Siegen. Parken wird wieder billiger in Siegen; Stadt möchte die Menschen zurückholen. Preiserhöhung verschärft Krise durch Kaufhaus-Schließung.

Der Rat ist dem Verwaltungsvorschlag mit großer Mehrheit gefolgt und hat die Wiederabsenkung der Parkgebühren beschlossen. Zwei Stadtverordnete enthielten sich in der Abstimmung am Mittwoch, 28. Februar, während die AfD, die in den sozialen Netzwerken und auch in der Debatte für sich reklamiert hatte, von Beginn an gegen eine Erhöhung gewesen zu sein, gegen die niedrigeren Gebühren stimmte. Ein weitergehender Antrag der Volt-Fraktion, außerdem einen „Masterplan Parken“ fürs ganze Stadtgebiet zu beschließen, mit Hilfe dessen der Parkverkehr künftig besser gesteuert werden solle, wurde abgelehnt.

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Der neue Parktarif in Siegen: Hoffen, dass nun wieder Menschen in die Oberstadt kommen

Bürgermeister Steffen Mues wies auf die neue Tarifgestaltung und ihre Intention hin: Man wolle mit der ersten Stunde niedrig – 1 Euro – beginnen, um Kurzzeitparker-Kunden zurückzugewinnen. Die Diskussion drehte sich nicht erst am Mittwoch vorwiegend um die Oberstadt, wo der Rückgang seit der im September in Kraft getretenen Erhöhung besonders drastisch ausfiel: Um mehr als die Hälfte sei die Zahl der Parkvorgänge im Parkhaus Markt an der Hinterstraße eingebrochen. „Dramatisch“, sagte der Verwaltungschef. Nun gehe es darum, überhaupt wieder Parkvorgänge zu generieren, Menschen wieder in die Oberstadt zu holen. Die 20-Minuten-Taktung, die sich nach der ersten Stunde anschließt, sei kundenfreundlicher, weil stressfreier – so könnten die Menschen während des Aufenthalts nicht ständig die Uhr im Blick behalten und könnten über ihre Zeit flexibler verfügen, ohne die nächste Park-Verteuerung fürchten zu müssen.

Die Korrektur: Wenn Auto-Parken zu teuer ist, kommen die Leute nicht mit dem Bus nach Siegen

Mues wies auch darauf hin, dass der Rückgang in der Oberstadt nicht erst mit der von acht Fraktionen beschlossenen Erhöhung der Parkgebühren eingesetzt habe, sondern mit der Schließung des Karstadt-Kaufhauses. Und zwar „drastisch“. Der neue Tarif habe das dann noch verstärkt. „Seit der Karstadt-Schließung ist es sehr viel leerer in der Oberstadt geworden“, befand auch CDU-Fraktionschef Marc Klein, „auch wenn es immer hieß, da gehe keiner mehr hin“. Und die Menschen kämen auch nicht „mit Bus oder Fahrrad oder sonstwie in die Oberstadt“, so Klein in Richtung der Grünen, die in der vergangenen Ratssitzungen darauf gehofft hatten. „Die Menschen stimmen mit den Reifen ab“. Nun müsse man als Kommunalpolitik so ehrlich sein und zugeben, dass man übers Ziel hinausgeschossen sei.

Seit der Karstadt-Schließung ist es sehr viel leerer in der Oberstadt geworden.
Marc Klein - CDU

