Siegen. Die Beratungsrunde durch die Bezirksausschüsse ist abgeschlossen. Besonders engagiert haben sich die Stadtteilvertretungen nicht.
Die Porschestraße auf der Sieghütte heißt künftig Charlotte-Petersen-Straße, die Diemstraße am Fuße des Fischbacherbergs Margarete-Lenz-Straße. Mit der Sitzung des Bezirksausschusses West ist die erste, fast einmonatige Beratungsrunde durch die von Straßenumbenennungen betroffenen vier Bezirksausschüsse abgeschlossen. Es folgen nun noch im August der Kulturausschuss und – zur abschließenden Entscheidung – der Hauptausschuss.
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Worüber nicht gesprochen wird
Auch im Bürgerhaus Seelbach blieb – wie schon zuvor in Kaan-Marienborn – jegliche inhaltliche Diskussion aus. „Wir haben relativ wenig Spielraum“, behauptete Bezirksausschussvorsitzender Franz Englert (UWG), „gibt es irgendwelche Nachfragen?“ Die gab es nicht – Angela Jung (Grüne) stellte lediglich noch klar, dass sich die Ratsfraktionen auf „Margarete“ statt „Margarethe“, nun als ohne „h“, verständigt hätten. Immerhin setzte die CDU-Fraktion noch eine Abstimmung durch, nachdem Vorsitzender Franz Englert bereits zum folgenden Tagesordnungspunkt übergegangen war. Auf diesem Weg wurde ein einstimmiger Beschluss bei vier Stimmenthaltungen protokollierbar gemacht.
Beide nun gelöschten Straßennamen gibt es erst seit der kommunalen Neugliederung 1975. Carl Diem, der NS-Sportfunktionär, löste „Turnvater“ Friedrich-Ludwig Jahn ab, weil es in Weidenau auch schon eine Jahnstraße gibt. Ferdinand Porsche, SS-Oberführer ehrenhalber und Wehrwirtschaftsführer, trat an die Stelle der Siegtalstraße, die bereits in Niederschelden stand.
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Nicht gesprochen wurde über den Vorschlag des TV Jahn Siegen, die Diemstraße für Hermann Diem „umzuwidmen“ – einen Pfarrer in Tübingen, der sich dem NS-Regime widersetzt hatte. Argument war angeblich der fehlender Siegener Bezug, den allerdings Frauenrechtlerin Helene Stöcker auch nicht hat, die nun Patin der – bisher stets falsch geschriebenen – Stöckerstraße ist. die dem Judenhasser und Reichstagsabgeordneten Adolph Stoecker gewidmet war. Auf eine ähnliche Idee sind inzwischen auch Anwohner der Graf-Luckner-Straße gekommen: Sie haben Johann Nikolaus Graf Luckner entdeckt, den in der französischen Revolution hingerichteten Urgroßvater des Kinderschänders. Die neuen Straßennamen im West-Bezirk sind Frauen mit Bindung an die Region gewidmet: Charlotte Petersen, die für die christlich-jüdische Versöhnung engagierte Journalistin, wurde in Niederschelden geboren, die Sozialpolitikerin und Diplomatin Margarete Lenz ist gebürtige Siegenerin.
Was den Stadtteilen wichtiger ist
Alle insgesamt sechs Straßenneubenennungen – Graf-Luckner- zu Edith-Langner-Staße hatte der Rat vorab an sich gezogen – hätten auch im April schon über die Bühne gehen können. Der Kulturausschuss musste das Thema aber im März von der Tagesordnung nehmen, weil die Bezirksausschüsse gehört werden sollten – so sieht es die Hauptsatzung der Stadt vor. Die Vertretungen der betroffenen Stadtteile zeigten allerdings durchweg sehr begrenztes Interesse.
Am intensivsten diskutierte der Bezirksausschuss Mitte, allerdings auch nicht über die Hindenburgstraße, die zur Europastraße wird, sondern über die Hindenburgbrücke, die für niemanden Adresse ist und deren Name auch an Ort und Stelle nicht erscheint. In Kaan-Marienborn (Lothar-Irle-Straße zu Am Breitenbach) nahm die Vermüllung von Wertstoffcontainerplätzen und die Verkehrsberuhigung in der Breitenbacher Straße einen zeitlich vielfach größeren Raum ein. Und auch für Seelbach gab es ein erkennbar wichtigeres Anliegen: die geplanten und schließlich bei einer Gegenstimme und zwei Stimmenthaltungen beschlossenen Schranken, die die Durchfahrt über Wurmberg und Holzseifen über den Wirtschaftsweg in den Wald unterbinden.
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Vorsitzender Franz Englert (UWG) zeigte Verständnis für das Anliegen der Landwirte, keine geparkten Autos mehr auf Feldern und Wiesen zu dulden: „Wenn das Ihre Grundstücke wären, wären Sie auch nicht einverstanden.“ Ein Zuhörer pflichtete bei: Seelbach müsse als das „Hundescheißhaus von Siegen“ herhalten. Reinhilde Katz (CDU) warn für die Durchfahrtmöglichkeit bis auf die Höhe hinauf: „Viele alte Leute haben sonst überhaupt keine Möglichkeit mehr, in den Wald zu kommen.“ Da vielleicht nicht, aber woanders schon, erwiderte Anke Schreiber, Leiterin der Abteilung Straße und Verkehr: „Ich glaube schon, dass es noch Ecken gibt, wo man hinfahren und mit dem Rollator üben kann.“ Möglich wird die Sperrung, weil die NRW-Stiftung auf den am Ende des Wege gelegenen Wanderparkplatz zur Trupbacher Heide verzichtet.
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