Siegen. Der Rat Siegen entscheidet in Sachen Straßenumbenennung: Drei Straßen werden umbenannt – und für eine weitere geht die Diskussion erst los.

Der Rat Siegen hat am Mittwoch, 19. Oktober, mehrheitlich einen Kompromiss zur Umbenennung NS-belasteter Straßen verabschiedet. Wie berichtet hatte die Politik lange und kontrovers über die Vorschläge des eigens dazu eingesetzten Arbeitskreises gestritten; mit äußerst knapper Mehrheit von 31 zu 30 Stimmen traf der Rat eine Entscheidung. Dem entsprechenden Änderungsantrag von SPD- und Volt-Fraktion stimmte das Gremium zu.

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Was das konkret heißt: Umbenannt werden die Lothar-Irle-, Bergfrieder- und Hindenburgstraße. Zu neuen Namen wurden weder Angaben gemacht noch Entscheidungen gefällt: Der Arbeitskreis hatte sich auch mit einer Liste mit potenziell ehrungswürdigen Frauen beschäftigt. Hintergrund war ein Bürgerantrag, Frauen durch Namensnennung im Stadtbild sichtbarer zu machen. Ob dazu Namen von dieser Liste verwendet werden, ist aber noch offen.

Konstruktiver Vorschlag für die Stöckerstraße in Siegen: Glück für die Anwohner

Die Stöckerstraße wird umgewidmet: Benannt – und in der Dokumentation festgehalten – ist sie nach dem Antisemiten Adolf Stoecker, unabhängig von der Schreibweise. Glücksfall für die Anwohner: Die Frauenrechtlerin Helene Stöcker ist unverdächtig, Nationalsozialistin gewesen zu sein. Damit folgte der Rat dem „konstruktiven Vorschlag“ der Umwidmung.

Mit der Porsche-, Diem- und Adolf-Wagner-Straße – vielmehr den Biografien ihrer Namensgeber – wird sich der Arbeitskreis erneut und weiter beschäftigen, bevor dazu eine endgültige Entscheidung getroffen werden kann. Ebenfalls mit der Graf-Luckner-Straße, die ursprünglich nicht in die Kategorie A (hoch belastet) einsortiert worden war. Zu Felix Graf von Luckner seien nicht alle Fakten berücksichtigt worden: Es gebe neue Hinweise, dass er pädophile Neigungen gehabt und diese auch ausgelebt haben soll. Der Arbeitskreis soll das untersuchen und dann eine Empfehlung zum weiteren Vorgehen abgeben.

Siegens Bürgermeister bezieht Position: Person muss auch heute ehrungswürdig sein

Seit der Arbeitskreis Ende Mai seinen Abschlussbericht vorgelegt hatte, wurde intensiv diskutiert; vor allem in der Politik. Von konservativer Seite wurden vor allem die Belange der Anwohner der betroffenen Straßen in den Fokus gerückt sowie sich wandelnder Zeitgeist, was in der Konsequenz zu weiteren Umbenennungen führe. Ein weiteres Hauptargument war die Eingrenzung auf NS-belastete Personen, was allerdings von Beginn an der Auftrag des Arbeitskreises gewesen war.

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Befürworter der Umbenennung hingegen führten vor allem den Ehrungscharakter eines Straßennamens an: Nur ergänzende Informationen an einem Straßenschild anzubringen, ändere nichts daran, dass ein Straßenname nun einmal eine große Würdigung einer Person sei. Dem hatte sich zuletzt auch Bürgermeister Steffen Mues angeschlossen, der auch öffentlich mit sich gerungen hatte: „Eine größere Ehrung eines Menschen als die mittels der Benennung einer Straße oder eines Platzes nach ihm lässt sich schwerlich vorstellen“, so der Verwaltungschef, der auch CDU-Mitglied ist, in einer Stellungnahme. Zuerkannte Preise, Medaillen, Urkunden oder Pokale könnten verloren gehen, „ein Straßenname bleibt.“

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Daher müsse er sich heute fragen, ob die mit dem Straßenschild geehrte Person dieser Ehre in der Gegenwart würdig ist. Diese Frage müsse mit einem klaren „Ja“ beantworten werden können, so Mues – ohne Abmilderung oder Relativierung („Aber es waren doch andere Zeiten!“). Politischer Anstand und Würde seien zeitlose Qualitäten, nur auf sie komme es bei der Beurteilung einer Lebensleistung an.