Der FDP ging wie der AfD die Wiederabsenkung nicht weit genug. Fraktionsvorsitzender Markus Nüchtern forderte 30 statt 50 Cent, um die sich die Parkkosten in der zweiten Stunde alle 20 Minuten erhöhen. „Es kann ja nicht sein, dass man für einen Kaffee weniger als fürs Parken bezahlt!“ Zwischenruf: „Wo trinkst du denn Kaffee?“ Auch Bürgermeister Mues musste schmunzeln: „Sie waren wohl schon lange nicht mehr in der Stadt zum Kaffee trinken...“ Mit den 30 Cent werde man ein „riesiges Wechselgeld-Problem“ bekommen, entgegnete Kämmerer und KEG-Geschäftsführer Wolfgang Cavelius; die Kommunale Entwicklungsgesellschaft ist für die meisten der großen Siegener Parkhäuser und Parkplätze verantwortlich. „Das wäre nicht zu stemmen.“ Im Grunde müsste dann täglich ein Geldtransport jedes Parkhaus ansteuern. Denn während bundesweit etwa 30 Prozent der Bezahlvorgänge bar abgewickelt würden, seien es an Siegener Parkautomaten 50 Prozent. Was bei vielen Parkautomaten an den Straßen daran liegen mag, dass man dort nicht mit Karte zahlen kann, sondern außer mit Bargeld nur per App („Handyparken“), was viele Menschen offensichtlich scheuen. Die Kassenautomaten der Parkhäuser wieder auf den neuen Tarif umzuprogrammieren, werde wohl um die 2000 Euro kosten – „überschaubar“, so Cavelius.

„Wenn Siegen die Parkgebühren erhöht, ist das gleich der Untergang des Abendlandes“, spielte Henning Klein, Fraktionsvorsitzender der Linken, auf die teils sehr emotionalen Diskussionen insbesondere auf Social Media an. Er glaube aber nicht, dass die Absenkung alles wieder retten werde. „Wohl und Wehe der Oberstadt hängt doch nicht vom Parken ab!“ Woanders als im Parkhaus könne man sein Auto dort doch gar nicht abstellen. Die Parkgebühren allein würden die Oberstadt vielleicht nicht retten, entgegnete Markus Nüchtern, FDP, aber diese Stellschraube könne man eben beeinflussen.

Der Parksuchverkehr in Siegen: So lange es kostenlose Stellplätze gibt, wird das nichts?

Samuel Wittenburg mahnte für Volt, dass sich die Kommunalpolitik bei diesem Thema schon einmal in die Nesseln gesetzt habe, weil die Bevölkerung nicht ausreichend eingebunden worden sei: „Wir waren damals keine Verkehrsexperten, wir sind auch jetzt noch keine Verkehrsexperten“, so der Fraktionsvorsitzende. Man sei sich einig im Ziel, Parksuchverkehr zu reduzieren, „wir alle wollen das seit Jahren, aber es funktioniert nicht.“ So lange es Parkplätze entlang von Straßen gebe, die nichts kosten, würden die Leute erst nach einer kostenlosen Stellfläche suchen, bevor sie irgendwann ins Parkhaus fahren. Das solle von externen Fachleuten analysiert werden, eben mit einem „Masterplan Parken“ für die Innenstadt, Weidenau und bei Bedarf auch Eiserfeld und Geisweid. Es gebe keine Gesamtstrategie, stattdessen würden auch jetzt einzelne Details verändert, ohne wirklich fundierte wissenschaftliche Grundlage, so die Argumentation.

Wir waren damals keine Verkehrsexperten, wir sind auch jetzt noch keine Verkehrsexperten.
Samuel Wittenburg - Volt

Fand auch Michael Groß. Der Grünen-Fraktionschef wohnt in der Oberstadt und kennt die Stellen, an denen man kostenlos sein Auto abstellen kann. „Am Oberen Schloss gibt es fünf kostenlose Parkplätze. Alle fahren doch erstmal dahin und hoffen, einen zu erwischen.“ Die Stadt sei nicht konsequent und das habe Konsequenzen: Nämlich dass man „keinen Schritt weiter“ sei, den Parksuchverkehr zu verringern. „Wenn alles bewirtschaftet wird, fällt die Suche weg.“

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Ingmar Schiltz (SPD) zeigte sich skeptisch ob des Volt-Vorschlags. Man wisse, wo die Menschen in Siegen parken, ein solcher Masterplan biete wenig Mehrwert für eine „ganze Stange Geld“.