Kreuztal/Hilchenbach. Straßen NRW legt eine Verkehrsuntersuchung für die Ortsumgehungen Kreuztal-Schameder vor. Große Sorge in Lützel.
Zwei Fragen gehen aufs Ganze. Der eine will wissen, wann denn mit dem Bau der Ortsumgehungen begonnen wird. Der andere, ob die Planung von „57-verbinden“ – so nennt Straßen NRW den hier auch als „Route 57“ beworbenen Straßenzug von Kreuztal nach Schameder – auch wieder abgeblasen werden kann, etwa mit dem neuen Bundesverkehrswegeplan. Kevin Lass, Projektleiter bei Straßen NRW, kann die zweite Frage präzise beantworten: „Natürlich“ könne, die Ortsumgehungskette wieder einmal durch eine Bundestagsmehrheit gestrichen werden, „dann ist der Planungsauftrag nicht mehr da.“ Bei der Sache mit dem Baubeginn tut Kevin Lass sich schwerer: „Das ist ein Blick in die Glaskugel.“ Etwa zehn Jahre dauert es erfahrungsgemäß von der ersten Planung bis zum Baubeginn. Zwei Jahre sind rum.
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Wie viele Autos auf welcher Straße?
In Spitzenminuten bis zu 90 Teilnehmende sind bei dieser zweiten digitalen Infoveranstaltung dabei. Im Mittelpunkt steht die Vorstellung der aktuellen Verkehrsuntersuchung: Wie verändern sich die Verkehrsströme mit der Südumgehung Kreuztal, der Ortsumgehung Ferndorf und der anschließenden Ortsumgehung Hilchenbach?
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Die Zahlen zeigen: Je weiter die Ortsumgehungskette wächst, desto stärker wird die Kreuztaler Südumgehung genutzt und um so größer ist die Entlastung auf der alten B 508. Umgekehrt: Wenn es bei der Südumgehung Kreuztal bleibt, läuft eine Verkehrslawine auf Kredenbach zu; statt 16.900 werden dann 23.200 Fahrzeuge zwischen der Südumgehung und dem Abzweig der L 729 nach Netphen fahren.
Stark entlastet wird die B 508 zwischen Dahlbruch und Allenbach, wenn beide Ortsumgehungen im Ferndorftal gebaut sind. Auf den Abschnitt zwischen Allenbacher Kreisel und Hilchenbach wirkt sich die neue Straße nicht aus – der Verkehr kommt ins Tal zurück und läuft auf Hilchenbach und die L 728 Richtung Sauerland zu.
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Mehrbelastungen kommen auf die B 62 in Lützel zu, außerdem auf die L 728 von Herzhausen und Allenbach, wenn auf der Oberbach ein Anschluss an die Ortsumgehungskette erfolgt. Dagegen wird die B 62 in Dreis-Tiefenbach und, mit der Hilchenbacher Umgehung, auch zwischen Applauskurve und Kronprinzeneiche entlastet.
Ob die Straße wirklich gebraucht werde, wenn doch die Verkehrsbelastung abnehme, fragt jemand nach dem Blick auf die Zahl für Lützel. „Das liegt im Toleranzbereich“, antwortet Planer Gabriel Korstian – zu berücksichtigen sei bei den Werten von 2021 auch die Corona-Pandemie, während der der Verkehr insgesamt reduziert war.
Kommt die Abfahrt Unglinghausen?
Elke Bruch, Ortsbürgermeisterin von Unglinghausen, weist darauf hin, dass das Verkehrsaufkommen insgesamt steigt – und nicht einfach von der alten B 508 auf die neuen Ortsumgehungen verlagert wird. Gabriel Korstian bestätigt das: „Das ist möglich durch Verkehrsverlagerungen“ – die Strecke wird attraktiv. „Auch die B 62 in Dreis-Tiefenbach wird davon profitieren.“ – „Man muss davon ausgehen, dass die Verkehrszahlen im Ferndorftal sich noch weiter erhöhen“, sagt Wolfgang Weber-Barteit vom Bund für Umwelt und Naturschutz (BUND). Nämlich dann, wenn auf hessischer Seite die Verlängerung von Schameder nach Frankenberg geplant wird und die Verbindung auch für den Fernverkehr an Bedeutung gewinnt.
Ein Teilnehmer fürchtet, dass Ortschaften verstärkt belastet werden, an denen die Ortsumgehungskette jeweils endet. „Die Teilabschnitte werden ja nicht gleichzeitig gebaut.“ Vielleicht doch, erwidert Gabriel Korstian. Denkbar wären eine gemeinsame Linienbestimmung oder sogar ein zusammenhängender Bau der Ortsumgehungen Ferndorf und Hilchenbach.
Dirk Becker, Ortsvorsteher von Lützel, fordert, noch einmal über eine Ortsumgehung nachzudenken. Wenn alle Ortsumgehungen im Ferndorftal gebaut seien, werde sich der Verkehr auf der B 62 durch Lützel verdoppeln. „Lützel ist der große Verlierer.“ Kevin Lass erinnert daran, dass die Planung einer Ortsumgehung Lützel wegen der umliegenden FFH-Schutzgebiete aufgegeben wurde.
Wie weit ist die Planung?
