Siegen. Fünf Straßen und eine Brücke bekommen in Siegen neue Namen, damit Antisemiten und Kriegstreiber nicht weiter geehrt werden. Hier steht, welche:
Die Neubenennung von Straßen nimmt Fahrt auf. Im April und Mai tagen die betroffenen Bezirksausschüsse, im August berät der Kulturausschuss, die Entscheidung fällt dann im Hauptausschuss.
+++Mehr Nachrichten aus Siegen und dem Siegerland finden Sie hier!+++
Im Bezirksausschuss Eiserfeld steht am Montag, 24. April, eine Straße in Eisern auf der Tagesordnung.
Bergfriederstraße: Jakob Henrich, Lehrer, Heimatdichter, antisemitischer Hetzer. Umbenennung vom Rat am 19. Oktober 2022 beschlossen. Die Neubenennung wurde am Mittwoch von der Tagesordnung abgesetzt, die Entscheidung fällt im Dezember. Neuer Name nach Antrag der fünf Fraktionen: „Auf dem Heuper“, Eiserner Flurbezeichnung, Abzweig von der Heuperstraße. Den Vorschlag haben Anlieger gemacht. Die Bergfriederstraße hatte ihren Namen schon in der Zeit der selbstständigen Stadt Eiserfeld.
Im Bezirksausschuss Mitte geht es am Donnerstag, 27. April, 17 Uhr, im Atriumsaal der Siegerlandhalle um die
Hindenburgstraße: Paul von Hindenburg, Weltkriegsgeneral, letzter Reichspräsident, Wegbereiter der Machtübernahme durch Hitlers NSDAP. Umbenennung vom Rat am 19. Oktober 2022 beschlossen. Den Ausschüssen liegt der Antrag von CDU, SPD, Grünen, Linken und Volt vor, den neuen Namen „Europastraße“ festzusetzen. Dagegen steht der Antrag der FDP: „Straße des Grundgesetzes“ – „die Stadt Siegen wäre damit ein bundesdeutscher Vorreiter“, heißt es in der Begründung. Die Hindenburgbrücke soll „Luba-Brücke“ heißen, schlägt die FDP vor. Luba Budischewska ist als Kind 1945 in einem Zwangsarbeiterlager in Siegen umgekommen.
Im Bezirksausschuss West, der am Mittwoch, 17. Mai, tagt, geht es um zwei Straßen:
Diemstraße: Carl Diem, NS-Sportfunktionär, später Referent im Bundesinnenministerium. Der Rat hatte die Entscheidung am 19. Oktober 2022 zurückgestellt und den Arbeitskreis um eine neue Stellungnahme gebeten. Der Arbeitskreis blieb bei seiner Empfehlung, der Rat beschloss am 22. März die Umbenennung. Als neuen Namen beantragen die Grünen „Margarete-Lenz-Straße“. Die Frauchenrechtlerin stammt aus Niederschelden, sie wurde dort 1899 geboren. Vor den Nationalsozialisten floh sie ins Ausland, nach dem Krieg arbeitete sie im Auswärtigen Amt, wurde 1956 zur Konsulin in Linz ernannt; sie starb 1986. Entgegen dem Wikipedia-Eintrag entscheidet sich die Stadt Siegen für die Schreibweise „Margarethe“. Die Diemstraße hieß bis zur kommunalen Neugliederung 1975 Jahnstraße (die es auch in Weidenau gibt). Der TV Jahn Siegen schlägt vor, die Diemstraße für den Pfarrer und Nazi-Gegner Hermann Diem umzuwidmen – so, wie die Stöckerstraße künftig an die Frauenrechtlerin Helene Stöcker statt an den antisemitischen Hofprediger Adolf Stoecker erinnern soll. Berührungen zu Siegen haben weder Helene Stöcker noch Hermann Diem.
Porschestraße: Ferdinand Porsche, Wehrwirtschaftsführer, SS-Oberführer ehrenhalber, „KZ Arbeitsdorf“ für den Autobau, „Ausländerkinder-Pflegestätte“. Wie Diemstraße, Umbenennnung beschlossen. Die Grünen schlagen „Charlotte-Petersen-Straße“ vor. Charlotte Petersen (1904-1994), ebenfalls aus Niederschelden gebürtig, war Journalistin, setzte sich für die Versöhnung von Christen und Juden ein. Verdient machte sie sich mit dem Hilfswerk für die Überlebenden des KZ Wapniarka in Rumänien. Die Porschestraße bekam ihren Namen nach der kommunalen Neugliederung 1975. Bis dahin hieß sie Siegtalstraße (die es bereits im eingemeindeten Stadtteil Niederschelden gibt).
Der Bezirksausschuss Ost befasst sich am Donnerstag, 11. Mai, mit der
Lothar-Irle-Straße: NS-Lehrerfunktionär, nach dem 2. Weltkrieg vom Lehrerberuf ausgeschlossen, Volks- und Heimatkundler. Umbenennung vom Rat am 19. Oktober 2022 beschlossen. Die Neubenennung wurde am Mittwoch von der Tagesordnung abgesetzt, die Entscheidung fällt im Dezember. Neuer Name nach Antrag der fünf Fraktionen von CDU, SPD, Grünen, Linken und Volt: „Am Breitenbach“ nach dem unter der Straße verlaufenden Gewässer. 1975 wurde die Straße umbenannt, um eine Doppelung mit der Weidenauer Talstraße zu vermeiden.
Direkt durch den Rat beschlossen wurde die Umbenennung der
Graf-Luckner-Straße: Felix Graf Luckner, Marineoffizier, sexueller Missbrauch von Kindern. Im März vom Arbeitskreis nachträglich zur Umbenennung empfohlen, vom Rat sofort beschlossen. Bis zur kommunalen Neugliederung 1975, bei der die Stadt Hüttental mit dem Stadtteil Weidenau nach Siegen eingemeindet wurde, Hindenburgstraße. Neu: Edith-Langner-Straße, CDU-Landtagsabgeordnete von 1966 bis 1975.
+++Die Lokalredaktion Siegen ist auch bei Facebook!+++