Siegen. „Siegen – Wissen verbindet“: Mit einem Zentral-Campus von der Friedrichstraße bis zum Häutebachweg wächst auch das vergleichsweise kleine Zentrum

Mit mehr Uni in der Stadt bekommt ja nicht nur die Hochschule mehr Platz. Wird die Universität baulich ins Zentrum „eingeflochten“ (wir berichteten), entsteht auch öffentlich nutzbarer Raum für alle.

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Grün- und Aufenthaltsflächen sind in der Siegener Innenstadt trotz Neuer Ufer nach wie vor knapp – aber mit einem Campus, der sich von der Friedrichstraße im Norden über die Siegbergflanke bis zum Häutebachweg erstreckt, wächst gleichzeitig auch die Innenstadt selbst als zusammenhängendes städtebauliches Areal. Auch in Sachen Verkehrswende und Klimaschutz kann die Stadt profitieren.

Stadt und Uni Siegen wollen Anregungen aus Bevölkerung aufnehmen

Vertreter von Stadt und Hochschule haben rund 200 Bürgerinnen und Bürgern jetzt den Masterplan für „Siegen – Wissen verbindet“ digital vorgestellt. „Wir wollen nicht über Ihre Köpfe hinweg entscheiden“, betonte Uni-Kanzler Ulf Richter; das Projekt sei ein gemeinsames von Hochschule und Stadt und damit auch der Bevölkerung. Aber man müsse auch akzeptieren, dass es nicht alles Alte wieder geben werde, wenn man neue Wege beschreite. Gemeinsam mit den Menschen, auf deren Anregungen man angewiesen sei, wolle man „etwas sehr Gutes noch ein bisschen besser machen“. Die Dimensionen des Projekts könnten durchaus Anlass zur Sorge sein, sagte Stadtbaurat Henrik Schumann, daher wolle man die Bevölkerung und gerade auch Anlieger mitnehmen und einbinden.

Bei dem Großprojekt handle es sich um mehr als nur den Bau neuer Uni-Gebäude. „Vielen Innenstädten droht ein Teufelskreis“, erinnerte Richter an die sinkende Zahl von Einzelhandelsgeschäften durch Online-Konkurrenz und auch Corona – mit der Folge: weniger Kunden führen zu weniger Geschäften, führen zu weniger Kunden…

Manche Siegener Anwohner fühlen sich noch nicht mitgenommen

Auch auf Gastronomie und Kultureinrichtungen werden Auswirkungen befürchtet. „In Siegen haben wir hier die historische Chance, Innenstadt- und Universitätsentwicklung miteinander zu verzahnen und für beide Seiten zu einem Optimum zu entwickeln“, so Richter weiter; mit Uni-Gebäuden, die neue Maßstäbe setzen hinsichtlich Klimaneutralität und auch damit beispielgebend sein könnten für andere Hochschulstädte. Man leiste damit einen wichtigen konkreten Beitrag zum Klimaschutz, prognostizierte Richter.

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„Wir fühlen uns nicht mitgenommen“, sagte der Siegener Wolfgang Dellinger stellvertretend für Anwohner des Häutebachwegs. Erwartet hätte man schon, dass ihnen als Betroffene konkrete Folgen für die Straße dargelegt würden, immerhin würden da meterhohe „Betonklötze“ errichtet. „Sie mauern die Menschen hier ein.“ Die Menschen, die hier als arbeitende, steuerzahlende, konsumierende Bürgerinnen und Bürger wohnen, müssten mitgenommen werden.

Ökologische Verbesserung in Siegen-Mitte durch freigelegte Weiß

Am nördlichen Teilcampus (Friedrichstraße) schließen die Bauten kleinteilig an den Bestand an, im Süden (Häutebachweg/Löhrtor) werden es Gebäude mit größeren Volumina. Beiden sei gemein, dass die Erdgeschosse immer öffentlichen Charakter haben sollen, mit Plätzen, grünen Oasen, offenen Foyers, der nicht den Hochschulangehörigen vorbehalten sein soll – anders ließe sich das in so frequentierten Bereichen auch kaum umsetzen. Die Innenstadt wird größer, Siegens Mitte hat für ein Oberzentrum, auch durch die Tallage, eine vergleichsweise kleine Fläche. Schon mit wenigen Schritten hat man derzeit etwa von der Bahnhofstraße das Zentrum verlassen.

