Siegen. Fünf Siegener Straßen bekommen neue Namen, die Hindenburgbrücke verliert ihn ganz. Deutliche Kritik an manchen Social-Media-„Zeitgenossen“

Ganz sang- und klanglos ist das Thema dann doch nicht abgehakt worden. Nach anfangs erregt-empörten Diskussionen und dem grundsätzlichen Ratsbeschluss im Oktober 2022 hatten alle zuständigen Ausschüsse die konkreten Straßenumbenennung zuletzt nur noch durchgewunken. Das mochte Ingmar Schiltz in der entscheidenden Sitzung so nicht fortsetzen. „Das Thema ist zu wichtig, um darüber keine Worte zu verlieren“, fand der SPD-Fraktionsgeschäftsführer im Haupt- und Finanzausschuss am Mittwoch. Immerhin gehe eine jahrelange Diskussion nun zu Ende.

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„Die viele Arbeit hat sich gelohnt“, stellte Schiltz fest, äußerte Verständnis für die betroffene Anwohnerschaft für den Aufwand, den sie mit den Adressänderungen vor sich haben und für die es Unterstützung von der Stadt gebe. Am Wichtigsten aber: „Diese Schandflecke werden Geschichte sein“. Die fünf Straßen, die nun neue Namen bekommen, waren nach Menschenfeinden aller Art benannt: Kriegstreiber, überzeugte Nationalsozialisten, glühende Antisemiten. Zur Zeit der Benennung standen diese Personen noch überwiegend in einem anderen Licht; teils intensive Forschung hat in den Jahrzehnten seit Bestehen der Bundesrepublik dazu geführt, dass Taten und Geisteshaltungen an die Öffentlichkeit kamen oder neu bewertet werden mussten. Was, wie wiederholt betont wurde, keine Tilgung aus der Geschichte ist, sondern nur keine Ehrung fragwürdiger Personen mehr.

Erschrocken über „Begleitmusik“ auf Social Media über Straßennamen-Debatte in Siegen

Auch Grünen-Fraktionsvorsitzender Michael Groß erinnerte an die jahre- und jahrzehntelange Vorgeschichte, während derer man dafür gestritten habe, unwürdige Personen auch nicht länger mit einer Straßenbenennung zu ehren. Die in Siegen gewählte Methode habe letztlich zum Erfolg geführt und könne als gutes Beispiel dienen: Argumente zusammentragen, zur Diskussion stellen, am Ende entscheiden. Rat und Verwaltung hatten einen Arbeitskreis eingesetzt, der die in Rede stehenden Personen nochmals im Lichte aktuellerer Foschungsergebnisse genauer durchleuchtete und Empfehlungen abgab. Diese wurden in Infoveranstaltungen mit der Anwohnerschaft diskutiert – daraus entstand dann beispielsweise auch die Lösung, die Stöckerstraße umzuwidmen, statt umzubenennen.

Ebenfalls Gegenstand intensiver Diskussionen: Die Hindenburgstraße in Siegens Mitte. (Archiv)
Ebenfalls Gegenstand intensiver Diskussionen: Die Hindenburgstraße in Siegens Mitte. (Archiv) © Jürgen Schade

Was ihn teils sehr erschrocken habe, sagte Groß, sei die „Begleitmusik“ auf Social Media. Dass die Anwohnerschaft der betroffenen Straßen ihre Unzufriedenheit äußern sei völlig legitim – die Auseinandersetzung zwischen Stadt und Anwohnern um die ebenfalls vor der Umbenennung stehende Graf-Luckner-Straße beispielsweise läuft derzeit noch: Die Betroffenen möchten auch diese umgewidmet sehen statt umbenannt. Namensgeber soll nicht mehr der „Seeteufel“ und Kinderschänder Felix Graf Luckner sein, sondern dessen Vorfahr Johann Nikolaus Graf Luckner.

Siegen: Fragwürdiges Gemecker nach dem Motto „Haben die nichts besseres zu tun“

Was jedenfalls in den Sozialen Netzwerken teilweise zu lesen war, sei „kaum auszuhalten“, so Groß, und werfe „kein gutes Licht auf das Demokratieverständnis mancher Zeitgenossen“: Vor allem Gemecker nach dem Motto „Haben die nichts Besseres zu tun“ sei überaus fragwürdig. In jeder kommunalpolitischen Sitzung werden Dutzende Entscheidungen getroffen, erinnerte Groß – darunter auch die, an welche Personen Siegen nicht auf Straßenschildern erinnern möchte.

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Bei einer Gegenstimme wurde die Umbenennung abschließend beschlossen. Die Bergfriederstraße wird künftig „Auf dem Heuper“ heißen, die Hindenburgstraße „Europastraße“, die Hindenburgbrücke verliert den Namen ersatzlos. Die Lothar-Irle-Straße wird zu „Am Breitenbach“, die Porschestraße die „Charlotte-Petersen-Straße“ und die Diemstraße die „Margarethe-Lenz-Straße“.