Südumgehung Kreuztal: Das Oberverwaltungsgericht hat den Planfeststellungsbeschluss für rechtswidrig erklärt, weil der Reit- und Fahrverein Kindelsberg mit seiner Reitanlage auf dem Hubensgut einseitig belastet wird – nicht nur durch den Straßenbau, sondern auch durch die dort konzentrierten Ausgleichsflächen. „Wir haben jetzt eine Lösung gefunden, sagt Kevin Lass. In diesem Jahr werde das Planergänzungsverfahren eingeleitet.
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Was denn aus der B 508 in Kreuztal wird, wenn die Südumgehung in Betrieb geht, fragt jemand. Eine verkehrsberuhigte Stadtstraße? Oder eine Landesstraße, sagt Kevin Lass. „Der Bund möchte nicht zwei Straßen parallel unterhalten.“ Sofort meldet sich Jochen Simon, Mitarbeiter im Kreuztaler Tiefbauamt: „Dem kann aus Sicht der Stadt Kreuztal nur widersprochen werden.“ Die alte B 508 bleibe wichtig für den Verkehr ins und aus dem Heestal, außerdem für den Stadtteil Eichen, der mangels eigener Abfahrt über Südumgehung und HTS nicht angebunden wird.
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Ortsumgehung Ferndorf: Der Abschnitt von der Südumgehung Kreuztal bis zur Oberbach bei Allenbach wird seit 2016 geplant. Derzeit läuft die Untersuchung verschiedener Varianten, eine auf dem Höhenzug, eine mehr auf Netphener Gebet, eine unten im Ferndorftal. Nächster Schritt wird die Linienbestimmung, dann folgen Entwurf- und Genehmigungsplanung, Planfeststellung und Ausführungsplanung.
„Natürlich untersuchen wir alle Möglichkeiten“, antwortet Kevin Lass auf die Frage nach Tunnellösungen. „Aber auch ein Tunnel erzeugt Eingriffe, er ist nicht unbedingt die verträglichste Lösung.“ Sollte ein Tunnel dann auch noch in offener Bauweise errichtet werden müssen, werde es lange dauern, „bis das alles wieder zugewachsen ist“. Eine Rolle spielten auch die Kosten – die dann möglicherweise nicht mehr durch entsprechend großen Nutzten aufgewogen werden. Für die ortsnahe Variante der Umgehung Ferndorf, die hinter den Bahngleisen verlaufen würde, sind in Kredenbach und Dahlbruch insgesamt drei Tunnel vorgesehen.
Elke Bruch, Ortsbürgermeisterin von Unglinghausen, fragt nach einer eigenen Abfahrt Kredenbach/Unglinghausen – bisher ist die nächste Anschlussstelle nach Ferndorf auf der Oberbach zwischen Allenbach und Herzhausen geplant. Das, so antwortet Kevin Lass, werde noch untersucht. „Wenn wir die Variante haben, stellen wir sie vor.“ Manfred Oerter aus Unglinghausen weist darauf hin, dass der Rat der Stadt Netphen Trassenführungen auf Netphener Stadtgebiet ablehne. „Dann ist das doch tabu.“ Kevin Lass weist darauf hin, dass der Landesbetrieb einen Auftrag des Bundes ausführt, „und der ist noch da.“
Ortsumgehung Hilchenbach: Auch die ist, seit 2016, wie Ferndorf und Erndtebrück, im ersten Stadium der Vorplanung. Auch da gibt es Varianten, wie die Verknüpfung mit der B 62 auf der Kronprinzeneiche erreicht wird: entweder über den Höhenzug, oder von unten durchs Insbachtal. In der zweiten Jahreshälfte soll die „Raumwiderstandskarte“ fertig sein. Dann wird klarer, welche Trasse am ehesten mit Natur und Landschaft verträglich ist.
Kronprinzeneiche-Lützel: Dieser Abschnitt wurde schon von 2014 bis 2019 gebaut., als der Hang abzurutschen drohte. „Wir mussten schnell handeln“, antwortet Kevin Lass auf die Frage, warum dieses Stück nicht großzügiger und dreispurig gebaut wurde. „Es ging darum, die Böschungsbereiche zu entlasten.“
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Lützel-Erndtebrück: Die Strecke bekommt dreispurige Abschnitte, Kurven werden entschärft, der Bahnübergang Altenteich wird überbrückt. Die Entwurfsplanung ist fertig, jetzt wird das Planfeststellungsverfahren vorbereitet, außerdem wird ein Flurbereinigungsverfahren eingeleitet.
In Altenteich steht ein Haus auf der Straßentrasse. Der Landesbetrieb habe bei der Zwangsversteigerung nicht mitbieten können, „wir hatten noch nicht die rechtliche Grundlage“, sagt Kevin Lass. Der neue Eigentümer hat das Haus saniert – an der Trassenführung der B 62 ändert das nichts: „Wir gehen über das Grundstück.“ Denn wegen der umliegenden FFH-Schutzgebiete sei ein Ausweichen nicht möglich. „Das wird dann im Planfeststellungsverfahren geregelt“, deutet der Straßen-NRW-Projektleiter das weitere Vorgehen an. Mit dem Planfeststellungsbeschluss bekommt die Behörde das Recht, die Immobilie zu enteignen.
Ortsumgehung Erndtebrück: „Das sind wir noch ein bisschen weiter hinten“, sagt Kevin Lass. Derzeit wird an der Umweltverträglichkeitsstudie gearbeitet, erst danach werden Varianten entworfen und die Vorzugsvariante ausgewählt, für die Baurecht geschaffen wird.
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