Die Baustrukturen sollen dichter und kompakter werden, gleichzeitig Freiräume schaffen. Mit der Freilegung, Vertiefung und Verbreiterung der Weiß zum Beispiel werde eine deutliche ökologische Verbesserung erzielt und mit Einzelelementen wie Sitzstufen, Liegewiese auch als Spiel- und Sportfläche, Treppen oder Rampen zum Fluss werde der Naturraum auch wieder erlebbar, sagte Marie-Luise Tschirner, Büro Sinai. Derzeit verläuft die Weiß in einer tiefen Rinne. Aber auch am Nord-Teilcampus sind Rückzugsorte, gärtnerisch gestaltete Erholungsoasen, Innenhöfe beispielsweise mit Fitnessflächen, Spielelementen oder Stadtmobiliar vorgesehen.

Innenstadt von Siegen wird autofrei – weitgehend

Als eng verknüpft mit der Lebens- und Aufenthaltsqualität durch „Siegen – Wissen verbindet“ betrachten die Verantwortlichen einen Wandel im Mobilitätsverhalten der Menschen. Eine bessere Anbindung an den Öffentlichen Nahverkehr, die bessere Erreichbarkeit mit dem Fahrrad, einfachere und schnellere Wegeverbindungen innerhalb des Campus – und damit innerhalb der Stadt selbst – könne ebenfalls weit über Siegen hinaus beispielgebend sein. „Wir wollen die ganze Innenstadt vernetzen“, sagte Architekt Henner Winkelmüller; das Zentrum solle gewissermaßen „perforiert“ werden, um eine höhere Durchlässigkeit zu erzielen.

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Weitgehend autofrei soll Siegens Innenstadt künftig sein. Der Umzug der Fakultät III vom Haardter Berg ins Untere Schloss habe gezeigt, dass ein wesentlicher Teil der Hochschulangehörigen – gut die Hälfte – vom Auto auf den Umweltverbund (Bus, Fahrrad, zu Fuß) umgestiegen sei, sagte Verkehrsplaner Michael M. Baier vom Büro für Stadt- und Verkehrsplanung BSV. Die Digitalisierung werde sicher dazu führen, dass nicht alle Studierende und Lehrkräfte täglich vor Ort sein werden. Dennoch sei es maßgeblich, attraktive, sichere, komfortable Fußwege innerhalb des Campus zu schaffen – und auch von den Parkhäusern Siegerlandhalle und Tiergartenstraße zum Siegberg. Die Bedingungen dafür seien nicht optimal, aber machbar, „hier und da muss etwas verbessert, neu geschaffen oder beleuchtet werden.“ Baier rechnet mit etwa 12 Minuten Fußweg auf diesen Abschnitten.

Parken im Siegener Häutebachweg wird künftig abgeschafft

Für diese sogenannte letzte Meile ist ein Pendelverkehr angedacht, der mit frei werdenden Kapazitäten der UX-Linien bestückt wird, die dann nicht mehr so häufig den Haardter Berg ansteuern. Die Gespräche in Sachen Bike-Sharing für E-Fahrräder laufen bereits, denkbar sei auch der Einsatz von E-Scootern (Rollern) zwischen Parkhaus und Campus mit entsprechenden Abstellflächen und vergünstigten Tarifen für Studierende.

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„Das Parken im Häutebachweg wird abgeschafft“, bekräftigte Verkehrsplaner Michael M. Baier. „Da muss man konsequent sein.“ In Summe werde es künftig in der Siegener Innenstadt weniger Stellplätze als heute geben – allein im Häutebachweg, der zur Fahrrad- und Anliegerstraße und für die Durchfahrt geschlossen wird, entfielen Dutzende. Gleichzeitig entstehen in den neuen Parkhäusern große Kapazitäten für Fahrräder und auch in den Bestandsparkhäusern sollen Flächen dafür umgewandelt werden. Baier: „Auf einen Pkw-Stellplatz passen locker 20 Fahrräder“ und das würden auch keine dunklen Löcher, sondern mit Umkleiden, Schließfächern, Reparatur-, Lade- und Pumpstationen ausgestattet. „Uni in die Stadt wird ein wichtiger Impulsgeber für die Verkehrswende in Siegen“, bekräftigt Baier.

Die Pläne sind im Netz einsehbar: siegen-wissen-verbindet.de.

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