Siegen. „Wir haben ein kleines Karstadt-Problem...“: Dabei lief es mit dem nächsten 17-Millionen-Meilenstein am neuen Campus gut für Stadt und Uni Siegen
Die Uni zieht in die Stadt, dabei bleibt es und niemand von den Verantwortlichen stellt das in Frage – im Gegenteil. Dass die Hochschule in Siegen selber baut, statt wie üblich den Bau- und Liegenschaftsbetrieb des Landes (BLB NRW) bauen zu lassen; dass sie dabei Bestandsgebäude umnutzt, statt für Neubauten abzureißen und die Hochschule räumlich im Zentrum verankert, ist im Sinne aller – der Uni, der Stadt, der Landesregierung. Das Projekt „Siegen – Wissen verbindet“ ist zuletzt allerdings ins Stocken geraten, was nicht zuletzt der Warnschuss der Karstadt-Eigentümer zeigte, das Gebäude verkaufen zu wollen, wenn es nicht langsam mal weitergehe. Die Neueröffnung eines weiteren „Meilensteins“ des Umzugs-Projekts, das „Studienservice Center“ (SSC) an der Sandstraße am Dienstag, 28. Mai, war die passende Gelegenheit, bei der zuständigen Ministerin aufs Tempo zu drücken.
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Sie sei „Fan des schnellen Bauens“, sagt Ina Brandes, in der Landesregierung zuständig für Kultur und Wissenschaft. Das sei NRW-weit dringend nötig und gelinge in Siegen „immer wieder vorbildlich“. Über eine eigene Immobiliengesellschaft tritt die Uni in der Innenstadt selbst als Bauherrin auf, nachdem sie die Grundstücke gekauft hat. Einen solchen Weg wie in Siegen hätten bereits viele Unis eingeschlagen, „Siegen ist den Weg am konsequentesten und erfolgreichsten gegangen.“
Klingt nicht nach einer weiteren Tempo-Drosselung für den weiteren Uni-Umzug
Uni Siegen zieht in die Stadt - „So soll es sein, so soll es bleiben“
Das SSC sei eine zentrale Anlaufstelle für immer vielfältigere und internationalere Studierende – Fachkräfte, die Uni, Stadt und Südwestfalen als eine der wichtigsten deutschen Wirtschaftsregionen dringend brauchen. „Und dafür brauchen wir solche Angebote“, bekräftigt die CDU-Politikerin, „ein rundum gelungenes Projekt“. Brandes legt nach: Neben einem guten Gebäude für die Uni habe die Stadt keine leerstehende Gewerbeimmobilie mehr an der Backe - eine Herausforderung für viele Städte. Auch für Siegen, wie wenige Meter weiter oben an der Kölner Straße zu besichtigen ist. Die Uni solle noch stärker Teil der Stadt werden als bisher, bekräftigt die Ministerin: „So soll es sein, so soll es bleiben.“
In der Tat fügt sich das ehemalige Möbelhaus Wonnemann nahtlos ein in zahlreiche bisherige Großprojekte im Rahmen des Uni-Umzugs, wie Kanzler Ulf Richter aufzählt, dem Rektorin Stefanie Reese bescheinigt, beim Bauen alle Fäden in der Hand zu halten und ohne den das neue Gebäude nicht pünktlich und im Kostenrahmen hätte erstellt werden können. Ehemaliges Gefängnis: Bibliothek. Altes Stadtkrankenhaus: Fakultät. Karstadt: Hörsaalzentrum, wenigstens zum Teil. Parkpalette: „Schönste Mensa NRWs“. Jetzt ein ehemaliges Möbelhaus: SSC. Die nächsten Projekte sind schon im Anstich: Noch ein altes Kaufhaus (Hettlage) wird Bibliothek (Richter: „Wir zeigen erneut, dass wir mit Bestandsbauten sehr gut umgehen können“), das ehemalige Druckhaus Häutebachweg wird Fakultätsgebäude, ebenso die alte Textilfabrik an der Friedrichstraße. Die letzten beiden müsse man dringend vorziehen, weil man Flächen im Bestand nicht mehr lange halten könne –der Zustand sei so schlecht, man könne sie nicht mehr lange nutzen.
