Siegen. Neues Konzept fürs Karstadt-Gebäude: Neben der Uni, die dafür anderswo Flächen aufgibt, Gastronomie, Kultur und Geschäfte. Da ist der Bedarf groß

Langer Leerstand in zentralster Lage von Siegen soll auf jeden Fall verhindert werden: Die Uni Siegen will in große Teile des nun leerstehenden Karstadt-Gebäudes einziehen. Aber nicht nur: Eigentümer, Stadt und Handel wollen neben der Hochschule hier Geschäfte ansiedeln – die Nachfrage ist hoch. Außerdem sind Flächen für Gastronomie zum „kahlen“ Schlossplatz hin geplant, für Kulturveranstaltungen. Ein bisschen wie beim Krönchen-Center, auch ein ehemaliges Kaufhaus. Das Gebäude soll dafür umgebaut und nachhaltig mit unterschiedlichen, flexiblen Nutzungen belebt werden, so das Konzept.

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Vorteil der Immobilie: Jede Etage hat ihren eigenen Eingang, bedingt durch die Hanglage „vier Erdgeschosse“, sagt Sparkassen-Vorstandsvorsitzender Wilfried Groos für die Eigentümergesellschaft Siegberg Immobilien. Gerade da liege der Charme – viele Nutzungen in einem Gebäude, zueinander durchlässig, aber eben auch mit eigenen Zugängen. Anders als ein Komplex mit Erdgeschoss-Eingang und vielen Etagen darüber.

Das Konzept: Uni Siegen ist der Kern, drumherum Geschäfte, Gastro, Kultur

Kern des ganzen ist die Uni, als Ankermieter. Die braucht für ihren Umzug weitere Flächen im Zentrum, im Karstadt sind mehr als 10.000 Quadratmeter frei geworden, sie „sitzt“ schon auf dem Gebäude, als Eigentümerin des Hörsaalzentrum, „Herzkammer“ der Hochschule, sagt Kanzler Ulf Richter. Vorgesehen ist unter anderem, einen mehrgeschossigen Musiksaal im Komplex einzurichten (über den Seiteneingang Kölner Straße), der etwa auch von Musikschulen und Chören, für Aufführungen und Konzerte mitgenutzt werden könne.

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Auch Seminarräume und ein Tagungszentrum, in dem wissenschaftliche Kongresse möglich sind – das fehlt Siegen und der Uni bislang komplett. Dafür sind eher die innenliegenden Bereiche gedacht, wo viel Tageslicht nicht zwingend notwendig ist, die nur mit Handel wohl kaum vollständig belegt werden könnten.

Die Fassade ist an einigen Stellen schon durch Fenster geöffnet – künftig soll das in größerem Maßstab für Geschäfte der Fall sein. Vorteil außerdem: Jede Etage verfügt durch die Hanglage über einen ebenerdigen Zugang.
Die Fassade ist an einigen Stellen schon durch Fenster geöffnet – künftig soll das in größerem Maßstab für Geschäfte der Fall sein. Vorteil außerdem: Jede Etage verfügt durch die Hanglage über einen ebenerdigen Zugang. © Hendrik Schulz

Aus Karstadt soll ausdrücklich aber kein reines „Haus der Lehre“ werden – man verstehe sich als „Bürger-Uni“, sagt Rektor Prof. Holger Burckhart, daher Handel, Gastronomie, Kultur. Handel, schwerpunktmäßig außen und im 2. Untergeschoss (Eingang Dicker Turm), braucht Schaufenster, „nach innen gerichtete Immobilien wie die Citygalerie“, sagt Wilfried Groos, seien nicht mehr zeitgemäß, genauso wenig Warenhäuser solcher Größenordnung. Also kleinteiliger, flexibler im Innern; die Fassaden sollen großflächig geöffnet, das Gebäude so umgebaut werden, dass es modular genutzt werden kann. Sollte es mit dem Kongresszentrum zum Beispiel nicht klappen, seien schnell andere Lösungen umsetzbar, um nicht von einer Nutzung abhängig zu sein. Ohne irgendeine Konkurrenz aufzubauen, versichert Kanzler Richter – als Ergänzung.

„Siegener Oberstadt ist zu einer Art Szeneviertel geworden“

„Die Oberstadt ist nicht mehr unser Sorgenkind – sie ist wieder hip, zu einer Art Szeneviertel geworden“, sagt Bürgermeister Steffen Mues. Es gebe so gut wie keine Leerstände mehr. „Wir sind in Vollauslastung in den Fußgängerzonen“, bestätigt Thiemo Brinkmann, Vorsitzender der Immobilien- und Standortgemeinschaft (ISG) Oberstadt. Das Karstadt-Aus habe den Standort erschüttert, aber biete Chancen, insbesondere für diesen Standort. Kernthema sei Frequenz – und dieses Konzept sei geeignet, das bestehende Portfolio sinnvoll zu ergänzen, fehlende Angebote anzusiedeln, den Bedarf zu deckeln. Das Interesse sei groß: Von Händlern aus der Nähe, der ganzen Stadt, dem Kreis und bis nach Olpe bestehe sehr ernsthaftes Interesse an nachhaltigen Mietangeboten für insgesamt rund 4000 Quadratmeter in dem Komplex.

