Kaan-Marienborn. Die Anlieger der nach dem Nazi-Lehrerfunktionär benannten Straße haben verglich widersprochen. Die Käner gehen zur Tagesordnung über.

Gegenüber der Stadt haben die Käner ihre Schuldigkeit getan und heftig für ihre Lothar-Irle-Straße protestiert. Im Bezirksausschuss Ost, wo sie unter sich sind, verliert niemand mehr ein Wort über das Thema. Nur ein Ausschussmitglied enthält sich der Stimme, als der neue Name „Am Breitenbach“ beschlossen wird.

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Wie Kaan mit Irle fertig wird

Dass es in Kaan-Marienborn nicht mehr lange eine Lothar-Irle-Straße geben wird, „müssen wir akzeptieren“, meint Bezirksausschussvorsitzender Johannes Tigges (CDU), „daran können wir nichts mehr ändern.“ Immerhin sei es noch gelungen, die Anwohner an der Namenssuche zu beteiligen. Sie hatten vorgeschlagen, den unter der Fahrbahn verrohrt verlaufenden Bach auf dem neuen Straßenschild sichtbar zu machen.

Bevor der Rat am 19. Oktober 2022 die Lothar-Irle-Straße mit 31 gegen 30 Stimmen aus dem Straßenverzeichnis getilgt hat, hatte Johannes Tigges (CDU) die Käner Position engagiert vertreten. Irle sei ein „überaus geschätzter Heimatforscher und -dichter“, die von ihm verfasste Chronik ein „unersetzliches Erbe der Geschichte Kaan-Marienborns“. Irles Mitgliedschaft in der NSDAP („im Krieg“) sei „sicherlich kritikwürdig“, er habe seine Haltung aber nach dem Krieg in einem Brief an seine Kinder „bitter bereut“. 95 Prozent der Anlieger seien gegen die Umbenennung.

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Der vom Rat eingesetzte Straßennamen-Arbeitskreis urteilte über den NS-Lehrerfunktionär so: „Als Lehrender und Schriftsteller wirkte Irle als Propagandist und trug auf unterschiedlichen Wegen aktiv zur Verbreitung von nationalsozialistischem und antisemitischem Gedankengut. Irle erzog junge Menschen gemäß NS-Ideologie und trug zur Gleichschaltung der Lehrerschaft bei. Erschwerend kommt hinzu, dass Irle sich nach 1945 nicht von seinen ideologischen Vorstellungen distanzierte, sondern diesen verhaftet blieb.“ Der Historiker Dr. Rainer Elkar ging in einem Vortrag in Hilchenbach auf die Haltung des späteren SGV-Bezirksvorsitzenden ein. „Nicht Blut, sondern Boden“, sagte Dr. Elkar über den Nachkriegs-Irle: Dessen familienkundliche Forschung machte da weiter, wo er bei den Nazis aufgehört hatte. Schon 1933 beklagte er in einem denunzierenden Schreiben an den Regierungspräsidenten, dass in einem Lehrgang nicht gezeigt wurde, „wie man rassekundliche Untersuchungen selbst vornehmen konnte“. In seinem Siegerländer Persönlichkeiten- und Geschlechterlexikon vergibt er auch in seinem Todesjahr 1974 noch den Judenstern. „Jude“ steht dann in Klammern hinter dem Namen, wo bei anderen ein Lebenslauf skizziert wird.

Die 18 Mitglieder des Bezirksausschusses, der im Bürgersaal der Weißtalhalle tagt, sind sozusagen die Nachfolger des Kaan-Marienborner Gemeinderates, den es nach dem Willen der Käner heute noch geben könnte. Als die kommunale Neugliederung begann und 1966 aus dem Amt Weidenau die Stadt Hüttental wurde, wurde Kaan-Marienborn stattdessen – wie Bürbach, Seelbach, Trupbach und Volnsberg – nach Siegen eingemeindet. 94 Prozent der Käner stimmten in einer Volksabstimmung dagegen. Die Klage gegen die Eingemeindung landete beim Bundesverfassungsgericht; dort wurde sie abgewiesen. 1975 war Kaan-Marienborn längst Siegener Stadtteil, als auch die Stadt Hüttental eingemeindet wurde. Die Weidenauer Talstraße ist letztlich schuld, dass Kaan-Marienborn seine Talstraße abgeben musste – und die Lothar-Irle-Straße bekam.

Was stattdessen wichtig ist

Im Bezirksausschuss Ost wird keine große Politik gemacht. Viel mehr Zeit verwenden die Stadtteilvertreter auf die Raser, die von Breitenbach nach Kaan hineinbrettern. Die – wegen der Hauseinfahrten zu weit auseinanderliegenden – Fahrbahneinengungen haben nichts gebracht, stellte Anke Schreiber, Leiterin der Abteilung Straße und Verkehr, fest: „Die Geschwindigkeit ist nicht geringer geworden.“ „Das war mir als Breitenbacher damals schon klar, dass das nicht funktionieren würde“, sagt Benjamin Grimm (CDU). „Wir haben da keinen Durchgangsverkehr“, stellt Franz Englert (UWG) über die Sackgasse nach Breitenbach fest, „die wissen, wie sie da schnell durchkommen.“ Nun wird die Stadt einen Versuch mit „Berliner Kissen“ machen, die die Fahrbahn auf ganzer Breite anheben, geteilt. damit der Linienbus ohne Schüttelei durchkommt.

Zeit nimmt sich der Bezirksausschuss fürs Überlegen, wie Menschen davon abgehalten werden können, tonnenweise Müll neben Wertstoffcontainern abzulagern – an einem Standort wird es nun mit (Solar-)Beleuchtung versucht, am anderen mit einer Kameraattrappe. Anke Schreiber ist skeptisch: Im Tunnel an der Siegerlandhalle habe die Stadt das einmal probiert, „Nach drei Tagen war sie weg.“ Schließlich das verwildernde Grundstück des ehemaligen Kindergartens Am Nochen. Angeregt wird ein Appell ans Landeskirchenamt , einem Verkauf an einen Investor zuzustimmen – bisher bestand die Kirche auf Erbpacht, auf die sich niemand einlassen wollte. Am Ende macht Bezirksausschussvorsitzender Johannes Tigges wie immer die Präsentation über „erledigte und noch offene Maßnahmen im Bezirk“ auf. Wer braucht da noch Lothar Irle?

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