Siegen. Fünf Straßen in Siegen bekommen neue Namen. Der politische Abstimmungsmarathon geht in die letzte Runde; jetzt fehlt nur noch ein Beschluss.

Die Umbenennung von Straßen mit belasteten Namen geht in die letzte Runde. Nach den Bezirksausschüssen hat nun auch der Kulturausschuss über die neuen Namen abgestimmt, ohne darüber zu diskutieren. Die letzte Entscheidung fällt nun der Hauptausschuss am Mittwoch, 23. August – danach können die Straßenschilder ausgetauscht werden.

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Keine Diskussion und fast einstimmige Beschlüsse

Bergfriederstraße: Jakob Henrich, Lehrer, Heimatdichter, antisemitischer Hetzer . Umbenennung vom Rat am 19. Oktober 2022 beschlossen. Neuer Name: „Auf dem Heuper“, Eiserner Flurbezeichnung, Abzweig von der Heuperstraße. Den Vorschlag haben Anlieger gemacht. Die Bergfriederstraße hatte ihren Namen schon in der Zeit der selbstständigen Stadt Eiserfeld. Der Kulturausschuss beschloss den neuen Namen einstimmig bei einer Stimmenthaltung.

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Hindenburgstraße: Paul von Hindenburg, Weltkriegsgeneral, letzter Reichspräsident, Wegbereiter der Machtübernahme durch Hitlers NSDAP. Umbenennung vom Rat am 19. Oktober 2022 beschlossen.. CDU, SPD, Grüne, Linke und Volt haben den neuen Namen „Europastraße“ vorgeschlagen. Dagegen stand der Antrag der FDP: „Straße des Grundgesetzes“. Die „Europastraße“ wurde im Kulturausschuss bei einer Gegenstimme und vier Stimmenthaltungen beschlossen. Ihren Vorschlag, die Hindenburgbrücke in „Luba-Brücke“ umzubenennen, hat die FDP zurückgezogen. Luba Budischewska ist als Kind 1945 in einem Zwangsarbeiterlager in Siegen umgekommen. Die bisherige „Hindenburgbrücke“ wird in Zukunft keinen Namen mehr tragen.

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Diemstraße wird Margarete-Lenz-Straße

Diemstraße: Carl Diem, NS-Sportfunktionär, später Referent im Bundesinnenministerium. Der Rat hatte die Entscheidung am 19. Oktober 2022 zurückgestellt und den Arbeitskreis um eine neue Stellungnahme gebeten. Der Arbeitskreis blieb bei seiner Empfehlung, der Rat beschloss am 22. März die Umbenennung. Als neuen Namen beantragen die Grünen „Margarete-Lenz-Straße“. Die Frauchenrechtlerin stammt aus Niederschelden, sie wurde dort 1899 geboren. Vor den Nationalsozialisten floh sie ins Ausland, nach dem Krieg arbeitete sie im Auswärtigen Amt, wurde 1956 zur Konsulin in Linz ernannt; sie starb 1986. Die Diemstraße hieß bis zur kommunalen Neugliederung 1975 Jahnstraße (die es auch in Weidenau gibt). Der TV Jahn Siegen schlägt vor, die Diemstraße für den Pfarrer und Nazi-Gegner Hermann Diem umzuwidmen – so, wie die Stöckerstraße künftig an die Frauenrechtlerin Helene Stöcker statt an den antisemitischen Hofprediger Adolf Stoecker erinnern soll. Berührungen zu Siegen haben weder Helene Stöcker noch Hermann Diem. Der Kulturausschuss beschloss den neuen Namen bei einer Gegenstimme und zwei Stimmenthaltungen.

Porschestraße: Ferdinand Porsche, Wehrwirtschaftsführer, SS-Oberführer ehrenhalber, „KZ Arbeitsdorf“ für den Autobau, „Ausländerkinder-Pflegestätte“. Wie Diemstraße, Umbenennung beschlossen. Die Grünen schlagen „Charlotte-Petersen-Straße“ vor. Charlotte Petersen (1904-1994), ebenfalls aus Niederschelden gebürtig, war Journalistin, setzte sich für die Versöhnung von Christen und Juden ein. Verdient machte sie sich mit dem Hilfswerk für die Überlebenden des KZ Wapniarka in Rumänien. Die Porschestraße bekam ihren Namen nach der kommunalen Neugliederung 1975. Bis dahin hieß sie Siegtalstraße (die es bereits im eingemeindeten Stadtteil Niederschelden gibt). Der Kulturausschuss beschloss den neuen Namen bei zwei Gegenstimmen und drei Stimmenthaltungen.

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Lothar-Irle-Straße: NS-Lehrerfunktionär, nach dem 2. Weltkrieg vom Lehrerberuf ausgeschlossen, Volks- und Heimatkundler. Umbenennung vom Rat am 19. Oktober 2022 beschlossen. Die Neubenennung wurde am Mittwoch von der Tagesordnung abgesetzt, die Entscheidung fällt im Dezember. Neuer Name nach Antrag der fünf Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, Linken und Volt: „Am Breitenbach“ nach dem unter der Straße verlaufenden Gewässer. 1975 wurde die Straße umbenannt, um eine Doppelung mit der Weidenauer Talstraße zu vermeiden. Der Kulturausschuss beschloss den neuen Namen einstimmig bei zwei Stimmenthaltungen.

Sonderfall „Graf-Luckner-Straße“

Direkt durch den Rat beschlossen wurde die Umbenennung der Graf-Luckner-Straße: Felix Graf Luckner, Marineoffizier, sexueller Missbrauch von Kindern. Im März vom Arbeitskreis nachträglich zur Umbenennung empfohlen, vom Rat sofort beschlossen. Bis zur kommunalen Neugliederung 1975, bei der die Stadt Hüttental mit dem Stadtteil Weidenau nach Siegen eingemeindet wurde, Hindenburgstraße. Neu: Edith-Langner-Straße, CDU-Landtagsabgeordnete von 1966 bis 1975. Anlieger schlagen vor, es bei der Graf-Luckner-Straße zu belassen, diese aber nun dem Andenken an Johann Nikolaus Graf Luckner (1722-1794) zu widmen. Er habe eine „enge Beziehung zwischen Deutschland und Frankreich geschaffen“, es stehe „außer Frage“, dass er sich „Verdienste um die heutige deutsch-französische Freundschaft erworben hat“.

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