Uni zieht in Karstadt-Gebäude – am geplanten Teilcampus Süd wird abgespeckt

Die Zwei-Standort-Lösung mit Hauptcampus Innenstadt und technischem Campus Haardter Berg steht grundsätzlich nicht in Frage. Aber der Masterplan wird angepasst werden müssen, sagt der Kanzler: Die Studierendenzahlen sinken, immer mehr Beschäftigte arbeiten im Homeoffice, Lehre findet auch online statt – Uni braucht nicht mehr so viel Platz. Das Land erwartet, dass die Uni ihren Flächenbedarf reduziert. Das wird vor allem am Teilcampus Süd, Löhrtor und Häutebachweg, der Fall sein. Auch wenn noch viele Fragen offen sind: Das Stadtbad braucht die Uni nicht mehr. Dort war der Standort für ein Haus der Musik und der Künste – das soll nun in abgespeckter Form ins Karstadt-Gebäude einziehen. Außerdem denkt die Uni darüber nach, die Geschosshöhe bei anderen in dem Gebiet geplanten Gebäuden zu reduzieren, Anmietungen würden schon zurückgegeben. Was aus dem städtebaulichen Aspekt wird – Freilegung der Weiß, innerstädtische Grünflächen – ist offen.

Für das Hörsaalzentrum räumte Karstadt die obere Etage, ein Geschoss wurde aufgesetzt und die Fassade zum Schlossplatz hin vorgezogen. Kern des „neuen Karstadt“ soll künftig die Uni sein, um die sich Geschäfte, gastronomische und kulturelle Angebote gruppieren. (Archivbild)
Für das Hörsaalzentrum räumte Karstadt die obere Etage, ein Geschoss wurde aufgesetzt und die Fassade zum Schlossplatz hin vorgezogen. Kern des „neuen Karstadt“ soll künftig die Uni sein, um die sich Geschäfte, gastronomische und kulturelle Angebote gruppieren. (Archivbild) © www.blossey.eu / FUNKE Foto Service | Hans Blossey

Das Löhrtorbad zu schließen, betont Bürgermeister Steffen Mues, sei unabhängig von und lange vor dem Uni-Umzug beschlossen worden. Der Rückzug treffe die Stadt nicht sonderlich dramatisch – das Grundstück sei noch nicht an die Uni verkauft und er sei sicher, dass sich dort ein anderer Interessent finde. Zudem ist das Hallenbad ja noch in Betrieb – mit etwas Glück lange genug, bis in Weidenau ein neues Bad eröffnet.

Online Stimmungsbild zu neuem Karstadt einholen

Zunächst sollen Bevölkerung und Hochschulangehörige gefragt werden, was sie sich im „neuen“ Karstadt wünschen: Welche Geschäfte, welche Gastronomie, welche Mobilität? Man wolle ein Stimmungsbild einholen, um innerhalb des Konzepts die richtigen Einzelentscheidungen zu treffen, sagt Rektor Holger Burckhart.

Der Campus Nord entlang der Friedrichstraße hingegen soll wie geplant fortgeführt werden – sonst würde auch ein städtebauliches Kernstück wegfallen, weil ein Hauptgebäude die Wegeverbindung über den Siegberg gewährleistet.

Bis alles unter Dach und Fach ist, steht Karstadt in Siegen doch erstmal leer

Für den Umbau sind „erhebliche Investitionen“ nötig, sagt Groos, das Ganze sei auch technisch anspruchsvoll. Bei Geschosshöhen von 4,50 Metern müsse für den Musiksaal etwa eine Decke durchbrochen werden. Man sei aber bereit, zu investieren, für eine regionale Nutzung – „wir hätten auch verkaufen können“, ein Angebot liege vor. Besser sei aber die Verantwortung vor Ort. „Ein Investor außerhalb der EU wäre womöglich nicht greifbar gewesen“, so Ulf Richter, im ungünstigsten Fall hätte das leere Gebäude nur vor sich hin gegammelt.

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Investieren braucht Planungssicherheit, erstmal muss Düsseldorf das angepasste Raumprogramm genehmigen und refinanzieren, dann folgt der übliche Weg, Planung, Bauantrag. Der eigentliche Umbau werde 12 bis 18 Monate dauern, schätzt Wilfried Groos. Bis es so weit sein wird, dürfte das Karstadt-Gebäude in Siegen vermutlich doch erstmal zwei Jahre leer stehen.