Grund sind weitere Maßnahmen erforderlich.“
Weitere 2730 Quadratmeter Acker am Südhang des Mühlenkopfs sollten – ebenfalls für den Neuntöter – mit Dornenhecken bepflanzt werden.
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Diese Maßnahmen sind neu
1537 Quadratmeter Grünland auf der Trupbacher Heide direkt neben einem Flora-Fauna-Habitat-Schutzgebiet (FFH) werden für Dornenhecken und -sträucher verwendet. „Für zwei Paare des Neuntöters als planungsrelevante, betroffene Art wird Lebensraum geschaffen.“
17.733 Quadratmeter ehemaliger Fichtenforst auf der Trupbacher Heide, der durch Dürre und Borkenkäferbefall zerstört wurde, werden umgewandelt. Dort soll ein Nieder- und Mittelwald gepflanzt werden. „Um zusätzliche Strukturen für Beutetiere und den Neuntöter selbst zu schaffen sind vielgestaltige Waldränder (…) zu entwickeln. (…) Entsprechend der im Siegerland in den Niederwäldern typischerweise vorkommenden Baumarten sind bei der späteren Nutzung die Birke und die Stiel-Eiche besonders zu fördern.“
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Weitere 32.649 Quadratmeter Grünland auf der Trupbacher Heide sollen – ebenfalls als Lebensraum für den Neuntöter - extensiver als bisher bewirtschaftet, gelegentlich gemäht und mit Schafen beweidet werden.
Auf 43,3 Hektar (bisher: 44 Hektar) sind Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen vorgesehen. Weil die auf der Trupbacher Heide vorgesehenen Maßnahmen nicht ausreichen, wird eine Ersatzmaßnahme im Bereich der Grube Ameise im Leimbachtal vorgesehen: 5,32 Hektar Eichenwald werden für 100 Jahre sich selbst überlassen. „ Durch den vollständigen Nutzungsverzicht innerhalb der rechtlich gesicherten Fläche wird eine natürliche Entwicklung zugelassen“, heißt es im erneuerten landschaftspflegerischen Begleitplan, der zugleich auch Umweltverträglichkeitsuntersuchung ist. „Hierdurch wird auch die im unmittelbaren Umfeld der Fläche nachgewiesene streng geschützte (..) Bechsteinfledermaus gefördert.“
Neu eingeplant werden Forst- und Wirtschaftswege entlang der Straßentrasse, Rückewege und Rampen für Rückegassen.
Das passiert außerdem
Neben den Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen im Bereich der Trasse der Südumgehung sind weitere Maßnahmen vorgesehen, die gegenüber dem ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss unverändert bleiben sollen. Dazu gehören Windwurfflächen im Staatswald westlich von Fellinghausen, die aufgeforstet werden sollen, eine Umwandlung von 3637 Quadratmetern Nadelwald im Ferndorfer Zitzenbachtal in Grünland oder Brachen sowie die Offenlegung eines Abschnitts des Wurmbachs in Mittelhees.
Nicht verändert werden Artenschutzmaßnahmen für andere - außer dem Neuntöter – vom Straßenbau betroffene Arten. Acht Höhlenbäume des braunen Langohrs, des großen und des kleinen Abendseglers, der großen und kleinen Bartfledermaus, des Mückenseglers, der Wasserfledermaus und der Fransenfledermaus werden durch 16 Fledermauskästen ersetzt. Um die Zwergfledermaus vom Jagen im Straßenbereich abzuhalten, werden die Fahrbahnränder dicht bepflanzt. Die Haselmaus wird in Haselmausnistkästen und Haselmausröhren gelockt und umgesetzt und aus dem Gefahrenbereich „vergrämt“. „Geeignete Habitate (…) sind im Umfeld durch die vielen Windwurfflächen mit Brombeeren, Himbeeren, Holunder und Hasel reichlich vorhanden, so dass kein Mangel an geeigneten Strukturen besteht.“ Der Waldkauz hat sein Revier in nur 110 Metern Abstand zur Straßentrasse. Für ihn werden zehn altre Eichen und Rotbuchen erhalten. Bis darin Höhlen entstehen, werden für die Eulen noch vor Baubeginn an drei Bäumen Nistkästen angebracht.
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Das sagen Reitverein und Stadt Kreuztal
„Wir sind von den Ausgleichsmaßnahmen nicht mehr betroffen“, stellt Dr. Gert Bültermann, Vorsitzender des Reit- und Fahrvereins Kindelsberg, fest. Den Einwendungen des Vereins sei „voll Rechnung getragen“ worden. Gegen die vorgelegten Änderungen werde der Verein keine Eingaben machen, eine weitere Klage gegen einen geänderten Planfeststellungsbeschluss ist damit nicht mehr möglich. „Die vielen Jahre, die wir mit großem nervlichen und finanziellen Engagement vorgegangen sind, haben sich gelohnt. Die Behörde hat’s verstanden.“
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Der Verein hatte angeführt, dass die Nutzungsbeschränkungen auf den Ausgleichsflächen die Existenz des Vereins bedrohen. In den Planfeststellungsbeschluss war ein Gutachten übernommen worden, das dem Verein ohnehin keine Zukunftsperspektive einräumte – dagegen hatte der Verein erfolgreich beim Oberverwaltungsgericht geklagt. Verlust wird der Verein dennoch in Kauf nehmen müssen, wenn die Südumgehung gebaut wird. Etwa einen Hektar Land wird er für den Straßenbau abgeben müssen. Dr. Gert Bültermann rechnet mit Lärm, Durchschneidung des Reitwegenetzes und Wertverlust des Vereins-Anlagevermögens, zu dem auch ein Sechs-Familienhaus gehört. „Diese negativen Einflussfaktoren bleiben, ganz zu schweigen von dem Eingriff in die Natur. Dass wir keine Freunde dieser Naturzerstörung sind, können wir nicht leugnen.“
Die Stadt Kreuztal äußert sich bisher nicht zu der geänderten Planung. „Wir sind noch in der Prüfung“, sagt Stadtbaurätin Christina Eckstein auf Anfrage dieser Zeitung.
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