Siegen. Uni und Stadt legen Masterplan für den Umzug ins Zentrum vor. Projekt heißt jetzt „Siegen – Wissen verbindet.“ Umfangreiches Verkehrskonzept.

Das Projekt „Uni (kommt) in die Stadt“ heißt jetzt „Siegen – Wissen verbindet“. Hochschule und Stadt legen damit zugleich ihren Masterplan vor, der den konkreten Rahmen bildet für den Umzug zweier weiterer Fakultäten ins Siegener Zentrum. Die gruppieren sich um den fertigen Hauptcampus Unteres Schloss mit Hörsaalzentrum, Mensa und Bibliothek.

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Urbaner Charakter am Teilcampus Nord (Friedrichstraße) in Siegen

Bau: Aus der ungeordneten Hinterhofsituation, großteils Parkflächen, soll strukturierte Blockbebauung entstehen, mit viel Fläche für die Fakultät I. Das frühere Modekaufhaus Hettlage wird Bibliothek (wir berichteten), daneben entstehen weitere Bauten für Büro- und Seminarräume entlang Friedrich- und bis zur Sandstraße. Im früheren Möbelhaus Wonnemann etwa wird das „Student Service Center“ (SSC) eingerichtet. Zwischen Textilfabrik, vor die eine neue Fassade gesetzt wird, und einem Neubau verbindet eine große Freitreppe zur Siegbergstraße Unter- und Oberstadt, ebenso ein öffentlicher Aufzug im Neubau. „Da wird viel Volumen geschaffen“, sagt Stadtbaurat Henrik Schumann, die urbane, dichte Bebauungsstruktur um einen zentralen Platz (Anger) und Öffnung zur Sandstraße soll aber maximal fünf Geschosse hoch werden. Mit weiteren Immobilien im Bereich und dem Bestand generell wolle man auch im Sinne der Nachhaltigkeit behutsam umgehen.

Der Plan für den Teilcampus Nord/Friedrichstraße.
Der Plan für den Teilcampus Nord/Friedrichstraße. © Uni Siegen

Verkehr: Unter den Neubauten entstehen zwei Tiefgaragen mit 200 Stellplätzen, auch für Mieter und andere Anlieger. Wie beim gesamten Masterplan stehe der Autoverkehr nicht im Fokus – der werde vor den Toren der Innenstadt abgefangen (siehe unten). Der Teilcampus soll weitgehend autofrei sein.

Der Häutebachweg (Teilcampus Süd) wird zur Fahrradstraße

Bau: Im Unterschied zum „Stadtcharakter“ des Campus Friedrichstraße soll die Landschaft zwischen Löhrtor und Häutebachweg für die Ansiedlung der Fakultät II zentral sein. Entlang der renaturierten Weiss entstehen öffentliche Wege und Freiflächen, Gebäudefassaden sollen leichter und transparenter wirken als auf der Nordseite. Die Uni hat vom Vorländer-Verlag das Druckerei-Gelände am Häutebachweg gekauft: Dank der so zusätzlich möglichen Flächen können die Gebäude auf den Grundstücken von Löhrtorbad und Haus des Handwerks niedriger werden, maximal viergeschossig. Das beeinträchtige die Siegberg-Silhouette weniger als noch im ersten Entwurf dargestellt.

Verkehr: Der Häutebachweg wird zur Fahrradstraße, die Durchfahrt auf die Koblenzer Straße für Autos unterbunden. Auf dem früheren Gelände von Radio Siegen zum Obergraben errichtet der Verlag ein Parkhaus für eigene und universitäre Zwecke (50 Stellplätze). Hier entsteht auch die Wegeverbindung zum Obergraben, von wo über die neue Mensa das Untere Schloss erreichbar wird. Die Straße Löhrtor erhält zwischen heutigem Stadtbad und Kreishandwerkerschaft eine Fußgängerbrücke zum Haus der Musik (Oranienstraße) sowie Querungshilfen, weil der Verkehr durch Alt- und Oberstadt hierüber abgewickelt wird.

Der Verkehr: Neue Parkhäuser und Tiefgaragen im Siegener Zentrum

Parkhäuser: Bedarf von rund 900 Stellplätzen im näheren Uni-Umfeld haben die Planer errechnet. Zusätzlich zu den 250 Stellplätzen auf dem Campus selbst sind Parkhäuser an der Siegerlandhalle (300 Stellplätze), am Kreiswehrersatzamt Tiergartenstraße (375) sowie an der Melanchtonstraße (60) geplant. Von dort soll die „letzte Meile“ zum Campus zu Fuß, mit Rad oder Bus zurückgelegt werden. 1370 Stellplätze für Fahrräder entstehen an der Friedrichstraße, am Obergraben und im Löhrtor-Parkhaus. Davon 600 als sichere Fahrradgaragen.