Umzug nach Siegen: „Unis können bauen - wenn man sie lässt„
Dies alles: „integrale Bestandteile des Masterplans“, bekräftigt der Kanzler, der nächstes Jahr aktualisiert dem Ministerium vorgelegt werden soll in der Hoffnung, dass das Land auch weiter die nötigen Bau-Millionen bereitstellt, ohne die in Siegen in dieser Größenordnung nicht gebaut werden kann und die zuletzt etwas spärlicher flossen. Dass eine Uni den reduzierten aber immer noch vorhandenen Platzbedarf effektiv unter einen Hut bringt mit der Erhaltung grauer Energie in Bestandsgebäuden, sei alles andere als selbstverständlich, betont der Verwaltungschef. „Unis können bauen“, sagt er, durchaus selbstbewusst, „effizient und zügig. Wenn man sie lässt.“ Mit den „neuen“ Aspekten des Campusbaus – Nachhaltigkeit, Partizipation, Aufenthalts- und Nutzungsqualität– zahle man genau auf die vom Land geforderten Leitlinien ein. Auch mit dem 17,3 Millionen Euro teuren und 2000 Quadratmeter (Nutzfläche) großen SSC, in dem man durch genau solche Synergieeffekte 30 Prozent der Flächen gespart habe.
„Sehr dankbar“
Auch die Studierendenschaft begrüßt das neue SSC als zentrale Anlaufstelle für Beratung für Studierende, Studieninteressierte, Lehrkräfte und Akteure aus dem Bildungsbereich. Diese Einrichtung sei ein wichtiger Schritt zum Ziel, Studierende in Siegen zu halten, bekräftigt die stellvertretende AStA-Vorsitzende Isabell Gunesch, der Uni und Stadt Siegen inzwischen „sehr am Herzen liegen“ und die „auf einem guten Weg“ seien. Das SSC sei eine zentrale und elementare Schnittstelle für Studierende, „viele sind sehr dankbar, dass sie nicht mehr hoch auf den Haardter Berg fahren müssen, wenn sie Probleme lösen wollen“, so Gunesch.
„Siegen - Wissen verbindet“ sei dabei nicht nur ein Uni-Projekt. Das betont der Kanzler und das betont auch der Bürgermeister. Wenn so viele Räume, so viele Menschen den Standort wechseln, sei das ein großer Teil der Stadtentwicklung. „Siegen ist ein lebendiger, moderner Studienort geworden“, sagt Steffen Mues; auch das SSC stehe mit seiner transparenten „Schaufenster-Architektur“ für Begegnung und Austausch zwischen Stadt und Hochschule – eine Verzahnung zu einem gemeinsamen Ganzen, die man immer weiter ausbauen wolle. „Der Haardter Berg ist halt von hier sechs Kilometer mit dem Auto entfernt.“ Da sei es schwierig, studentisches Leben in der Innenstadt abzubilden – und umgekehrt schwierig für die Stadtgesellschaft mitzubekommen, was eine Uni überhaupt macht.
Siegen: „Der Uni-Umzug hat sich für unsere Stadt schon gelohnt“
Schon das Untere Schloss als neuer Mittelpunkt der Uni sei ein Paradebeispiel dafür, wie eine Innenstadt aufgewertet werden könne, sagt Mues – die Präsenz sei schon heute eindeutig vorhanden, habe das Zentrum und vor allem die Oberstadt mit ihren zahlreichen Leerständen deutlich wiederbelebt. „Der Uni-Umzug hat sich für unsere Stadt schon gelohnt“, bekräftigt der Bürgermeister. „Ich weiß nicht, was wir mit solchen Gebäuden hätten anfangen sollen. Alles richtig gemacht, liebe Uni, auch im Interesse der Stadt Siegen.“
Die Häufigkeit der Ministerbesuche in Siegen seien ein gutes Zeichen: Nicht nur, „dass hier viel los ist“, sondern dass Düsseldorf diesen Weg auch unterstützt. Ohne könnten weder Bildungsstandort gestärkt, Lebensstandard erhöht, Leerstände beseitigt werden. Ganz aktuell sehe man, wie nötig diese Unterstützung ist: „Wir haben ein kleines Karstadt-Problem...“ Der riesige Leerstand liege wie eine Trennlinie durch die Stadt, zeige seit inzwischen einem Jahr die enorme Bedeutung der Immobilie nicht nur für die Kölner Straße. Eine Etage sei mit dem Hörsaalzentrum „wunderbar gelöst. Aber wir haben noch drei weitere Stockwerke darunter.“ Die Bitte des Bürgermeisters: „Wir brauchen insgesamt Klarheit über die weiteren Schritte“, wann und wie „Siegen - Wissen verbindet“ weitergeht. Es gehe nicht nur um die Uni und ihre Gebäude, sondern um Verkehrswege und öffentliche Flächen, die die Stadt in deren Gefolge zu planen habe.
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Es klingt fast schon dramatisch.