Entlang der freigelegten Weiss erstreckt sich der Teilcampus Süd vom Löhrtor entlang des Häutebachwegs.
Entlang der freigelegten Weiss erstreckt sich der Teilcampus Süd vom Löhrtor entlang des Häutebachwegs. © Uni Siegen

ÖPNV: Die Erfahrung mit dem Umzug der Fakultät III in die Innenstadt habe gezeigt, dass die Menschen Alternativen zum Auto nutzen – wenn es sie gibt, so Kanzler Ulf Richter. Viele Studierende würden mit der Bahn kommen, zentrale Campus-Bushaltestelle soll das Kölner Tor werden – bis dahin gibt es eine separate Busspur auf der Koblenzer Straße. Zudem falle absehbar ein Großteil des Busverkehrs zwischen den Uni-Standorten (UX-Linien) weg.

Die Effekte: Siegen wird attraktiver, Hoffen auf Belebung des Einzelhandels

Für die Uni: „Der Wissenschaft ein Zuhause geben“, umreißt Rektor Prof. Holger Burckhart eine zentrale Projekt-Idee. Dabei entstünden nicht nur neue Gebäude, sagt Kanzler Richter: Deren Art und die Verzahnung mit der Stadt seien neuartig. Nach dem Experiment mit der Fakultät III in Unterem Schloss und altem Stadtkrankenhaus, für das Partner aus der freien Wirtschaft ins Boot geholt wurden, habe die Landesregierung nun Vertrauen in die Akteure, dies auch beim Gesamt-Umzug zum Erfolg zu führen.

Zeitliche Planung

Der Masterplan wird aktuell der Politik vorgestellt, am 10. Juni der Öffentlichkeit als Livestream mit Bürgerbeteiligung.

Ab 2022 greift das „Investorenmodell“: Die Uni schreibt als Bauherr „päckchenweise“ Vorhaben aus, auf die sich Investoren bewerben können, inklusive Architektur, Finanzierung, Planungs- und Bauleistung. Diese Lösungen werden anhand verschiedener Kriterien, etwa auch zur Nachhaltigkeit, bewertet und ausgewählt.

Baubeginn für die ersten „Pakete“ könnte 2024 sein, wahrscheinlich die Teilprojekte Hettlage und Wonnemann. „Wir werden das nach und nach in die Stadtstruktur einflechten“, so Stadtbaurat Schumann.

Für die Stadt: „Es gibt wenig solche Chancen im Leben eines Stadtplaners“, sagt Henrik Schumann. Hier könne man Strukturen aufbrechen und Wandel herbeiführen, etwa in Sachen Verkehrswende. „Wie bei einem Reallabor“, so der Stadtbaurat, könne man bei diesem Pilotprojekt enormes Wissen erwerben. Schon jetzt seien andere Unis und und Universitätsstädte sehr an diesem Siegener Weg interessiert. Zumal es hier möglich sei, auch die Natur „zurück ins Zentrum der grünsten deutschen Großstadt“ zu holen, sagt Bürgermeister Steffen Mues.

Rektor: Lebens und Sozialqualität für alle Menschen in Siegen verbessern

Für den Handel: Auch vor Corona stand der Handel vor Herausforderungen. Mit Karstadt, Hettlage und Wonnemann führe das Projekt gleich drei frühere große Kaufhäuser einer neuen Nutzung zu, vermeide so Leerstand, so Steffen Mues. Das Hörsaalzentrum im Karstadt-Gebäude habe dem Warenhaus neue Konzepte ermöglicht, weil auf Fläche – und damit Miete – verzichtet wurde. Zudem könne eine ins Zentrum integrierte Uni die Bedürfnisse der Hochschulangehörigen erfüllen – neue Kunden für bestehende Geschäfte und neue Geschäftsansiedlungen.

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Für die Bevölkerung: Statt Elfenbeinturm auf dem Haardter Berg stärkere Verzahnung mit Stadt und Region. „Wir sind Teil eines lebenden Organismus Gesellschaft“, so Rektor Burckhart. Mit der Errichtung von Gebäuden könne man hier auch Lebens- und Sozialqualität für die Menschen verbessern. „Selbst wenn die Uni kleiner werden sollte, wird es in dieser Lage immer Interessenten geben, die es wieder mit Leben füllen.“ Das gemeinsame Dasein von Hochschule und Stadt werde sowohl Studierende als auch Lehrende nach Siegen ziehen, prognostiziert Burckhart – „wenn wir die Menschen nachhaltig in die Infrastruktur einbetten.“

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